Patent- und Urheberrecht War Deutschland zu naiv?

Eine Frage der Fairness: Huawei streitet um Lizenzzahlungen für Fritz!Boxen Quelle: imago images, Montage

Das deutsche Patentrecht soll den Erfindungsreichtum hiesiger Mittelständler schützen. Doch nun macht es sich ausgerechnet der chinesische Konzern Huawei zunutze, um Lizenzgelder durchzusetzen.

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Mal stehen sie in einer Ecke im Flur, mal unter dem Sofa. 68 Prozent aller deutschen Haushalte nutzen zwar eine Fritz!Box. Aber kaum jemand verschwendet einen Gedanken an die Router von dem Berliner Mittelständler AVM. Das könnte sich ändern: Der chinesische Telekommunikationskonzern Huawei verklagt AVM wegen der Verletzung von zwei WLAN-Patenten vor dem Landgericht München 1 auf Unterlassung. Dieses Gericht hatte im Mai in einem ähnlichen Fall gegen Ford nicht nur ein Verkaufsverbot angeordnet, sondern auch die Zerstörung der unlizenzierten Produkte. Das könnte auch AVM drohen. Das Unternehmen müsste dann seine Fritz!Boxen zurückkaufen und zerstören. Viele Haushalte stünden ohne Internet da.

AVM ist eines von vier Unternehmen, gegen die Huawei derzeit in Deutschland wegen Patentverletzung gerichtlich vorgeht, wie die WirtschaftsWoche von Huawei erfuhr. Der chinesische Kommunikationskonzern verklagt den Autohersteller Stellantis, der unter anderem Fiat, Opel und Citroën herstellt, in Mannheim und in München. Im Zentrum dieser beiden Prozesse stehen Mobilfunkpatente, die in Autos serienmäßig den Internetzugang sicherstellen. Den AVM-Konkurrenten Netgear verklagt Huawei wegen der Verletzung von zwei WLAN-Patenten vor dem Landgericht Düsseldorf. Um vier nicht lizensierte Patente in Echo-Lautsprechern und Kindle-Lesegeräten geht es parallel in München, Düsseldorf und Mannheim gegen den US-Konzern Amazon.

Patente dienen der Gewinnabführung

Für immer mehr Technologien werden internationale Standards festgelegt, damit Geräte untereinander kommunizieren können – 5G und WLAN sind nur zwei davon. Für die Patente, die in einen solchen Standard einfließen, stehen den Urhebern als Ausgleich für ihren Aufwand bei der Entwicklung der Technologien Lizenzgebühren von allen Nutzern zu. Dabei müssen sie den Lizenznehmern faire, angemessene Angebote machen – denn denen bleibt keine Wahl. Oft lassen die Verwender der Technologien Gerichte erst feststellen, ob ein Patent wirklich essenziell oder der verlangte Preis fair ist.

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Gerade bei Produkten mit knappen Margen geht es um viel Geld – und darum, bei wem der Gewinn verbucht wird. Gerade in Zeiten politischer Spannungen, in denen Staaten heimische Industrien schützen wollen, sind standardessenzielle Patente ein weiterer Hebel, um sich die technologische Vorherrschaft zu sichern.

Huawei hatte sich in den Patentschlachten zwischen Mobilfunkpatenthaltern und Autoherstellern bislang im Hintergrund gehalten. Dabei ist dem Konzern durch die US-Sanktionen der Markt für Smartphones in der westlichen Hemisphäre weggebrochen. Mehr Lizenzeinnahmen kämen da gelegen. Seit zwei Jahren baut das Unternehmen seine Patentabteilung in München aus. Dem Unternehmen gehören laut dem deutschen Analysehaus IPlytics mit 15,4 Prozent die meisten aller weltweit angemeldeten Patentfamilien aus dem Mobilfunkbereich 5G und mit 8,7 Prozent die meisten WLAN-Patente.

Viele deutsche Unternehmen bauten auf letzteren Standard als günstigere Alternative zum Mobilfunk, weil er bislang stark von US-Firmen geprägt war, die ihre Patente nicht monetarisierten. Das war womöglich naiv: „Im Bereich der Kommunikation ist alles patentiert, und früher oder später wird auch jeder zur Kasse gebeten“, sagt Alexander Wurzer, Professor für Patentmanagement an der Universität Straßburg.

Emil Zhang, Leiter der europäischen IP-Abteilung von Huawei, verneint jegliche geopolitische Motive hinter den Klagen: „Innovation hat nichts mit Politik zu tun.“ Zhang gibt sich sachlich: „Huawei zahlt für die eigenen Produkte mehr Lizenzgebühren, als wir von anderen einnehmen. Deshalb ist uns an einem ausgewogenen Preis für Lizenzen gelegen.“ Bei Huaweis Forderungen geht es allein bei den vier Fällen, die jetzt vor deutschen Gerichten verhandelt werden, um Hunderte von Millionen Euro an Lizenzgebühren. Zhang betont, die beklagten Parteien seien nur sehr schleppend, wenn überhaupt, auf Verhandlungsangebote eingegangen. Meist einige man sich ohne Rechtsstreit.

Mit AVM aber trifft es ausgerechnet einen deutschen Mittelständler, der sich als einer der wenigen gegen die Konkurrenz aus Amerika und Asien behauptet. Ausgerechnet das strenge deutsche Patentrecht, einst erdacht für den Schutz des hiesigen Mittelstands, setzt Huawei nun gegen das Unternehmen ein: „Wir setzen auf deutsche Gerichte, weil sie schnell entscheiden und hoch qualifizierte Richter haben“, sagt Zhang. Fakt ist aber auch: Nirgendwo sonst kann ein einzelnes Patent so schnell den Verkauf stoppen oder eine Produktion stilllegen wie in Deutschland.

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Der ehemalige Ministerialbeamte Ulrich Sandl, der die Merkel-Regierung jahrelang vor der drohenden Abhängigkeit von chinesischen Patenten gewarnt hatte, sieht sich nach Huaweis Klagen vor deutschen Gerichten in seinen Befürchtungen bestätigt. Bei der Novellierung des Patenrechts hatte er darauf gedrungen, eine gesonderte, lockerere Regelung für standardessenzielle Patente zu finden. Ohne Erfolg. „Die Falle ist bereits zugeschnappt“, so Sandl. Er warnt: „Auch die Unternehmen, die 5G oder WLAN anwenden, aber momentan noch nicht verklagt sind, sollten jetzt nachdenklich werden.“

Welche Anwälte und Kanzleien sich bei Fragen rund um Patent- und Urheberrechte besonders gut auskennen und im Streitfall Hilfe leisten können, zeigt das große WirtschaftsWoche-Ranking. Nachfolgend finden Sie alle Ergebnisse im Überblick.

Die renommiertesten Patentanwälte

Die Jury: Das Handelsblatt Research Institute (HRI) fragte für die WirtschaftsWoche mehr als 1700 Juristen aus 220 Kanzleien nach ihren renommiertesten Kollegen für Patent- und Urheberrecht. Nach Bewertung der Jury setzten sich für Patentrecht bei den Patentrechtsanwälten 25 Kanzleien mit 43 Juristen und bei den Patentanwälten 19 Kanzleien mit 19 Anwälten durch.

Für das Urheberrecht behaupteten sich 16 Kanzleien und 18 Juristen.

Die Jury für Patentrecht: Dennis Amschewitz (Bosch), Jochen Meyer (Vodafone), Jennifer Jonak (Seoul Semiconductor), Claas Westermann (RWE), Stephan Wolke (Thyssenkrupp) und Achim Schunder (C.H. Beck) Die Jury für Urheberrecht: Dennis Amschewitz (Bosch), Claas Westermann (RWE), Stephan Wolke (Thyssenkrupp) und Achim Schunder (C.H.Beck)



Die renommiertesten Patentrechtsanwälte



Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für Urheberrecht



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