Soziale Netzwerke Die Macht der Kontakte

Die Anzahl unserer Kontakte entscheidet stärker über unseren beruflichen Erfolg als bisher angenommen. Das beste Rezept lautet Masse statt Klasse – und die lässt sich dank der Online-Netzwerke leichter pflegen denn je.

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Online-Netzwerk Xing: Das Quelle: dpa

Ungläubiges Staunen. Eine Sekunde Stille. „Im Ernst?“ So reagieren Menschen häufig, wenn Thorsten Hahn über seine Bekanntschaften beim Online-Netzwerk Xing spricht. Niemand hat dort mehr Verbindungen als er. Die Zahl seiner Kontakte: knapp 30.000.

Nimmt man auch noch alle Menschen dazu, die Hahns Bekanntschaften kennen, kommt man auf 2,4 Millionen – das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Lettland. „Natürlich halten mich einige für einen Spinner“, gibt Hahn zu, „aber mir helfen die Kontakte beruflich enorm weiter.“

2004 hat er auf Xing den Bankingclub gegründet, ein Forum für die Finanzbranche. Mithilfe der Suchfunktion schrieb Hahn alle Netzwerk-Mitglieder an, in deren Profil die Schlagwörter „Bank“ oder „Versicherung“ auftauchten. Heute gibt es den Club auch in der realen Welt, Hahn veranstaltet Konferenzen und Kongresse. Ohne sein riesiges Kontaktnetz wäre die Geschäftsidee des einstigen Schwäbisch-Hall-Außendienstlers nicht so erfolgreich.

Freunde und Bekannte sind Geld wert

Vitamin Xing wirkt nicht nur bei Selbstständigen. Wen und wie viele wir kennen, entscheidet über unseren Wert und Erfolg als Käufer, Kunden und Kollegen. Auch wenn es verstörend klingt: Unsere Freunde und Bekannten sind Geld wert. Zahlreiche Studien belegen, dass Angestellte und Top-Manager von ihren sozialen Kontakten profitieren.

Höhere Jobchancen: Roberto Fernandez und Nancy Weinberg vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) analysierten vor einigen Jahren den Bewerbungsprozess einer Bank für 326 Stellen. Wer vor seiner Bewerbung nicht von einem Angestellten empfohlen wurde, hatte eine Chance von mageren sechs Prozent, die Stelle zu bekommen. Mit Referenz betrug die Erfolgsaussicht dagegen 30 Prozent.Höhere Produktivität: Der US-Managementprofessor Emilio Castilla, ebenfalls vom MIT, untersuchte den Einstellungsprozess in einem Callcenter. Sein Fazit: Wer von einem Angestellten empfohlen wurde, hatte nicht nur bessere Chancen, das Einführungstraining zu überstehen – er arbeitete anschließend auch produktiver.Höheres Gehalt: Joseph Engelberg, Assistenzprofessor an der Kenan-Flagler Business School der Universität von North Carolina, verglich in einer Studie vom vergangenen Mai die Gehälter von knapp 2700 Vorstandsvorsitzenden in den Jahren 2000 bis 2007. Dafür griff er auf eine Datenbank zu, die alle aktuellen oder vergangenen beruflichen Beziehungen der Top-Manager auflistete – besuchte Universitäten, bevorzugte Wohltätigkeitsorganisationen, besetzte Aufsichtsratposten. Ergebnis: Im Durchschnitt steigerte ein zusätzlicher Kontakt außerhalb der Firma das Gehalt eines CEO um über 17.000 Dollar.

Mehr Freunde, mehr Gehalt

Waren Sie in der Schule beliebt? Hatten Sie viele Freunde? Oder war Ihr bester Freund, der heute mehr verdient als Sie, damals schon cooler? Eine aktuelle Studie belegt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Beliebtheit als Schüler und der Entlohnung als Erwachsener.

35 Jahre lang wurden 10.000 US-Studenten im Rahmen einer Langzeitstudie verfolgt. Fazit: Wer in der Schule die meisten Freunde hatte, verdiente im späteren Leben am meisten. Das Forscherteam des Instituts für soziale und ökonomische Forschung der Universität von Essex resümierte im vergangenen Februar: Jede zusätzliche Freundschaft schlug sich 35 Jahre später in zwei Prozent mehr Gehalt nieder.

Der US-Informatiker Robert Metcalfe vertrat sogar die Ansicht, dass der Nutzen, den jemand aus einem Netzwerk zieht, exponentiell mit der Gesamtzahl der Mitglieder steigt. Übertragen auf unser persönliches Netzwerk bedeutet dies: Je mehr Kontakte wir haben, desto besser.

Schon in den Siebzigerjahren sorgte der US-Soziologe Mark Granovetter für Aufsehen, als er untersuchte, wie Ingenieure in Boston an eine neue Stelle kamen. 56 Prozent hatten ihren Arbeitsplatz über eine persönliche Verbindung gefunden – aber nur 16,7 Prozent beschrieben die Intensität der Verbindung als „regelmäßig“. 84 Prozent hingegen sagten, dass sie ihre Kontaktperson „gelegentlich“ oder „selten“ persönlich getroffen hätten.

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