
WirtschaftsWoche: Warum gehört die sexuelle Orientierung an den Arbeitsplatz?
Christian Weis: Es gibt zwar immer auch Leute die sagen, Sexualität gehört ins Schlafzimmer, aber das stimmt so nicht ganz. Dass ich schwul bin, betrifft auch meine Arbeit und meine Freizeit. Ich möchte auch einen Tag Sonderurlaub bekommen, wenn ich heirate. Ich möchte auch in den Schulferien Urlaub nehmen. Ich habe zwar keine Kinder, aber mein Freund arbeitet als Lehrer.
Wie haben Sie sich geoutet?
Sich outen ist keine einmalige Sache, sondern passiert immer wieder und tagtäglich. Sage ich Partner oder Partnerin? Erzähle ich von meinem Mann oder täusche ich eine Ehefrau vor? Ich kann ja nicht immer schweigen, wenn die Kollegen mich etwas Privates fragen – damit würde ich mich sozial isolieren. Ich sage auch nicht: Ich bin schwul. Ich hab das immer verpackt, zum Beispiel in dem ich sage, dass ich am Wochenende mit meinem Freund zum Christopher Street Day fahre. Das mache ich seit 11 Jahren so und noch nie habe ich eine negative Reaktion darauf bekommen.
Wie viele Commerzbank-Mitarbeiter haben sich öffentlich geoutet?
Für die Commerzbank liegen uns keine konkreten Zahlen vor. Wir gehen aber davon aus, dass sich der größte Teil der homosexuellen Mitarbeiter geoutet hat. Unter den ARCO-Mitgliedern haben wir eine Umfrage gemacht, da waren es 80 Prozent.
LGBT(LesbianGayBisexualTransgender)-Netzwerke
Christian Weis' Ausbildungsleiter Hartmut Fischer legte den Grundstein für Arco, in dem er bei seinem Arbeitgeber einen Verbesserungsvorschlag einreichte. Heute hat Arco 480 Mitglieder. Weis schätzt, dass sich 70 Prozent aller registrierten Nutzer mit dem Klarnamen anmelden. Mittlerweile haben viele Dax-Unternehmen eigene LGBT-Netzwerke. Unter anderem die Deutsche Bank, IBM, SAP oder der Deutschen Post. Die Netzwerke haben sich in dem Dachverband prout@work zusammengeschlossen.
Und die Nichtgeouteten?
Lügen, vertuschen und verstecken ist anstrengend. Einige führen ein Doppelleben. Ich erinnere mich an einen schwulen Mitarbeiter, der zuhause Frau und Kinder sitzen hatte. Der ist jeden Morgen mit Bauchschmerzen aufgewacht, weil er Angst hatte sich im Büro zu verplappern. Das wirkt sich natürlich auch negativ auf Gesundheit und Arbeitsleistung aus.