Samy Liechti "Männer sind zu faul zum Socken kaufen"

Samy Liechti, Gründer und Geschäftsführer von Blacksocks, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Als Samy Liechti 1999 Blacksocks gründete, hielten Freunde und Bekannte das für eine Schnapsidee: Schwarze Socken als Jahres-Abonnement. 2008 verkaufte das Unternehmen seine millionste Socke.

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Herr Liechti, sind Männer zu dumm, Socken zu kaufen?
Nein. Zu faul. Es sind zwei Aspekte. Ein Sockenkauf lässt sich problemlos aufschieben. Die Socken sind dann halt ein wenig abgetragener, aber das wird nie wirklich dringend. Männer kaufen gerne alles, was Spaß macht und fürs Pflichtprogramm sind sie zu faul. Der zweite Aspekt ist, dass der stationäre Handel immer wieder das Sortiment wechselt. Der arme Mann muss immer wieder von Neuem eine Kaufentscheidung treffen. Aber wenn er mit etwas zufrieden ist, will der Durchschnittsmann mehr vom selben. Und da hat in der Vergangenheit der klassische Handel ihn vielleicht verwirrt mit neuen Kollektionen. Socken können sie nicht anprobieren, man muss einen Testkauf machen, trägt die, wenn es passt kauft man mehr und wenn man Pech hat, sind die im nächsten Jahr nicht mehr im Sortiment.

Wann ist der Punkt erreicht für einen Mann, dass der Sockenkauf eben nicht mehr aufgeschoben werden kann?
Das ist sehr subjektiv. Es gibt Männer, die beim geringsten Hauch eines hellschwarz die Socke wegschmeißen und andere, die sie bis zum bitteren Ende tragen, sprich, wenn sie ein Loch haben. Da gibt es beide Fraktionen. Ich denke, oft kommt der Impuls von außen. Und von außen heißt in diesem Falle – es ist meist eine Frau involviert.

Tragen Männer denn im schlimmsten Fall auch eine Socke mit Loch, weil sie keinen Ersatz zur Hand haben?
Wenn der Akt des Sockenkaufs zu lange aufgeschoben wurde, nimmt er das tatsächlich in Kauf.

Zur Person

Warum fehlt immer eine Socke?
Es gibt dieses Video von der Dogge, die 40 Socken gefressen hat, bis sie operiert werden musste. Das ist sicher die Ausnahme. Ich denke, die Socken werden nicht ernst genug genommen und folglich nicht genug gepflegt. In der Regel fällt die irgendwo raus, bleibt in einem Laken oder der Hose hängen. Das ist der unsorgsame Umgang mit der Socke. Das ist sehr wahrscheinlich der Hauptgrund. Die Verschwörungstheorien sind sehr weit her geholt, so zum Beispiel, dass die Waschmaschine die frisst oder sie sich auflösen. Aber ich muss zu meiner Schande eingestehen: Es passiert mir immer wieder, dass eine verschwindet. Sie taucht in der Regel immer wieder auf, aber nicht immer bei mir zu Hause.

5 Tipps auf dem Weg zur richtigen Socke

Was ist der richtige Umgang mit der Socke?
Wenn Sie sie einfach ganz normal am Abend in den Wäschekorb legen, verringert das das Risiko des Verlustes. Ich denke nicht, dass sie auf dem Weg in den Wäschekorb verloren gehen. Meist ist noch zwischen Waschmaschine, Trocknung und Schublade Distanz, auf der sie verschwindet. Sie wird an einem anderen Ort zusammengelegt und dann erst deponiert und in diesem Prozess gibt es Orte, wo sie verschwindet. Socken haben den Nachteil gegenüber anderen Textilien, dass sie viel kleiner sind. Zudem kommen sie zusammengeknüllt aus der Maschine. Und man sieht nicht so recht, ist es eine oder zwei ineinander. Der Mann nimmt sich am Abend nicht die Zeit, die Socken ordentlich wegzulegen. Es gibt Druckknöpfe, um sie zu verbinden, aber so etwas ist am Mann vorbeigedacht. Abends ist er nicht diszipliniert genug, um an den anstehenden Waschgang zu denken.

"Je mehr Finanzindustrie, je mehr Anwalt, desto mehr Kniestrumpf"

Sportsocken helfen mit der Beschriftung, den rechten vom linken Socken zu unterscheiden, bei schwarzen in der Regel nicht. Wieso?
Diese Geschichte ist im Sportsegment eine super Marketingaktion, denn bringen tut es nichts. Die Socke an und für sich ist weich, passt sich an. Selbst dort, wo die Socken sehr beansprucht werden in Wanderstiefeln zum Beispiel mit viel Reibung und Schweiß ist eine Rechts- / Linkssortierung nicht nötig. Schwarze Socken sind in sich symmetrisch. Das müsste man auszeichnen, der Kunde auch beachten. Ich weiß nicht, ob ein farbiges R oder L auf einer Geschäftssocke gut aussieht.

Warum tragen Männer so selten Kniestrümpfe, die im Sitzen viel besser das Bein zwischen Schuh und Hosenbein verhüllen?
Es hat mit Branchen zu tun. Je mehr Finanzindustrie, je mehr Anwalt, desto mehr Kniestrumpf. Mit der Casualisierung des Büroalltags ist das aber auf dem absteigenden Ast. Die Krawattenverkäufe in der Schweiz sind zum Beispiel in den letzten zehn Jahren um zwei Drittel eingebrochen.

Und es gibt die Mär, dass es mit Kniestrümpfen wärmer wäre. Männer haben immer Angst, dass es ihnen zu heiß wird. Und wenn der Kniestrumpf nicht richtig sitzt, rutscht er immer runter. Das Problem ist, dass der Kniestrumpf meist zu klein gekauft wird. Er muss aber die Wade umschließen. Nur dann rutscht er nicht. Da ist es sinnvoller, am Fuß eine Nummer zu groß zu tragen, statt an der Wade zu wenig Länge zu haben, damit sie diese vollständig bedeckt. 2001 ist mein damaliger Kompagnon mit einem Team den gesamten Berlin Marathon in schwarzen Kniestrümpfen gelaufen, um zu schauen, ob die oben bleiben. Heute sind lange Kompressionsstrümpfe üblich – damals sah er damit ganz schön trottelig aus.

Wenn Männer so wenig da hinter her sind: Warum gibt es nicht ausschließlich markierte Socken, an denen man erkennt, welche linke zur rechten Socke gehört, um gleichmäßigen Verschleiß zu gewährleisten?
Ich beobachte Folgendes bei unseren Kunden: Viele legen die Socken gar nicht mehr zusammen. Es werden alle gemeinsam in eine Schublade geworfen und morgens einfach zwei herausgenommen. Diese Kunden sagen sich, dass es eh alles dieselben sind und es dann auch egal ist. Und sobald eine Socke zu stark ausgewaschen ist, wird sie aussortiert. Umso vorteilhafter, wenn alle das gleiche Modell sind. Für Menschen, die es ganz genau wissen wollen, haben wir allerdings auch Socken mit eingenähten RFID-Chips entwickelt, die sagen, welche zu welcher gehört.

So kleiden Sie sich richtig

Warum müssen Socken immer schwarz sein?

Nach Knigge soll es so sein, dass Socken dunkler als die Hosen sind. Gibt man dem Mann aber nur eine Sorte an die Hand, dann kann er mit Schwarz nie falsch liegen. Entsprechend ist die Verbreitung von schwarzen Socken so groß.

"Mir war bewusst, dass sich so gut wie niemand für Socken interessiert"

Warum sind nur die Socken, nicht aber Unterhosen im Abo?
Unterwäsche gibt es auch im Abo. Aber das ist ein bisschen schwieriger, weil die preisliche Einstiegshürde höher liegt. Es gibt auch Abos für weiße Hemden, die Kunden haben. Die Menschen sehen aber den absoluten Betrag, empfinden den als hoch, wenngleich sie sich nicht ausrechnen, dass sie mit sukzessivem Kauf neuer Hemden über mehr als ein Jahr unter Umständen sogar mehr Geld bezahlen. Die Angst der großen Zahl ist hier das Thema.

Das Verhältnis des Mannes zu Socke und Unterhose ist ähnlich. Die Socke ist eher ein Verschleißartikel als Unterwäsche. Bei Unterhosen kaufen die Männer vielleicht ein Zehnerpack, brauchen es auf, wollen dann aber vielleicht mal ein anderes Modell. Schwarze Socken sind aus Sicht des Marketings absolut low involvement.

Warum kaufen Frauen Socken nicht als Abo für sich?
Meine Beobachtung ist das komplett unterschiedlich Kaufverhalten von Frauen und Männern. Frauen wissen, was sie suchen und gehen dann auf die Jagd. Sie suchen, bis sie die richtige Socke erlegt haben. Im Versandhandel heißt das: Sieht eine Frau dort etwas und es weicht dann bei der Lieferung ein wenig davon ab, sendet sie es zurück. Männer sind da bei solchen Produkten weniger fixiert. Sie schauen was kommt und sind schneller zufrieden. Für ein Frauen-Socken-Abo müsste man das Sortiment erheblich verbreitern und die Retourenquote wäre deutlich höher. Frauen lieben mehr Abwechslung.

Da würde sich Knigge im Grabe umdrehen
SchulmeisterereiOberlehrerhaftes Verhalten scheint typisch deutsch zu sein. Wachsender Trend: Deutsche schulmeistern gerne ihre Mitmenschen. „Sie sind ein schlechtes Vorbild für mein Kind, wenn Sie bei Rot über die Ampel gehen“ „Hier ist Ballspielen verboten“ „Hier raucht man nicht“: Schulmeistern hat nichts mit gutem Verhalten zu tun. Die Deutsche Kniggegesellschaft urteilt sogar: „Wir entwickeln uns zu einem Volk von Zurechtweisern. Das muss besser werden.“ Quelle: V.V.V.-Verlag
Sitz mit Aktentasche blockierenNerv-Trend Nummer zwei speziell bei Geschäftsreisenden: ein einziges Ticket kaufen und den Nebenplatz dennoch mit der Aktentasche blockieren. Andere Fahrgäste müssen stehen, das Gepäck hat´s bequem. Sehr effektiv, um von Hamburg bis Frankfurt ungestört zu sein, sozial aber nicht kompatibel, findet die deutsche Kniggegesellschaft. Quelle: dpa
Zu viele Löcher, labberige Hemden, kurze Ärmel mit KrawatteDer Businessmann macht laut der Kniggegesellschaft noch viel falsch. Darum: Perfekte Gürtel haben nur fünf Löcher, das Hemd muss zwei Zentimeter aus dem Ärmel schauen und kurze Arme mit Krawatte sind ein No Go. Damit sich diese Fashion-Fauxpas nicht wiederholen, raten die Benimm-Experten, auch als Mann mal hin und wieder einen Blick in eine Modezeitschrift zu werfen. Quelle: dpa
Lautstark in der Öffentlichkeit telefonierenEbenfalls auf der Kniggeliste steht der Handybrüller, vorzugsweise in Bus und Bahn. Den ganzen Waggon zu beschallen, ist schon ein Klassiker und bleibt dadurch weit oben auf der Liste der Benimm-Fehler der Deutschen. Dass leise und weniger und höflicher ist, ist immer noch nicht bei allen angekommen: Rechtsanwälte etwa posaunen immer noch die Namen und Aktenzeichen ihrer Mandaten durch den Zug (Gab´s da nicht eine Schweigepflicht?), andere lassen Mitreisende lautstark Anteil an Familien- und Beziehungsproblemen nehmen. Übrigens: Man kann auch leise in seinen Laptop hacken. Das muss nicht wie die alte Schreibmaschine MG klingen. Quelle: dpa
Vor dem Abbiegen nicht blinkenBlinken ist uncool, ist schon klar. Das machen nur Spießer. Der Selfmade-Man biegt ohne ab. Davon gibt es immer mehr, geißelt die Kniggegesellschaft. Da weiß man dann gar nicht, was der andere will und schon kracht es. Das ist extrem unsolidarisch. Also: Blink mal wieder! Quelle: dapd
Besteck falsch haltenJeder Zweite kann's nicht richtig, dabei ist es nicht schwer, Messer und Gabel richtig zu halten. Ein Messer ist kein Bleistift, also kein Grund, es wie einen Griffel zu halten. 50 Prozent der von der Knigge-Gesellschaft getesteten Besucher von Biergärten machten Besteckfehler beim Essen. Ein Vorsatz: Dringend Tischsitten updaten. In der Muße liegt der Genuss, dann klappt´s auch mit dem Knigge. Quelle: dpa
Daneben-Benehmen auf BetriebsfeiernAlle Jahre wieder immer dieselben Fehler. Vorsicht mit dem Alkohol, nicht Sexy-Hexy spielen und kein Geknutsche mit dem Chef. Das Betriebsfest ist nach wie vor vermintes Gelände. Hier enden immer wieder Karrieren. Überlebenstipp: Klappe halten, nichts ausplaudern und nicht am nächsten Tag krankfeiern. Quelle: dpa

Was haben Sie in 15 Jahren Sockenverkauf über Männer gelernt?
Es klang in den Antworten oben schon an: Der Mann hat relativ wenig Interesse an Textilien. Er ist relativ, bös gesagt, faul. Wenn man ihm Service anbietet, so auch die Angebote für komplette Outfits, dann ist er auch gerne bereit dafür bezahlt. Ich habe vor 15 Jahren etwas getan, was man nicht tun sollte: Von mir auf andere geschlossen. Und war mir schon bewusst, dass sich so gut wie niemand für Socken interessiert. Ich bin 45, wenn wir eine Generation älter anschauen, die an der Grenze zur Rente stehen, dann ist der Bestellvorgang oft gleich, die rufen bei uns an und wir fragen: Welches Modell? „Den Bestseller.“ Welche Packungseinheit? „Den Bestseller.“ Und welche Größe: „Den Beststeller.“ Die wissen nicht ein mal welche Schuhgröße sie haben. Da ist es vermutlich so gelaufen, dass es erst die Mutter gekauft hat, danach die Frau. Die haben sich nie darum gekümmert. Und das ist ein Stück weit bedenklich.

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