Der Portwein war das Getränk des georgianischen Zeitalters und des großen englischen Gesellschaftsromans im 19. Jahrhundert. Dort machte er unter trinkfesten Herren mit hohen weißen Halstüchern die Runde, nach einem Bummel im gepflegten Park, während des Abendessens und natürlich im Club. Aber auch unter feinen Damen in schlecht beheizten Country Houses, die sich ihm müde von ihren zahllosen Garderobenwechseln, von Picknick, Kricket und Bootsausflug in die Arme warfen.
Die Aristokratie reiste damals des Portweins wegen nach Bath, um die ihm zugeschriebene Gicht auszukurieren – und verabreichte sich Portwein, wenn Rhabarberwurzel allein nicht gegen Magenverstimmung half. Charles Dickens wiederum ließ die billigen Sorten später in der Unterwelt zirkulieren („Bring Portwein!“, raunzt der Mörder Rigaud in „Little Dorrit“: „Ich trinke nichts als Portwein, Portwein!“), während William Thackeray ihn vor allem in Pfarrhäusern geschätzt wusste. „Das Leben eines Pastors“, so legt es Thackeray in „Vanity Fair“ einem Schriftstellerkollegen in den Mund, besteht vor allem darin, „sich den Leib mit Plumpudding und Portwein zu füllen“.
Wie merkwürdig also, dass heute nicht mehr Großbritannien die erste Liebhaber-Nation für den süßen Portwein ist – sondern Frankreich. Andererseits: Wein muss man Franzosen nicht erklären. Viele der wertvollsten Rebstöcke der Welt stehen an den Ufern der Gironde. Bordeaux und auch Burgund sind Synonyme für große Rotweinqualitäten, Champagner ist das Signum für herausragenden Schaumwein. Ein gutes Glas Wein gehört in Frankreich wie selbstverständlich zum Déjeuner oder Diner. Und oft genug ist dieses gute Glas heute ein Portwein.
Exakt 1.507.617 Liter Premium-Port importierte Frankreich zwischen Januar und November 2016 – mehr als alle anderen Nationen. Dazu kamen noch einmal 16.678.404 Liter einfacher Portwein – mehr als die Portugiesen selber konsumieren.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Franzosen sich den Sinn für ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bewahrt haben. Die Spitzenerzeugnisse aus dem nordportugiesischen Douro-Tal stehen noch nicht auf der Watchlist vor allem überseeischer Spekulanten, die die Preise für die teuersten Kreszenzen aus Bordeaux und Burgund zuletzt ins Absurde haben überschießen lassen.
Portwein - Was ist was?
Alle Portweine reifen zwei Jahre in großen Fässern. Ein Ruby, der Weine aus mehreren Jahrgängen enthalten darf, wird gleich danach abgefüllt. Jung, fruchtig, rot.
Tawny Ports werden in kleine Fässer umgefüllt. Sie hellen dort durch intensiven Luftkontakt (Oxidation) auf und entwickeln ein nussiges Aroma. Seinen Namen verdankt
der Tawny (engl. lohfarben) seinem charakteristischen Farbton, der zwischen Kastanienrot und Bernstein changiert. Höchste Qualitätsstufe ist ein Jahrgangs-Tawny, der sogenannte Colheita.
Jahrgangs-Ports sind die Krönung der Gattung. Nur zwei bis drei Ernten innerhalb eines Dezenniums eignen sich für die Verarbeitung zu Jahrgangs-Port. Ein Vintage ist
nach frühestens zwölf Jahren auf der Flasche trinkreif. Er kann Jahrzehnte reifen, gewinnt dabei aromatische Dichte und Komplexität.
Das Akronym steht für Late Bottled Vintage Ports. Die verschnittenen Weine eines Jahrgangs werden nach vier bis sechs Jahren in großen Holzfässern in Flaschen gefüllt und eignen sich zum sofortigen Genuss.
Aber Vorsicht: „Das ändert sich langsam“, sagt Axel Probst, Autor eines soeben erschienenen Buchs über den Portwein: Was vor einigen Jahren noch für 100 Euro pro Flasche verkauft wurde, koste heute schon mehr als Doppelte.
Einer der Gründe, warum selbst der Erwerb sehr alter Portweine mit mehr als 40 Jahren Lagerzeit vorerst noch erschwinglich ist: Das süße, mit Weinbrand versetzte Getränk mit seinem von reifen, getrockneten Früchten, Nüssen und Holz geprägten Bukett stößt in Fernost auf kein Interesse. In der Liste der 25 größten Abnehmer tauchen weder China noch Hongkong auf. Während Käufer aus China in den vergangenen Jahren bereit waren, immer höhere Summen für die prestigeträchtigsten Etiketten aus Frankreich zu zahlen, zeigen sie für den namenlosen Portwein (noch) kein Interesse.