
Der Wunsch nach „geschlechtergerechter“ Sprache kann schnell auch in die Lächerlichkeit führen. Mann muss der Bundeswehr, die sonst nicht gerade berühmt ist als sprachpflegerische Institution, deswegen dankbar sein, dass sie die deutsche Sprache trotz aller militärischen Gleichstellerei immerhin vor der „Frau Hauptfrau“ bewahrt hat. Wobei das vorschriftsmäßige „Frau Hauptmann“ auch nicht gerade unlächerlich klingt. Nun hat also die Duden-Redaktion die „Vorständin“ in Ihr Lexikon aufgenommen. In der Online-Version steht sie bereits und in die nächste Auflage des gedruckten „Duden“ werde sie demnächst wahrscheinlich auch aufgenommen, wie Redaktionsleiter Werner Scholze-Stubenrecht bekannt gab.
Bevor man nun dieses Neuwort mit gutem Gewissen gebraucht, weil es der Duden absegnet, sollte man wissen, dass die Duden-Redaktion wie die meisten etablierten Sprachwissenschaftler in Deutschland nur ein Kriterium für die Veränderung der Sprache und damit des Wörterbuchs kennen: Den allgemeinen Sprachgebrauch. Wenn die deutschen Sprecher ein unsinniges Wort nur oft genug nutzen, dann ist es für die Duden-Redaktion bald korrektes Deutsch. Die meisten deutschen Sprachwissenschaftler sehen sich als neutrale Beobachter und Chronisten des Sprachgebrauchs. „Sprache ist letztlich auch nur Gewohnheit“, behauptet Scholze-Stubenrecht.





Dass das Wort „Vorständin“ eigentlich ein unsinniges Nicht-Wort ist, weil der „Vorstand“ kein Mann, sondern ein Gremium ist, und es für die Frauen und Männer, die in ihm sitzen, ein korrekteres und sogar absolut geschlechtsneutrales Wort – nämlich „Vorstandsmitglied“ – gibt, spielt für die Entscheidung keine Rolle. Es gebe ausreichend Hinweise darauf, dass die „Vorständin“ in Deutschland bereits im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen ist. Einige Firmen oder Institutionen bezeichneten die weiblichen Mitglieder des Gremiums bereits als „Vorständin“. Das reicht Herrn Scholze-Stubenrecht.
Sprache ist Macht
Eine Petitesse ist das alles keineswegs. Denn Sprache ist nicht so harmlos wie Scholze-Stubenrecht und seine Kollegen meinen: Die Veränderung der Sprache beeinflusst, wie und was die Menschen denken. Die Apostel der „geschlechtergerechten“ Sprache wissen das ebenso wie die Machthaber in George Orwells Dystopie „1984“, die mit ihrem „Neusprech“ die Kommunikationsfähigkeit der Bevölkerung so einschränken, dass „Gedankenverbrechen“, also freies Denken, unmöglich wird. Es mag hinter vielen neuen Vokabeln der Unternehmenswelt schlichte Gedankenlosigkeit stecken.
Aber es ist sicher keine vom Himmel gefallene Gewohnheit, dass Unternehmen zum Beispiel von "Personalabbau" sprechen. Denn diese nüchterne, architektonische Metapher verschleiert mögliche Folgeschäden für die Betroffenen, aber auch Nachteile für das Unternehmen und vor allem für die Gesellschaft, die die Kosten für die künftigen Arbeitslosen tragen muss.
Der Gleichgültigkeit der deutschen Sprachwissenschaft und der Dudenredaktion muss man daher entgegenhalten, was der große Journalist Friedrich Sieburg einmal im Zorn ausrief: „Wer nicht Deutsch kann, kann nicht denken.“
Für Nicht-Sprachwissenschaftler, denen die Klarheit des Deutschen und vielleicht sogar seine Schönheit am Herzen liegt, wird der Duden also nicht das letzte Wort haben. Denkfreudige und freiheitsliebende Menschen in Unternehmen und überall sonst sollten sich sprachfaulen Verknappungen ebenso verweigern wie verkrampften Wortverboten - Stichwort Neger und Zigeuner - von politisch korrekten Tugendwächtern und pseudomodernen Anglizismen von dümmlichen Allerweltsanglophilen.