
Aller Anfang ist leicht, wenn man sich auf Harmlosigkeiten versteht. So wie der Urlauber auf der Promenade von Jalta am Schwarzen Meer, dem die Dame mit dem Hündchen aufgefallen ist, schon seit Tagen: eine mittelgroße Blondine, hinter ihr ein weißer Spitz. Eines Abends nähert sie sich in aller Ruhe dem Café im Stadtgarten, um sich an den Nebentisch zu setzen, drei Schritte entfernt von ihm. Was tun?
Die Dame gefällt ihm. Also lockt er den Spitz, schmeichelt ihm, droht ihm mit dem Finger, sodass er knurrt und die Dame dem Herrn am Nebentisch einen Blick zuwirft, aber gleich wieder die Augen senkt.
„Er beißt nicht“, sagt sie, wohl wissend, dass das ihr Nachbar auch selbst weiß.
„Darf man ihm einen Knochen geben?“, fragt er scheinbar arglos, worauf sie nickt und er liebenswürdig, als wüsste er die Antwort nicht schon längst, die banalste aller banalen Fragen stellt: „Sind Sie schon länger in Jalta?“
Eroberung oder Schwebezustand, alles ist möglich
So beginnt der russische Schriftsteller Anton Tschechow, der Großmeister des Zwischenmenschlichen, seine wunderbar leichte Urlaubserzählung von der „Dame mit dem Hündchen“: Als scherzhaftes Getändel zweier Menschen, denen es vollkommen einerlei ist, worüber sie plaudern – mit einem Flirt, der sich noch nicht entscheiden kann, ob er Ouvertüre bleiben will, dauerndes Spiel, charmanter Unernst. Oder ob er doch schon auf Umwegen ins Herz der Dame zielt. Beides ist möglich. Der Charakter des Flirts ist doppelbödig. Er changiert zwischen Umweg und Ziel. Er kann reiner Schwebezustand sein, ein Genuss um seiner selbst willen – oder aber eine lustvoll-charmante Strategie der Eroberung.
Die zehn erfolgreichsten Flirt-Tipps
Einer der wichtigsten Tipps: Bleiben Sie Sie selbst! Wer zu sich steht, wirkt natürlicher und damit automatisch anziehender.
Quelle: Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin, Single- und Paarberaterin von ElitePartner.de, in „Die ganze Welt von 1 bis 10“ (Fischer Verlag).
Einen viel versprechenden Kontakt zu anderen Menschen bauen Sie am besten durch eine gute eigene Präsenz auf. Konzentrieren Sie sich auf ihre Atmung. Langsame, tiefe Atemzüge entspannen und machen sicher – auch beim Zugehen auf andere.
Signalisieren Sie Interesse, indem Sie ihr oder ihm in die Augen blicken. Häufig reagiert der andere zunächst verunsichert und schaut kurz zur Seite. Wird der Blick dann aber erwidert und sogar noch gelächelt, gilt das als Einladung für einen Kontakt.
Sprechen Sie ihr Gegenüber jetzt an. Sonst geraten Sie in die analytische Lähmung: Sie grübeln zu lange über den richtigen Spruch und verlieren Ihre Spontanität. Dann kann es schwierig werden, noch die Kurve zu kriegen und einen Kontakt herzustellen.
Ganz wichtig: Es gibt keinen Zauberspruch, der garantiert Herzen öffnet! Ein charmantes „Hallo“ zeigt viel mehr Wirkung als ein gewollt witziger, einstudierter Spruch. Merke: Beim Flirten kommt es darauf an, wie Sie etwas sagen – nicht was.
Ein Kompliment ist ein toller Gesprächseinstieg. Aber: Zu viel des Guten wirkt unglaubwürdig. Besser: Werden Sie persönlich! Sagen Sie, was Ihnen gefällt: „Charmantes Lächeln, das steckt richtig an.“ Tipp: Frage anfügen! Das hilft, weiter ins Gespräch zu kommen: „Ist das angeboren? Oder freust du dich über das Wochenende?“
Stellen Sie Fragen. So fühlt der andere echtes Interesse. Und Fragen sorgen für Gesprächsstoff. Aber: Achten Sie auf die Balance zwischen Ihrer Fragerei und dem, was Sie von sich selbst erzählen. Schließlich möchte der andere auch Sie kennenlernen.
Wer Gesprächspausen akzeptiert und zwischendurch einen Schritt zurück zulässt, entspannt auch sein Gegenüber. Plus: Gemeinsames Schweigen baut positive Spannung auf. Angestrengtes Dampfplaudern wirkt dagegen eher abschreckend.
Die Körpersprache läuft oft unbewusst ab, verrät aber viel über Emotionen und Stimmung. Das zeigt sich in Haltung, Gestik und Mimik. Deshalb: Achten Sie auf Ihre Signale und die Ihres Gegenübers.
Nicht jeder Flirt wird mit der Eroberung Ihres Traumpartners belohnt. Nehmen Sie es entspannt: Sprechen Sie jemanden mit der Einstellung an, nur ein paar Sätze zu wechseln. Wenn mehr draus wird – gut. Wenn nicht – auch gut.
Die moderne Ratgeberliteratur kennt im Gegensatz zu Tschechow nur noch die zweite Spielart des Flirts. Damit indessen hat sie ihn zu einer bloßen Technik des Kennenlernens, zur Anleitung des angstfreien Anbaggerns degradiert. Keine Spur mehr von der Dimension des Flirts als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“, wie es der Philosoph Immanuel Kant einst ausdrückte. Stattdessen versprechen Flirtkurse den „kurzen Weg zum langen Glück“ und raten, dümmer noch, zur „ehrlichen Verführung“: „Sei ganz natürlich und einfach du selbst!“ Ähnlich argumentieren vermeintliche Verführungskünstler, die als Pick-Up Artists durch die Lande ziehen und schüchternen, balzbereiten Männern flotte Anmachsprüche für die abendliche Jagd beibringen.
Lauter Missverständnisse, die allerdings den Zeitgeist auf ihrer Seite wissen – die Heilsversprechen von Authentizität und Effizienz. Kein Wunder, dass die Romantik des Flirts, dieses leichtsinnig-flatterhaften Spiels, wie die Grande Passion und die Liebe auf den ersten Blick aus der Mode gekommen scheint.
Schon seit Längerem. „Sind das nicht die Ekstasen und Frivolitäten von gestern?“, fragte die Literaturwissenschaftlerin Ursula Keller bereits Anfang der Neunzigerjahre.





Die Generation, die zur Sache kommt
Spielen wir noch das „immer-gleiche Spiel“ von „Versprechen und Verweigern“, nur anders, seit es in die Hände der „Therapeuten und Sozialtechniker“ geraten ist? Verhalten wir uns aufgeklärter, kontrollierter, direkter, ohne die „Lust an den durchschauten Maskeraden des Begehrens“, am „Vor und Zurück von Verbergen und Enthüllen“?
In die „Geschichte der erotischen Kultur“, so Kellers niederschmetternder Befund, werden wir eingehen als die „Generation, die zur Sache kommt“; die an die Stelle der verschämten Avancen das „forsche, schnörkellose ‚geradezu‘ “ setzt – die Anmache, das „freimütige Beischlafangebot“.
Als Verführungstaktiken, schrieb Keller, stünden uns heute eine Reihe von Waffen zur Verfügung: „Das kurze Abchecken persönlicher Daten; die offenherzige Führung durch die eigene Problemlandschaft; die kleine Inventur der Neurosen; und als virtuose Krönung des Flirts die knappe Frage: Zu dir oder zu mir?“