Selbstüberschätzung Warum Chefs immer wieder an ihrem Ego scheitern

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Luftballon Quelle: Oliver Munday

Ebenso wenig glaubt jemand ernsthaft, dass er mit seinen hochfliegenden Plänen scheitern wird. So wie der einstige Jahrhundertzocker Nick Leeson, der sich in den Neunzigerjahren als Chefhändler der britischen Barings Bank einbildete, die Bewegungen der Märkte vorhersehen zu können. Weit gefehlt: Durch riskante Spekulationen verlor er umgerechnet knapp eine Milliarde Euro und sorgte für den Zusammenbruch des Geldhauses.

Auch Privatanleger sind vor diesen Fehleinschätzungen nicht gefeit, wie Brad Barber und Terrance Odean von der Universität von Kalifornien 2001 feststellten. Eine Brokerfirma verschaffte ihnen Zugang zu den Anlageentscheidungen von über 35 000 Haushalten. Dabei bemerkten die Forscher, dass Männer fast 50 Prozent häufiger mit Aktien handelten als Frauen. Trieb das den Gewinn nach oben? Ganz im Gegenteil: Die Männer erzielten weniger Rendite. „Wer sich als Investor selbst überschätzt, interpretiert Börsennachrichten und handelt dementsprechend“, sagt Barber, „obwohl er gar nicht die notwendige Kompetenz hat.“

Für das Berufsleben gilt dasselbe: Wir glauben, mehr draufzuhaben, und alles ein bisschen besser zu können als die anderen. Die meisten Professoren halten sich selbst für überdurchschnittlich gute Pädagogen, Manager für kompetenter als die Konkurrenz, und knapp 90 Prozent der Autofahrer zählen sich selbst zum besten Drittel.

Zwischen Erfolg und Bruchlandung

So unlogisch dieses illusionäre Selbstvertrauen ist, so verständlich ist es auch. Niemand würde sich durch die Mühen eines Studiums quälen, wenn er das Scheitern von vornherein fest einplant, niemand den Motor starten, wenn er einen Unfall für unvermeidlich hält. Und niemand würde auf einem Chefsessel Platz nehmen, wenn er mit dem baldigen Konkurs des Unternehmens rechnet.

Der Glaube an sich selbst ist Teil unserer (Über-)Lebensstrategie – und somit Voraussetzung für Erfolg. Das Problem: Die Grenze zur Selbstüberschätzung verläuft fließend. Erst im Nachhinein wird uns bewusst, wann wir sie überschritten haben.

Mit einem derart gefährlichen Halbwissen treffen Führungskräfte tagein, tagaus zahlreiche Entscheidungen, häufig mit großer finanzieller Tragweite. Nicht wenige erleben dabei eine Bruchlandung.

Titus Dittmann hat das vor einigen Jahren selbst erlebt. Der 61-Jährige ist Deutschlands Skateboard-Guru. Seit 32 Jahren vertreibt er die rollenden Bretter samt passender Klamotten und Zeitschriften. Vor gut zehn Jahren stand ein Meilenstein in der Firmengeschichte an – Dittmann plante den Börsengang.

Der Grund: Er hatte erfahren, dass zwei frühere Kollegen mit seiner Idee an die Börse wollten. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Motto: Was die können, kann ich schon lange. Gesagt, getan.

Schädliche Isolation

Er tat sich mit zwei Investoren zusammen, denen er die Mehrheit im Aufsichtsrat überließ, gründete mehr als 30 Tochterfirmen und hübschte alles für einen Börsengang auf. Dann wurden seine Pläne vom Ende des Neuen Marktes jäh unterbrochen. Schon bald drehten die Banken den Geldhahn zu, die Geschäftspartner wollten sein Unternehmen zerschlagen. Das Ende vom Lied: Dittmann musste mit seiner Frau sämtliche Ersparnisse zusammenkratzen und den Investoren ihre Anteile wieder abkaufen. Er hat einen hohen Preis bezahlt, ist aber noch einmal glimpflich davongekommen. Heute würde er sich auf so ein Abenteuer nicht mehr einlassen.

Damit zählt Dittmann allerdings zu einer Minderheit – denn Selbstüberschätzung ist unter Managern inzwischen weltweit verbreitet. Aber warum?

Experten wie Daniel Kahneman sind überzeugt: Gerade die Isolation in den Chefetagen bildet einen fruchtbaren Nährboden für übertriebenes Ego. Die heutige Managergeneration gehe Projekte an, ohne vorher deren Erfolgswahrscheinlichkeit selbstkritisch genug abzuschätzen – oft aus purem Egoismus.

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