Selbstständigkeit Im Alleingang durch die Krise

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Angst vor der Absatzschwäche

Wer gründen will, sollte diese Eigenschaften mitbringen oder trainieren – sonst schrumpfen die Erfolgsaussichten schnell.

Allerdings profitieren viele Gründer gerade in der Anfangsphase ebenso stark von ihrer jeweiligen Branchenerfahrung. Wer den Markt aus jahrelanger Beobachtung als Angestellter kennt, weiß nicht nur, wer die wichtigsten Konkurrenten und wie hoch deren Preise sind, sondern kann seine Kontakte auch gezielt nutzen, um erste Kunden zu gewinnen.

Schließlich bieten die meisten Selbstständigen Dienstleistungen an, deren Wert die Kunden vorher nicht sofort erkennen können. Eine Stunde Beratung bei zwei verschiedenen Anwälten mag in etwa gleich teuer sein – aber sie ist sicher nicht immer gleich gut. Ökonomen nennen diese Dienstleistungen deswegen „Erfahrungsgüter“: Erst nach dem Kauf weiß man, ob der Preis angemessen war.

Empfehlungen sind bei diesen Unternehmen deshalb besonders wichtig. Entsprechend verkaufsfördernd wirkt es, diese gezielt einzuholen und Referenzkunden auf der eigenen Homepage zu präsentieren oder sich nach Mentoren umzusehen, die dabei helfen können, solche Kontakte herzustellen.

Kundenbindung- und findung ist das A und O

Von seinem Netzwerk profitieren konnte auch Uwe Volkmer. Nach seinem Psychologie-Studium arbeitete er sechs Jahre lang in der Personalentwicklung eines Versicherungskonzerns und wechselte dann zu einer Personal- und Managementberatung. 1991 machte er sich schließlich als Coach selbstständig.

„Anfangs hatte ich keine Probleme, an Aufträge und neue Kunden zu kommen“, sagt Volkmer nicht ohne Stolz. Geholfen habe ihm zum einen, dass er noch als freier Mitarbeiter für die Beratung tätig war. Zum anderen, dass ihm seine früheren Kunden treu blieben.

Der bisherige Arbeitgeber, Ex-Kollegen, langjährige Kunden – solche Kontakte sollte man spätestens mit dem Unternehmensstart aktivieren. Davon ist auch der Münchner Gründerexperte Andreas Lutz überzeugt: „Wer in der Startphase rasch Abnehmer findet“, sagt Lutz, „bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als ein Jahr selbstständig.“

Wer die neuen Auftraggeber jedoch nicht gleich mit der Abfindung erbt, muss sie finden. Genau das erscheint vielen Selbstständigen in der Krise jedoch als doppelt schwer. Schließlich ist längst nicht jeder ein Verkäufertyp, kann potenzielle Abnehmer aufspüren, Interessenten umgarnen und Kunden an sich binden.

Genau das aber müssen Selbstständige können – ganz egal, wie gut und neu ihre Geschäftsidee ist. Immerhin: Einiges davon lässt sich lernen. Zum Beispiel von Experten wie Gerd Hauer vom Business Institut International in Berlin.

Übung macht den Meister

Üben, Üben, Üben – diese Wörter peitscht Hauer von der Bühne, als er auf den Berliner Gründertagen sein „Verkaufstraining“ abhält. „Hängen Sie sich ein großes Stoppschild an die Bürotür und schreiben Sie eine einzige Zahl drauf: 35“, ruft er in die Menge und macht eine dramaturgische Pause, bevor er die Erklärung liefert: „Wenn Sie nicht jeden Tag 35 Prozent ihrer Zeit darauf verwenden, Kunden zu suchen, dann zurück an den Schreibtisch!“

Akquise ist vielen unangenehm – aber es geht nicht ohne. Dazu gehört, sich erstmal Gedanken um seine Zielgruppe zu machen: Viele Selbstständige verschenken wertvolle Zeit, weil sie für Auftraggeber arbeiten, die gar nicht zu ihnen passen. Und wer einmal herausgefunden hat, an wen sich Produkt oder Dienstleistung richten, der sollte sich auch nicht unter Wert verkaufen: „Wenn Sie am Anfang viel zu günstig anbieten, nur damit Sie an erste Kunden kommen“, beschwört Hauer seine Zuhörer, „dann versauen Sie sich Ihre Preise.“

Die Erfahrung machte auch der Kölner Kai Müller. Der 31-Jährige hat sich bereits 2001 zum ersten Mal selbstständig gemacht, damals als Web-Designer. Nach ein paar Wochen kamen die ersten großen Aufträge, die Arbeit wuchs – aber das große Geld blieb aus. Er hatte zu wenig verlangt und musste viel zu viel dafür tun: „Ein Anfängerfehler“, sagt Müller heute. Zwischendurch wechselte er deshalb wieder zurück ins Angestelltenverhältnis, bevor er Ende vergangenen Jahres erneut als Unternehmer startete. Seitdem überlegt er sich genauer, welche Kunden er annimmt und welche nicht..

Wie schwer Verkaufen ist, hat auch Robert Buschmann zu spüren bekommen. Er machte sich schon 1995 unmittelbar nach seinem Studium selbstständig und eröffnete damals ein Ingenieurbüro im Odenwald. Sein Spezialgebiet: der Automotive-Sektor. In seinem Labor in Ober-Ramstadt programmierte er Software für Mikro-Controller, die Roboter an Fertigungsstraßen dazu bringen, Autos zusammenzubauen. Zunächst mit großem Erfolg: Auftragsengpässe kannte Buschmann nicht, Jobangebote schlug er reihenweise aus, weil er lieber selbstständig bleiben wollte. 13 Jahre lang ging das gut.

Dann kam die Krise. Projekte wurden auf einmal nicht verlängert, Aufträge auf Eis gelegt. Und zum ersten Mal musste Buschmann etwas tun, worin er keine Übung hatte: potenzielle Kunden anrufen, umwerben, überzeugen. „Kalt-Akquise“, sagt er, „ist nicht mein Ding.“

Im Internet entdeckte er schließlich alternative Vertriebswege: Portale wie Etengo, Gulp, Freelancermap oder Quotatis bringen Freiberufler und Auftraggeber zusammen, ohne dass die Klinken putzen müssen. Wie moderne Tagelöhner können Gründer hier morgens nach Aufträgen suchen und im Idealfall mittags mit der Arbeit beginnen. Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn wiederum bieten Selbstständigen die Chance, ihr Leistungsprofil so zu präsentieren, dass es auch von Internet-Suchmaschinen gefunden wird. Und Freiberufler wie Rechtsanwälte oder Steuerberater, die keine Werbung machen dürfen, können in Blogs oder auf ihren Homepages informieren, Fragen beantworten und so neue Mandanten finden.

Für Robert Buschmann ist das Internet wie für viele andere Einzelunternehmer inzwischen das perfekte Marketing-Medium: Es kostet wenig und hilft, gezielt Kunden und Auftraggeber anzusprechen. Nur zwei Wochen nachdem Robert Buschmann sein Profil bei Etengo angelegt hatte, bekam er schon den Zuschlag eines Auftraggebers aus dem Medizin-Bereich: Seitdem programmiert er Web-Applikationen für das Aufgaben- und Qualitätsmanagement des Unternehmens. Ein lukratives Projekt – mitten in der Krise.

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