Mit ihrem Schnaps haben die beiden Oberbayern eine erfolgreiche Nische gefunden. Der Whisky-Absatz entwickelt sich seit Jahren prächtig. Laut Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure kaufen sechs Millionen Deutsche regelmäßig flüssiges Gold. 2003 wurden in Deutschland rund 47 Millionen Flaschen getrunken, 2013 waren es schon 72 Millionen. Das rief einige Nachahmer auf den Plan: Gab es vor zehn Jahren nur 20 deutsche Destillerien, zählt der Verband Deutscher Whiskybrenner heute bereits 150. „Den Höhepunkt haben wir noch nicht erreicht, da wird noch mehr kommen“, sagt Trendforscherin Brandes.
Prost, Berlin!
Das Epizentrum des Trends zum Selbstgebrannten befindet sich rund 650 Kilometer weiter nordöstlich vom Schliersee. In Berlin, Geburtsstätte alles Hippen und Neuen, findet bereits seit vier Jahren das Craft Spirits Festival statt. Außerdem ist die Dichte an kleinen Brennereien nirgendwo in Deutschland so hoch wie in der Hauptstadt.
Marc Fritsch unterhält eine von ihnen. Eigentlich berät der Marketingfachmann große und kleine Plattenlabels. Vor zehn Jahren jedoch, setzte er zusätzlich noch auf seine eigene Wodka-Marke. Auf die Idee kam Fritsch, als er sich mit einem Nachfahren der alten Brennerei-Dynastie Meisner unterhielt. Es gebe da ein altes Familienrezept für einen Wodka, der schon 1921 in Berlin hergestellt wurde. Fritsch war neugierig und wollte den wiederentdeckten Wodka probieren. Das Originalrezept schmeckte ihm „noch nicht rund genug“. Deswegen tüftelte er gemeinsam mit dem Brennmeister rum. Heute wird Held Vodka zwar nach alter Rezeptur hergestellt, schmeckt aber durch die dreifache Destillierung deutlich weicher als damals, in den wilden Zwanzigerjahren.
Mit den ersten 100 Flaschen zog Fritsch von Bar zu Händler, aber auch auf Partys von befreundeten Künstlern aus der Elektroszene. Schnaps und Musik – seit jeher eine Kombination, die funktioniert. Schnell entwickelte sich der Wodka, der in einer kleinen Destillerie im Berliner Umland abgefüllt wird, zum Liebling der Musikszene. Neulich, beim Rock-am-Ring-Festival Anfang Juni, wurde er den Künstlern exklusiv im Backstage-Bereich angeboten. Mittlerweile setzt Held Vodka rund 50.000 Flaschen im Jahr um.
Zurück in Lantershofen. An einem warmen Vormittag Anfang Juli sickern die letzten Tropfen Siegfried Gin durch den Hals der klaren Apotheker-Flasche. Eine rotwangige Mitarbeiterin verschließt das Gefäß mit einem hellen Holzstöpsel. Anschließend lädt das Trio ein paar der frisch verpackten Sechser-Paletten in den Smart. Vollmar und Koenen müssen sich beeilen, sie haben später noch einen Termin bei Marian Krause, einem der bekanntesten Barkeeper Deutschlands. Er will den Gin testen, vielleicht nimmt er ihn ins Sortiment auf. Der nächste Ritterschlag für den von der Nibelungensaga inspirierten Siegfried Gin. Doch erst wird noch einmal angestoßen – auf den erfolgreichen Tag. Vollmar, Koenen und Schütz nehmen einen winzigen Schluck und schließen die Augen. Wie gut, dass der Destillateur-Meister nicht sofort auflegte.