Reederei-Chef „Ich stelle fast nur Frauen ein – aus Eigennutz“

Männer sind dem Reederei-Chef der MSC Basel, René Mägli, zu sehr auf Macht aus. Der Schweizer stellt deshalb fast nur Frauen ein. Quelle: dpa

Bei der Schweizer Reederei MSC sind mehr als 90 Prozent der Angestellten weiblich. Chef René Mägli erläutert, wieso er fast nur Frauen einstellt – und warum er von einer gesetzlichen Quote trotzdem nichts hält.

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Die Schweizer Tochtergesellschaft der Riesenreederei MSC, zweitgrößte Frachtreederei der Welt, ist ein Gegenpol zur männerdominierten Branche. Bei der MSC Basel arbeiten fast nur Frauen. Als CEO René Mägli 1981 den Standort aufbaute, sah die Welt noch anders aus: Sein Unternehmen beschäftigte ausschließlich Männer. Wie kam es zum Wandel?

WirtschaftsWoche: Herr Mägli, sind Sie Feminist?
René Mägli: Nein, ich bin ganz einfach nur auf Eigennutz aus. Wir von der MSC Basel sind ein Dienstleistungsbetrieb. Und über die Jahre habe ich festgestellt, dass Frauen in diesem Bereich einfach besser sind. Für eine gute Dienstleistung braucht man Teamplayer – und das sind Frauen eher als Männer.

Waren Frauen bei Ihnen im Unternehmen schon immer in der Mehrheit?
Nein, als ich 1981 das Geschäft aufnahm, hatte ich nur einen Angestellten – einen Mann. Mit den Jahren kamen mehr Männer und Frauen. Dann habe ich überlegt: Was kann ich machen, damit die Firma besser wird und sich stärker von der Konkurrenz abhebt? Seit nun etwa 15 Jahren arbeiten mehr Frauen als Männer bei uns.

Und seitdem wachsen auch die Umsätze?
Wir verzeichneten teilweise bis zu 25 Prozent Umsatzwachstum pro Jahr, heute nicht mehr. Trotzdem: Um den Laden am Laufen zu halten, braucht man ein gutes Team. Und da gibt es einen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen dienen der Sache. Männer dagegen kämpfen viel mehr um ihre Position. Dadurch vergeuden sie Kraft.

Der 70-Jährige führt ein Unternehmen in einer Männerdomäne. Er selbst aber ist überzeugt, dass Frauen dort die bessere Arbeit machen.

Also geht es Männern vor allem um den Machtkampf.
Absolut.

Wettbewerb muss aber nicht immer schlecht sein.
Nicht, wenn er dem kompletten Team und der Firma dient. Vielfach aber tut er das eben nicht. Und ob die Leute, die nach Macht streben, überhaupt fähig sind, höhere Positionen zu übernehmen, ist noch mal eine ganz andere Frage.

Stellen Sie denn überhaupt Männer ein?
Natürlich. Unter den neuen Auszubildenden zum Beispiel sind auch Männer. Ich weigere mich ja nicht prinzipiell, Männer einzustellen. Das wäre Diskriminierung.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten gerade Bewerbungsgespräche mit einem Mann und einer Frau mit gleichwertiger Qualifikation geführt. Wen stellen Sie dann ein?
Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage (lacht). Neben der Qualifikation gibt es noch ein weiteres Kriterium: Wer passt besser ins Team? Und oft ist es so, dass die Frau besser dort hineinpasst.

MSC Basel ist dafür bekannt, dass dort kaum Männer arbeiten. Bewerben sich überhaupt noch welche bei Ihnen?
Unser Geschäftsbereich ist an und für sich ein Männerberuf – und das zeigt sich mittlerweile auch in den Bewerbungen. Bei uns gehen viel mehr Bewerbungen von Männern ein als von Frauen.

Und trotzdem überzeugen die Frauen Sie mehr.
Definitiv. Frauen können besser Prioritäten setzen. Das ist für uns sehr wichtig. In der Reedereibranche haben wir viel mit saisonalem Geschäft zu tun. Eine gewisse Hektik ist unvermeidbar.

Frauen sind also die besseren Manager.
Ganz genau. Frauen bringen das Talent von zu Hause mit. Eine Hausfrau und Mutter macht das ganz automatisch jeden Tag, wenn sie den Familienalltag organisiert. Und das färbt auf die Tochter ab, die die Fähigkeit zum Managen dann mit in den Beruf bringt.

Das ist aber ein ganz schön konservatives Bild von Familie. Ist das überhaupt noch zeitgemäß?
Jedes Elternpaar hat über Jahre einen Einfluss auf ihre Kinder. Es ist die Aufgabe von Vätern und Müttern, ihren Kindern etwas beizubringen. Und gewisse Dinge färben sicherlich ab.

Wie gehen Sie damit um, wenn eine Mitarbeiterin schwanger wird oder mehr Zeit für die Kindererziehung braucht?
Wenn eine Mitarbeiterin mir von ihrer Schwangerschaft erzählt, gratuliere ich erstmal. Die meisten kommen nach der Schwangerschaftspause zurück – und arbeiten so viel, wie sie können und möchten. Bei uns können die Mütter auch problemlos in Teilzeit arbeiten – und das kann teilweise auch von zu Hause gemacht werden. Es ist alles eine Sache des Teamworks, der Organisation.

Gibt es bei Ihnen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen?
Natürlich. Aber nicht in gleicher Position. Sonst müsste ich ja das gleiche verdienen wie eine Auszubildende (lacht). Würden wir Männer besser bezahlen, bekämen wir die Frauen auch gar nicht als Mitarbeiterinnen.

In der Wirtschaft reden alle von Diversity. Dient Ihre Personalpolitik nicht einfach nur dem Image?
Blödsinn. Den Kunden interessiert es überhaupt nicht, ob nun eine blonde Frau mit blauen Augen die Dienstleistung vollbringt.

von Varinia Bernau, Jan Guldner, Kristin Rau, Nora Schareika, Claudia Tödtmann

Sie sagten selbst, dass die Reedereibranche eine Männerdomäne ist. Warum haben es Frauen so schwer, hier Fuß zu fassen?
Weil sie nicht bei der MSC in Basel arbeiten (lacht). Es gibt noch sehr viele Unternehmen, die Unterschiede zwischen Mann und Frau machen – auch wenn es weniger werden. Es braucht eine gewisse Zeit. Und die oberste Etage muss hier ihren Einfluss geltend machen.

Der Staat?
Nein. Am einflussreichsten sind der Verwaltungsrat und bei börsennotierten Unternehmen die Aktionäre. Sie zwingen die Konzerne heute ja schon zu mehr Nachhaltigkeit. Das gleiche könnten sie in Punkto Gleichberechtigung machen.

Einige Großinvestoren wie Blackrock tun dies bereits. Aber mit einer gesetzlichen Frauenquote würden wir doch schneller ans Ziel kommen.
Es gibt schon mehr als genug Gesetze. Unternehmen sollten einer gewissen Ethik folgen. Dazu gehört auch Gerechtigkeit. Irgendwann kommt auch die letzte Firma auf die Idee, dass ein Mann seine Ellbogen ausstreckt – und wird dies dann beenden.

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