Jordan Roberts ist kein Name, der in Hollywood für Aufsehen sorgt. Er verfasste die Drehbücher zu vergessenen Filmen wie „Around the Bend“ oder „Frankie Go Boom“. Sein einzig bemerkenswerter Beitrag zum Kino war bislang das Skript für die amerikanische Fassung von „Die Reise der Pinguine“. Und doch wird der Autor derzeit von den Studios begehrt wie selten zuvor, bekommt mindestens eine Anfrage pro Woche. Der Grund dafür hat nur zum Teil mit seinen handwerklichen Qualitäten zu tun. Denn er hat eine Eigenschaft, die ihn über seine Kollegen hinaushebt: Er geht regelmäßig in die Kirche.
Im amerikanischen Kino ist das Heilige so beliebt wie zuletzt in den Fünfzigern, als fromme Epen wie „Das Gewand“ oder „Ben Hur“ die Bibel zum großen Geschäft machten. Das augenfälligste Beispiel ist derzeit das apokalyptische Spektakel „Noah“, das weltweit rund 360 Millionen US-Dollar einspielte. Pünktlich zum Weihnachtsfest schickt dann Starregisseur Ridley Scott („Gladiator“) das Volk Israel wieder in den „Exodus“, danach will er als Regisseur oder Produzent den biblischen König David in Szene setzen. Eine Neuverfilmung von „Ben Hur“ befindet sich in Vorbereitung.
Gleichzeitig setzt Oscar-Gewinner Martin Scorsese einen Kontrapunkt zum hedonistischen Kapitalismus von „Wolf of Wall Street“. In der Romanadaption „Silence“ widmet Scorsese sich den Christenverfolgungen im Japan des 17. Jahrhunderts. Auch Steven Spielberg folgt der Tendenz zur Transzendenz. So sicherte er sich die Rechte an dem Drehbuch „The Kidnapping of Edgardo Mortara“, der – wahren – Geschichte eines jüdischen Jungen, der von den päpstlichen Behörden seinen Eltern entzogen wurde und letztlich dem Augustinerorden beitrat.
Bei all diesen Projekten handelt es sich um Hollywood-Hochglanz. Doch in diesem Frühjahr lief in den USA gleichzeitig eine Reihe von bescheidener konzipierten Filmen an, die beinah im Wochentakt für frohe Botschaften sorgten. 2013 wurde „The Bible“ auf dem „History Channel“ zum Quotenerfolg und dann auf DVD und Blu-ray zur bestverkauften Miniserie überhaupt. Die geschäftsbewussten Produzenten brachten die neu geschnittenen und leicht ergänzten Szenen der Jesus-Geschichte als Spin-off mit dem Titel „Son of God“ in die Kinos – ihr geringer Zusatzaufwand wurde mit knapp 70 Millionen US-Dollar an der Kinokasse honoriert. Inzwischen folgten noch weitere, „glaubens-basierte“ Filme, so der Branchenjargon.
Frühe Erfahrungen mit Jesus
Die unabhängige Produktion „God’s Not Dead“, in der ein christlicher Student seinen Glauben gegen seinen atheistischen Professor verteidigt, spielte in den USA 60 Millionen Dollar ein. Und wenn Gott nicht tot ist, dann gibt es auch einen Himmel: Die Bestsellerverfilmung „Heaven is for Real“ über die Nahtoderfahrung eines kleinen Jungen behauptet sich seit Wochen in den Top Ten und mehrte das Vermögen seiner Schöpfer bislang um mehr als 96 Millionen Dollar.
Nicht dass die Branche bislang solche Themen komplett gemieden hätte. Mel Gibsons „Passion Christi“ erwies sich 2004 als eine der erfolgreichsten unabhängigen, also nicht von den Studios finanzierten Produktionen aller Zeiten. Aber noch nie gab es eine derartige Konzentration von Erbauungswerken. Bob Waliszewski, ein ehemaliger Pastor im Dienst der evangelikalen Organisation „Focus on Family“ jubelt: „Im Lauf der letzten 20 Jahre habe ich noch nie so viele solcher Filme gesehen – das ist das Drei- bis Vierfache der normalen Menge.“
Der Zeitgeist will das Geistliche
Die Gründe sind vielfältig. „Heaven is for Real“-Regisseur Randall Wallace, der für das Drehbuch des martialischen „Braveheart“ für einen Oscar nominiert nominiert wurde, interpretiert den biblischen Massenmarkt so: „Wir hatten mehr als ein halbes Jahrhundert ohne Weltkriege, in dem sich die Menschen auf materielle Güter und ihr Selbst konzentrierten. Das führte zwangsläufig zu einem Hunger nach Spiritualität, wie wir ihn jetzt erleben.“ Mike Medavoy, erfahrener Branchenmogul, der Filme von „Einer flog über das Kuckucksnest“ bis zu „Black Swan“ verantwortete, sieht den Auslöser ebenfalls beim Zeitgeist: „Wir leben in viel komplizierteren Zeiten, weil wir durch die modernen Kommunikationstechnologien mit einer unglaublichen Fülle von schlimmen Erfahrungen, Katastrophen konfrontiert werden. Also suchen die Menschen nach einer Erklärung für ihr Leben, die über reines Geld hinausgeht. Daher wollen sie inspirierende Geschichten, die sich nicht nur um fliegende Männer in Kostümen drehen.“
Mit kommerziellem Kalkül
Wird also aus der amerikanischen Filmindustrie das Holy-Wood? Deren Beteiligte sind eigentlich nicht für ihre sonderlich religiöse Art zu denken bekannt: „Am Sonntag geht Hollywood nicht unbedingt in die Kirche, es erholt sich eher vom Kater der Poolparty,“ so Top-Manager Mark Gill, Produktionschef der Firma Millenium („Expendables“). Das Kalkül, das hinter den Glaubensstreifen steckt, ist also nicht zuletzt kommerzieller Art. „Unser Film ist ein Event, das auf dem erfolgreichsten Buch der Welt basiert“, erklärt Produzent Brad Weston seinen „Noah“. „Die Branche springt auf den Trend auf, weil sie ein Geschäft darin sieht“, so Gill.
Gestartet wurde dieser Trend indes von den echten Gläubigen, die mit einem kleinen Klingelbeutel fürs Budget auskommen mussten. Mit christlichen Dramen wie „Fireproof“ und „Courageous“ etwa zeigte der Filmemacher und Pastor Alex Kendrick in den letzten sechs Jahren, welches Potenzial in diesem Marktsegment steckte. Seine Billigwerke spielten in den Staaten jeweils 34 Millionen Dollar ein. „Soul Surfer“, die Geschichte der gläubigen Surferin Bethany Hamilton, die von einem Hai schwer verletzt wurde, kam in den USA auf ein Ergebnis von 43 Millionen Dollar.
Fans auf dem Land
Und dieses Potenzial wurde noch nicht annähernd ausgeschöpft, bestenfalls von Mel Gibsons Passionsepos. Einer Schätzung des Branchenmagazins „Variety“ zufolge beläuft sich die Zahl gläubiger Christen allein in den USA auf über 180 Millionen. Chris Stone, CEO der Consultingagentur FaithNomics, die sich auf das Marketing für christliche Konsumenten spezialisiert, gibt an, dass seine Zielgruppe über eine jährliche Kaufkraft von 1,75 Billionen Dollar verfügt.
Dass die Produzenten des Mainstreams diese Klientel erst jetzt ins Visier nehmen, hat auch seine Ursache darin, dass sich die Filmbranche auf die Hauptmärkte in den amerikanischen Küstenregionen und Großstädten konzentriert. Das Publikum derartiger Filme dagegen findet sich, wie die Einspielergebnisse zeigen, in den Kleinstädten und mittleren Landesteilen. Aber jetzt lassen sich auch zunehmend die Spieler der ersten Liga auf diese vermeintliche Peripherie ein. „Heaven is for Real“ etwa wurde produziert von Sony, zur Besetzung zählen bekannte Charakterdarsteller. Für die Schöpfung der Bibel-Miniserie zeichnet Mark Burnett verantwortlich, ein Mogul des Reality-TV („Survivor“). Im Herbst kommt „Left Behind“ in die Kinos, die Verfilmung von endzeitlichen Bestsellerromanen voll christlicher Motivik, in der Nicolas Cage die Hauptrolle spielt. Oscar-Gewinner Forest Whitaker wiederum soll den Bestseller „The Shack“ über die Begegnung eines Mannes mit Gott verfilmen.
Die Glaubenswelle ebbt ab
Getrieben wird der Trend nicht nur von Strategen, die sich ein neues Geschäftsfeld erschließen, sondern auch von den singulären Interessen herausragender Filmemacher. Für Darren Aronofsky war „Noah“ ein langjähriges Herzensprojekt, auch Martin Scorsese versucht sein „Silence“ seit Jahren zu stemmen. Gerade diese Beispiele zeigen, wie sehr künstlerische Fantasie von religiösen Traditionen durchtränkt sein kann: „Die Bilder der Heiligen, die Statue von Jesus mit seinen Wunden im Grab, das alles hat mich zutiefst geprägt“, so Scorsese.
Der Hang zum Göttlichen hat aber auch seine Tücken. Als das Paramount-Studio im Vorfeld der „Noah“-Kampagne eine vom Regisseur nicht autorisierte Schnittfassung bei ausgewählten christlichen Zuschauern testete, gab es bei denen Heulen und Zähneklappern. Das Studio sicherte sich dann schleunigst die Unterstützung großer lokaler Kirchenorganisationen. Filmemacher und Hauptdarsteller Russell Crowe durften zwar dem Papst nicht ihr Werk vorführen, nahmen aber immerhin öffentlichkeitswirksam an einer Generalaudienz auf dem Petersplatz teil. Eine ähnliche Herausforderung dürfte die Werber bei „Exodus“ erwarten, dessen Regisseur, der bekennende Agnostiker Ridley Scott, angeblich mit einer unkonventionellen Gottesdarstellung aufwartet.
Mangelware sind allerdings Visionen des Glaubens, die sich nicht in die traditionellen Formen von Frömmigkeit fügen. In Cannes hatte zwar eine erste Fassung von „Der Prophet“ Premiere, eine Adaption des spirituellen Romans von Khalil Gibran. Aber die kam auch nur deshalb zustande, weil sie von einem Star wie Salma Hayek angeschoben wurde. Seit Jahren schwirren Pläne für eine Version von Anne Rice’ höchst unkonventionellem Jesus-Roman „Christ The Lord“ umher, die bislang noch nicht realisiert wurden. Ebenfalls glücklos war „Basic Instinct“-Regisseur Paul Verhoeven. Immer wieder versuchte er vergeblich seine jahrzehntelangen Studien zur historischen Jesusfigur in einen Film umsetzen. Aber laut Verhoeven wird die Glaubenswelle ohnehin wieder abebben: „Die Menschen wollen in ihrem Glauben bestärkt werden, dass Jesus überall ist. Nachdem die Branche sieht, dass sie damit Geld verdienen kann, macht sie eine Wundergeschichte nach der anderen. Aber das ist nur ein Zyklus, der zu Ende gehen wird – genauso wie Piratenfilme.“ Und was bleibt dann? Zum Glück gibt es aus Hollywood auch noch alternative Glaubenskonzepte, selbst wenn die auf die gleichen Grundfeste zurückgehen wie etwa das Christentum. Ab Weihnachten 2015 erteilen wieder die Sternenkrieger ihren Segen: „Möge die Macht mit euch sein.“