Deshalb gehen viele Konzerne bei der Preisfindung inzwischen systematischer vor. Beschränkten sie sich früher auf eine vergleichsweise einfache Rechenaufgabe – Kosten plus Marge gleich Preis –, geht es heute um komplexes Preismanagement, bei dem Einkauf, Marketing und Vertrieb idealerweise Hand in Hand arbeiten.
Kein Wunder: Zeigen doch Untersuchungen seit vielen Jahren, dass nicht Kostensenkungsprogramme oder höhere Absatzmengen den Gewinn eines Unternehmens am nachhaltigsten beeinflussen, sondern Preiserhöhungen. So stellten Wissenschaftler bereits in den Neunzigerjahren fest, dass höhere Preise einen drei- bis vierfach höheren Beitrag zur Profitabilität eines Unternehmens leisten als ein ähnlicher Zuwachs der Absatzmenge. Zusammen mit dem US-Forscher Robert Dolan wies Preis-Experte Hermann Simon 1997 nach, dass bei einem Chemieunternehmen Preissteigerungen um 20 Prozent den Gewinn verfünffachten und bei einem Büroartikelhersteller ein Preisplus um fünf Prozent den Gewinn verdoppelte.
Ein Mechanismus, der bis heute gilt, wie der Pricing Stress Test von Simon-Kucher & Partners zeigt: Nach Berechnungen der auf Preisstrategien spezialisierten Beratung könnten die im Dax, MDax und TecDax gelisteten Unternehmen rund 30 Milliarden Euro mehr erwirtschaften und bis zu 529 Prozent mehr Profit einstreichen – wenn sie ihre Preise um nur zwei Prozent anzögen.
„Professionelles Preismanagement führt zu höheren Gewinnen“, bestätigt auch Martin Fassnacht, Marketingprofessor an der WHU-Otto-Beisheim School of Management, „und sichert damit die Überlebens- und Innovationsfähigkeit.“
Konsequent im Premiumsegment
Soll heißen: Egal, ob es sich um Luxusprodukte, Investitionsgüter oder Dinge des täglichen Gebrauchs handelt – hohe Preise sind langfristig häufig besser. Und sie werden vom Kunden nicht per se abgelehnt, sondern durchaus akzeptiert – falls Beratung, Service und Qualität stimmen.
So sind Miele-Waschmaschinen bis zu 30 Prozent teurer als Modelle der Konkurrenz – bei gleicher Ausstattung. Dasselbe gilt für Autos von Audi oder Mercedes. Aber auch Mittelständler sind mit der Premiumstrategie erfolgreich. Der schwäbische Motorsägenhersteller Stihl setzte 2011 gut 2,6 Milliarden Euro um – Rekord. Schraubenhersteller Würth will in diesem Jahr erstmals mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz machen, der Audiotechnikspezialist Sennheiser verdiente 2011 mehr als 45 Millionen Euro – knapp doppelt so viel wie im Vorjahr.
Allen gemein ist: Sie verweigern sich der Billigheimer-Attitüde und setzen stattdessen konsequent auf ihre Position im Premiumsegment. Dort sind die Margen auf die Produkte meist größer – und der Gewinn am Ende des Jahres höher.
Dabei ist es für Unternehmen insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verlockend, genau andersrum zu handeln: Um mehr Produkte zu verkaufen und den Marktanteil wenigstens zu halten, senken sie ihre Preise. Simon-Kucher befragte im Frühsommer 2011 etwa 4000 Manager aus Europa, Asien und den USA. Knapp die Hälfte gab zu, sich mit Konkurrenten regelmäßig Preisschlachten zu liefern. 83 Prozent sagten, dass sie damit lediglich auf die Wettbewerber reagierten. Soll heißen: Schuld sind die anderen.