Viel Geld verliert gegen noch mehr Geld - auf die einfache Formel könnte man schlicht das spektakuläre Finale des diesjährigen America's Cup bringen. Team New Zealand, ausgestattet mit einem Budget von 84 Millionen Dollar, hat nach 19 Rennen am Ende klar das Nachsehen gegen das vom Software-Milliardär Larry Ellison und weiteren Sponsoren mit sagenhaften 200 Millionen Dollar gepimperte Team Oracle. Also: Wer doppelt so viel Geld in Boot, Mannschaft und Drumherum stecken kann, der kann sich den Sieg auch gleich kaufen. Doch ganz so simpel ist die Kiste denn doch nicht.
Denn der Triumph für das Team Oracle war alles andere als ein Selbstläufer: Nach einer Bestrafung mit einem Malus von zwei Punkten in die Finalserie gestartet, brauchte der Titelverteidiger der ältesten Segelregatta der Welt gleich elf Siege, um den Cup im Land zu behalten. Und danach sah es lange Zeit ganz und gar nicht aus: Die starken Neuseeländer holten in den ersten Rennen Punkt um Punkt und führten scheinbar uneinholbar mit 8:1.
Ein einziger Sieg hätte den Kiwis gereicht, um den Pokal nach vielen Jahren mal wieder ans andere Ende der Welt zu holen. Die ganze kleine Nation fieberte mit; die Straßen in Auckland und Christchurch sollen wie leergefegt gewesen sein, während die Boote auf dem Waser waren. Und man hätte der Segelnation den Sieg sicher gegönnt. Doch mit einem so noch nie dagewesenen Comeback pulverisierte das Milliardärs-Team um Skipper James Spithill Rennen für Rennen den Vorsprung des Underdogs und gewann so mit jedem dieser Siege ein Stück Legitimität, Glaubwürdigkeit und auch Sympathie zurück.
Zwar mag am Ende auch das bessere Material und das doppelt so große Budget eine Rolle gespielt haben - vermutlich haben sich Dutzende Techniker und Ingenieure nach dem gewaltigen Rückstand die Nächte um die Ohren gehauen, um noch das letzte bisschen mehr an Geschwindigkeit aus den High-Tech-Segelmonstern herauszuholen. Dabei dürften sie sehr nah an Grenzen der Sicherheit herangegangen sei - man mag sich nicht ausmalen, was bei einem Unfall mit den Männern an Bord passiert wäre. Einen Toten hat die Veranstaltung in den Vor-Regatten zu beklagen - trauriger Beleg dafür, wie sehr dieses vom Team Oracle erdachte neue Rennkonzept die Grenzen des Regattasegelns in Richtung Spektakel verschoben hat.
Denn eins ist auch klar: Für Traditionalisten, die mit Gänsehaut die schwarz-weiß Fotos legendärer America's Cup-Yachten aus dem Album der Familie Beken aus dem englischen Örtchen Cowes genießen, war dieser 34. Cup das nackte Grauen. Denn mit nichts hatten die gewaltigen Katamarane mit ihren 40-Meter-Masten weniger Ähnlichkeit als mit den schlanken Renn-Yachten von einst, die mit ihrer eleganten Linienführung und der puren Poesie ihrer Segel das Bild dieses ehrwürdigen Wettbewerbs seit Generationen prägten. Eher sahen sie aus wie die Ausgeburten Science-Fiction-seliger Hollywood-Produzenten.
Immer teurer, immer größer?
Larry Ellison und seine Mannschaft sorgten aber immerhin dafür, dass eine größere Öffentlichkeit als jemals zuvor die Rennen tatsächlich vom Strand aus verfolgen konnten. Sie sorgten auch dafür, dass anders als in früheren Jahren nur wenige Regatten wegen widriger oder ausbleibender Winde ausfallen mussten. Und sie sorgten zugleich dafür, dass dieser Cup so stark im Internet und auf den sogenannten sozialen Medien stattfand wie kaum einer zuvor: An Bord waren zig Kameras, Computeranimationen brachten auch Nicht-Seglern das Geschehen sehr nahe. Dass in Deutschland im Fernsehen nur rudimentär über den Wettbewerb berichtet wurde, lag indes auch daran, dass kein deutscher Teilnehmer auch nur am Rande beteiligt war.
Überhaupt war dies eine der größten Schlappen, die Ellison und seine Truppe allem Triumph zum Trotz am Ende erlitten haben: Die Zahl der Herausforderer war reichlich mickrig: Gerade mal vier Teams ließen in der Bucht vor San Francisco ihre Maschinen zu Wasser, viel zu teuer, viel zu aufwendig war für viele mögliche Sponsoren das Rennen um den hässlichen Pott. Was als großes Finale inszeniert wurde, war daher mit einem echten großen Sportwettbewerb, in dem sich viele Teams und Athleten messen, kaum zu vergleichen.
Ellison und Spithill werden daher umdenken müssen, wenn sie sich jetzt nach den Siegesfeiern zurückziehen, um über das künftige Format des Wettbewerbs nachzudenken. Denn das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem America's Cup und anderen globalen Sportereignissen. Leben letztere auch davon, dass Fans, Medien und Sponsoren sich auf feste Regeln, Austragungsmodalitäten und Termine verlassen können, stellt der aktuelle Sieger des Cups alle Uhren zurück auf Null. Er darf nahezu im Alleingang bestimmen, auf welchen Booten, an welchen Orten und nach welchem Modus er seinen Titel zu verteidigen gedenkt. Hier kommt massig Arbeit auf die Oracles zu.
Will Ellison beim nächsten Mal mehr Teams dabei haben und dafür sorgen, dass der Cup einen festen Platz im internationalen Sport-Kalender bekommt, muss Planbarkeit, Verlässlichkeit und ein gehöriges Maß an Vernunft und Augenmaß rein in den Wettbewerb. Immer noch teurer, immer noch größer - das kann nicht die Zukunft dieses noch immer faszinierenden Ereignisses sein.
Am Ende wurde Ellison gar ungewohnt kitschig: Wenn dieser Cup auch nur einen einzigen Jungen dazu gebracht habe, segeln zu gehen, habe er sein Ziel erreicht (und im Hintergrund zirpen die Geigen). Es wären wahrscheinlich ein paar mehr geworden, wäre der Cup nicht ins Überirdische abgedriftet.