Selbstüberschätzung Warum Chefs immer wieder an ihrem Ego scheitern

Seite 3/4

Klippe Quelle: Oliver Munday

Wo Selbstverliebtheit sich einnistet, ist Selbstüberschätzung nicht mehr weit. Matthew Billett und Yiming Qian von der Universität von Iowa analysierten im Jahr 2008 für eine Studie 3500 Fusionen und Übernahmen aus den Jahren 1985 bis 2002, an denen insgesamt 2300 Chefs börsennotierter US-Konzerne beteiligt waren. Sie recherchierten deren Aktiengeschäfte und werteten die Entwicklungen der Börsenkurse aus.

Dabei stellten die Wissenschaftler fest: War ein Zusammenschluss geglückt, planten die CEOs überdurchschnittlich häufig weitere Akquisitionen – allerdings siegte bei vielen der Übermut: „Die Wahrscheinlichkeit sank deutlich, dass auch die folgenden Deals glücklich für das Unternehmen enden“, resümierten Billett und Qian. In diesen Fällen kostete die Selbstüberschätzung der Vorstandsetage nicht bloß Renommee, sondern auch Arbeitsplätze.

Besonders abschreckend ist der Fall des früheren US-Energieriesen Enron. Jahrelang hatte die dortige Führungsebene Bilanzen gefälscht und sich schamlos selbst bereichert. Als der Konzern im Dezember 2001 Insolvenz anmeldete, verloren 22 000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Wenige Monate später wurde bekannt, dass sich kurz vor der Pleite 500 hochrangige Enron-Manager großzügige Boni genehmigt hatten. Allein der frühere und inzwischen verstorbene CEO Kenneth Lay erhielt 300 Millionen Dollar.

Selbst Experten trifft es

Das Enron-Drama beschäftigt inzwischen auch die Kultur. Das Musical vom Aufstieg und Fall des Enron-Top-Managers Jeffrey Skilling wurde bereits in London und in New York aufgeführt, ab Oktober ist „Enron – eine wahre Geschichte falscher Profite“ auch in Deutschland zu sehen (siehe Interview auf wiwo.de/hybris).

Skandale à la Enron werfen vor allem eine Frage auf: Wer ist besonders anfällig für das süße Gift des Hochmuts? Liegt es am Alter der Manager, an mangelnder Erfahrung oder schlicht an Überforderung?

Nichts dergleichen, meint Kevin Dunbar. Studien des Neurowissenschaftlers von der Universität Toronto beweisen: Selbst Experten sind vor Selbstüberschätzung nicht gefeit. Dunbar begleitete vor einigen Jahren Biochemiker der Stanford-Universität. Dabei stellte er fest, dass die Experimente häufig andere Ergebnisse hervorbrachten als von den Wissenschaftlern vorhergesagt.

Unangenehmes Gefühl

Als sie dies bemerkten, reagierten die meisten ähnlich: Zunächst schoben sie es auf die Methode, eine kaputte Maschine oder den puren Zufall. Meist probierten sie den Versuch noch mal, meist mit demselben verwirrenden Resultat. Blieb das irritierende Ergebnis immer noch bestehen, ignorierten sie es einfach. „Die Forscher versuchten wegzureden, was sie nicht verstehen konnten“, sagt Dunbar. Die Experten hatten sich selbst dabei ertappt, wie sie ihre Kenntnisse falsch einschätzten. Ein unangenehmes Gefühl.

Martin Kind kennt das genau. Im Jahr 1997 wurde er gefragt, ob er nicht das Präsidentenamt des Fußballvereins Hannover 96 übernehmen wolle. Dem Klub ging es damals finanziell und sportlich schlecht, eine neue Führungsmannschaft sollte den Neuanfang bringen. Kein Problem, dachte Kind. Im Hauptberuf war er erfolgreicher Eigentümer und Geschäftsführer eines Herstellers für Hörgeräte.. Warum nicht zusätzlich ein schönes Ehrenamt übernehmen? Zumal man ihm versprach, dass sich der zeitliche und inhaltliche Aufwand in Grenzen halten werde.

Denkste.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%