Sinnlose Statistiken Was die Deutschen mit ihrer Zeit anfangen

Was machen die Deutschen eigentlich den ganzen Tag mit ihrer Zeit? Das fragte man sich beim Familienministerium und hat die Vermessung der Deutschen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind erwartbar öde.

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Der Strahl einer Lampe markiert am 23.10.2014 in Ravensburg (Baden-Württemberg) die Zahl drei auf dem Ziffernblatt einer alten Standuhr. Quelle: dpa

An sich ist es gar nicht schlecht, zu wissen, was eine ganze Nation so tagsüber treibt. Entsprechend kann man ihr Produkte verkaufen oder ihren Alltag erleichtern oder auch verkomplizieren. Man könnte darüber nachdenken, mehr Schwimmbäder zu bauen, wenn alle Deutschen pro Tag mindestens eine Stunde schwimmen gehen oder oder oder. Wer aber einen Blick in die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, vorgestellte Erhebung "Zeitverwendung in Deutschland" wirft, gewinnt vor allem eine Erkenntnis:

Wer hierzulande reich werden will, sollte Tagebücher verkaufen. Oder designen. Mydiary.de gründen. Denn der Deutsche an sich führt Tagebuch. Im Jahr 2012/2013 haben die Deutschen - konkret: Personen ab zehn Jahren - 33.842 Tagebucheinträge verfasst. Sagt die Statistik. Jetzt das Unerwartete: Frauen sind dabei die fleißigeren Schreiberlinge mit 18.136 Einträgen gegenüber 15.706 Tagebuchtagen bei den Männern. Die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen greift besonders oft zum Stift und bringt es auf 12.315 Einträge, wogegen Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren nur auf 5770 Einträge kommen.


Das Ganze lässt sich dann noch unterteilen nach Haushaltstyp und Alter - alleinlebend und 30 bis 44 Jahre alt, Paare mit oder ohne Kind in einem beliebigen Alter, Kinder von Alleinerziehenden und so weiter und so fort.
Können Sie ja bei Gelegenheit mal an Freunden und Kollegen ausprobieren: "Du bist erwerbstätig, weiblich, hast einen Partner, ein Kind und bist zwischen 30 und 45 Jahre alt - du führst also Tagebuch?" Im Jahr 2001/2002 wurde übrigens mehr Tagebuch geführt. Was ein Erkenntnisgewinn. Finanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie dem Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Männer arbeiten länger, Frauen kümmern sich mehr um die Familie

Vermutlich weil einer der Finanziers ein gewisses Interesse an den Themen Familie, Frauen, Männer, Kinder hat, steht dieser Themenkomplex bei der Vorstellung der Studie im Fokus. Da heißt es, dass 32 Prozent der Väter sowie 19 Prozent der Mütter im Jahr 2012/2013 der Meinung waren, nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder zu haben. Dagegen wollen nur sieben Prozent der Väter und - Achtung - 28 Prozent der Mütter mehr Zeit für ihren Job haben. Da verbirgt sich doch wohl kein Rollenklischee hinter den Zahlen? Papas arbeiten mehr als Mamas? Tatsächlich, sagt die Statistik. Doch damit ist es noch nicht genug: Mütter kümmern sich am Tag 1 Stunde und 45 Minuten lang um ihre Kinder, Väter nur 51 Minuten. Ob es da einen Zusammenhang zwischen bezahlter Arbeit und Kinderbetreuungszeiten geben mag?

Die Männer arbeiten im Hauptjob nämlich durchschnittlich 7,5 Stunden, die Frauen nur 6,25. Außerdem brauchen die Deutschen noch gut eine Stunde, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, also durchschnittlich 30 Minuten pro Strecke. Wer keinen Job hat, kümmert sich dagegen eine Stunde und 22 Minuten pro Tag um Bewerbungen und liest Stellenanzeigen.

Und wer noch gar nicht so weit ist, verbringt pro Tag 4,49 (Zeit-)Stunden mit Unterricht in der Schule, weitere 2,33 Stunden werden Schüler in der Schule betreut, 1,29 Stunden entfallen auf schulische Arbeitsgemeinschaften, 1,53 Stunden auf das Vor- und Nachbereiten des Unterrichts in Schule und Hochschule und weitere 1,30 Stunden auf Hausaufgaben und Nachhife. Damit sind - rein statistisch - die lieben Kleinen deutlich länger in und mit der Schule beschäftigt, als deren Eltern mit arbeiten und pendeln.

Die zehn liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen

Da die Frauen - zumindest laut Statistik - mehr Zeit zu Hause verbringen, haben sie nicht nur einen größeren Anteil an der Kinderbetreuung, sondern auch an der klassischen Hausarbeit. Frauen backen, kochen, decken den Tisch und spülen vier Stunden, Männer amüsieren sich täglich 2,47 Stunden mit "Zubereitung von Mahlzeiten und Hausarbeit in der Küche". Dafür mähen sie länger Rasen, reparieren pro Tag länger als die Frauen Fahrräder und Waschmaschinen oder tapezieren.

Genauso wenig überraschend: Kinder schlafen länger als Senioren, Jugendliche verbringen mehr Zeit mit sozialen Mendien als beim Arzt (da sind die älteren Semester führend) und die 18- bis 29-Jährigen verbringen weniger Zeit mit Backen, Kochen und Häkeln und dafür mehr mit Sport, Freunden (Statistiker-Deutsch: Sozialkontakte) oder der Mediennutzung. Jagen, Fischen und Sammeln taucht in dieser Altersgruppe dagegen gar nicht auf.

Apropos bezahlte und unbezahlte Arbeit: Mamas und Papas sind pro Woche zehn Stunden mehr damit beschäftigt, aufzuräumen, zu putzen, das Fahrrad oder den Teddy zu reparieren, als Singles, die nur ihren eigenen Dreck wegräumen müssen. Erstaunlich.

Aber kommen wir zu den wirklich wichtigen Dingen: Was machen wir eigentlich, wenn wir nicht arbeiten oder Kinder hüten? Angeblich hat der Deutsche pro Tag sechs Stunden Freizeit. Die verbringt er mit Fernsehen und Lesen. Seniorinnen und Senioren sind hier Spitzenreiter. Außerdem wurden 2012/2013 mehr Medien genutzt als 2001/2002, dafür trifft man sich weniger im realen Leben. Auch für diese Erkenntnis hätten wir vermutlich nicht über 5000 Haushalte oder mehr als 11.000 Menschen fragen müssen.

Noch mehr Erwartbares: Der gemeine Deutsche schläft täglich - und zwar acht Stunden und 29 Minuten pro Tag beziehungsweise Nacht. Die Frauen bleiben in der Regel sechs Minuten länger in den Federn als die Männer. Während 100 Prozent der Männer angaben, zu schlafen, waren es bei den Frauen allerdings nur 99,9 Prozent. Da sollte genauer erforscht werden, wie die Autorin findet.

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