




Das Problem ist bekannt: Die Deutschen bekommen zu wenige Kinder, sie werden weniger und älter. Und wenn sie nicht mehr und länger arbeiten, drohen vermutlich Wohlstandseinbußen. Die prominent besetzte Expertenkommission der Robert-Bosch-Stiftung hat in ihrer heute an Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen übergebenen Studie "Die Zukunft der Arbeitswelt" eine Reform der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik angemahnt, die den künftigen Mangel an Arbeitskräften in Deutschland verhindern soll. Ohne drastische Maßnahmen werde die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte bis 2030 um zwölf Prozent sinken. Die Zahl der 15- bis 67-Jährigen wird sich - bei gleichbleibender Geburtenrate und Einwanderung - bis 2030 um 5,5 Millionen Menschen verringern. Ohne die Erhöhung des Renteneintrittsalters würde sich die Zahl potentieller Arbeitskräfte noch um eine weitere Million verringern.
Das Rezept der vor allem aus Ökonomen zusammengesetzten Kommission ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, einfach: Ein größerer Teil der weniger Werdenden muss arbeiten, und zwar mehr als heute. Wie könnte es auch anders sein, wenn eine abnehmende Bevölkerung nicht weniger produzieren soll. Vor allem die Erwerbsquote und die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der Erwerbstätigen müssten also steigen, fordern die Autoren. Sie haben die Effekte verschiedener Instrumente auf den Arbeitsmarkt und die Beitragsstabilität in den sozialen Sicherungssystemen berechnet. Ihre Szenarien zeigen, so behaupten sie, dass Politik, Sozialpartner und Unternehmen in einer gemeinsamen Anstrengung die sinkende Zahl von Arbeitskräften in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft bis zum Jahr 2030 durchaus noch ausgleichen können.
So nutzen Mittelständler ihre Stärken im Wettbewerb um Fachkräfte
Diese Einschätzung stimmt allerdings nur zum Teil. Auf die Frage, welche Kriterien bei ihrer Jobauswahl eine Rolle spielen, landeten ein angenehmes Betriebsklima und interessante Arbeitsinhalte an erster Stelle der Wunschliste der potenziellen Bewerber (jeweils 8,7 Punkte auf einer Skala von eins bis zehn).
Für die Studenten spielen außerdem Arbeitsplatzsicherheit (7,9 Punkte), gute Karrierechancen (7,8 Punkte) und eine gute Bezahlung (7,7 Punkte) eine wichtige Rolle bei der Auswahl ihres künftigen Arbeitgebers. Die Unternehmensgröße ist den meisten nicht so wichtig (4,3 Punkte). Auch der Standort und das Image des Unternehmens sind für viele Bewerber nicht ausschlaggebend (jeweils 6,6 Punkte).
Vieles deutet darauf hin, dass der Mittelstand und Familienunternehmen nicht stärker vom Fachkräftemangel betroffen sind als Großkonzerne. Denn fast 80 Prozent der Studenten planen, sich sowohl bei mittelständischen als auch in großen Unternehmen zu bewerben. Nur elf Prozent wollen ausschließlich bei Großunternehmen arbeiten; neun Prozent sind nur auf mittelständische Unternehmen fokussiert.
Die Studenten, die mittelständische Unternehmen als eher attraktiv bewertet haben, wurden gebeten, eine Begründung für ihre Einschätzung zu geben. Auf die (ungestützte) Frage gaben 28,8 Prozent an, dass sie kleinere und mittelständische Unternehmen besonders schätzen, weil sie familiär und weniger anonym sind und dort ein besseres Betriebsklima erwarten. Außerdem erhoffen sie sich mehr Verantwortung und Freiräume (16,4 Prozent) sowie eine größere Anerkennung ihrer Leistungen (12,3 Prozent). Elf Prozent wissen die flacheren Hierarchien und Strukturen zu schätzen. Auf diese Vorteile sollten Mittelständler und Familienunternehmen in ihrer Kommunikation mit (potenziellen) Bewerbern eingehen.
Aus Sicht der befragten Studenten könnten Mittelständler noch attraktiver werden, wenn auch die Verdienstmöglichkeiten wettbewerbsfähig sind. Das sagen 23 Prozent der Befragten. Sie glauben auch, dass Werbung, gute Öffentlichkeitsarbeit und ein informativer Internetauftritt dazu beitragen können, die Attraktivität eines mittelständischen Unternehmens zu steigern. "Daran sollten Familienunternehmen und Mittelständler arbeiten und sich – wenn nötig – professionelle Unterstützung holen", empfiehlt Dr. Peter Bartels.
Um viele Bewerbungen von hochqualifizierten Absolventen zu bekommen, sollten Unternehmen früh mit den potenziellen Bewerbern in Kontakt kommen. Das geht beispielsweise, indem sie Studenten anbieten, ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit dem Unternehmen zu schreiben. Für über 90 Prozent der befragten Bewerber ist dieses Angebot attraktiv. Die Möglichkeit, sich intensiv kennen zu lernen, bevor ein festes Arbeitsverhältnis geschlossen wird, bieten natürlich auch studienbegleitende Praktika.
Darüber hinaus sollten Unternehmen Studenten gezielt ansprechen. Zum Beispiel über Stipendienprogramme, Recruiting-Veranstaltungen oder auf Jobmessen. "In der Kommunikation mit den möglichen Bewerbern sollten sich mittelständische Unternehmen darauf konzentrieren, die Bewerber gut zu informieren – und zwar zu den Punkten, die ihnen bei der Jobwahl am wichtigsten sind, also zu den genauen Arbeitsinhalten sowie Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten", so die Empfehlung von Dr. Peter Bartels.
Allerdings müssten sich Unternehmen auch bewusst sein, sagt Bartels, dass Informationen nicht ausreichen. Sie müssen den künftigen Kollegen auch etwas bieten können: Und dazu zählen in jedem Fall ein wettbewerbsfähiges Gehalt und gute Karrierechancen.
"Unsere Berechnungen haben ergeben, dass der demografische Wandel kein unabwendbares Schicksal für den Arbeitsmarkt ist", behauptet Hans-Peter Klös, Sprecher der Kommission und Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). "Doch wir dürfen nicht nur über die Zahl der Köpfe auf dem Arbeitsmarkt sprechen. Noch effektiver ist es, die Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu erhöhen, zum Beispiel von Frauen oder älteren Menschen." Darüber hinaus empfiehlt die Kommission, gezielt in die Qualifikation von Menschen zu investieren, die besonders von Arbeitslosigkeit bedroht sind, und die Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers durch lebenslanges Lernen zu erhöhen.
Die meisten der Empfehlungen in der Studie hat man so oder so ähnlich schon andernorts gehört - und sie sind sinnvoll: Die Betreuungsinfrastruktur für Kleinkinder soll verbessert werden, anstelle des Ehegattensplittings wird ein Kindersplitting empfohlen und ein Mehr an familienunterstützende Dienstleistungen könnte Anreize zu Steigerung der Geburtenrate setzen. Auch der Dauerbrenner "Punktesystem für qualifizierte Einwanderung" findet sich im Forderungskatalog von Klös und Kollegen. Die Experten empfehlen außerdem Reformen der sozialen Sicherungssysteme. Sie raten unter anderem dazu, in der gesetzlichen Pflege- und Krankenversicherung eine solidarische Bürgerprämie einzuführen und die Lebensarbeitszeit zu verlängern, über die bereits beschlossene Rente ab 67 hinaus. Es müsse vor allem "bessere Nutzungsmöglichkeiten bei der Teilrente, zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten bei den Rentenabschlägen sowie eine einfachere Handhabung bei Langzeitkonten" geben. Das alles ist vernünftig.