Star-Pianist Lang Lang "Die Sicht der Dinge hörbar machen"

Der chinesische Pianist Lang Lang über das Leben als Superstar, die Härte einer Kindheit am Klavier, und den Spagat zwischen Kunst und Kommerz.

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Pianist Lang Lang Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Lang Lang, seit Ihrem Solodebüt in der New Yorker Carnegie Hall vor gut zehn Jahren sind Sie zum größten Superstar der Klassik avanciert. Damals waren Sie 21, heute sind Sie 31. Sind Sie 2014 ein anderer Superstar, als Sie es 2004 gewesen sind?

Lang Lang: Ich glaube schon. Man trägt mit 30, 31 Jahren mehr soziale Verantwortung. In den Zwanzigern bist du sehr fokussiert auf dich selbst. Es geht darum, immer größer zu werden. Du arbeitest an deiner Karriere. Daran, mit großartigen Musikern zusammenzuarbeiten. Und natürlich daran, den Erfolg auf Dauer zu halten. Heute verwende ich auch viel Zeit auf andere Dinge. Ich bin Unicef-Botschafter, Fürsprecher der UN-Initiative „Global Education“, habe eine eigene Stiftung gegründet, die sich der Musikerziehung von Kindern widmet. Ich möchte Kinder zur Musik bringen und die Musik zurück zu den Kindern – zurück an die Schulen, wo man sie vielerorts aus den Stundenplänen genommen hat.

Hat sich mit der Popularisierung Ihrer Kunst auch Ihr Selbstverständnis als Künstler geändert? Sie sind beim Thronjubiläum für Elisabeth II. aufgetreten, bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama, bei Fußballweltmeisterschaften und Olympischen Spielen...

...und ich habe jedes Jahr rund 100 Konzertauftritte, die meisten davon abseits der Fernsehkameras. Nein, was die Konzerte anbelangt, hat sich in den vergangenen zehn Jahren eher wenig getan. Ich spiele im Sommer etwas weniger als früher. Auch habe ich gelernt, Nein zu sagen, nehme nicht mehr jede Einladung zu einem Auftritt an, zu einer neuen CD, zu einem Interview, zu einem Foto-Shooting. Man muss in diesem Geschäft aufpassen, wach zu bleiben, nicht zu ermüden…

Erfolgsversprechende Pianisten unter 30

Alle drei Tage ein Konzert – gestern New York, morgen Berlin, danach Peking: Läuft man als tourender Superstar Gefahr, an künstlerischer Qualität zu verlieren, was man an Routine gewinnt?

Man entwickelt sich auch musikalisch weiter, wird reifer, gewinnt an intellektueller Tiefe. Manche Sachen spiele ich heute ganz anders als noch vor wenigen Jahren. Etwas weniger instinktiv. Dafür analytischer, mit mehr Textverständnis. Ich glaube, ich bin heute besser als vor zehn Jahren. Das liegt auch daran, dass ich mir immer neue Stücke erarbeite – und im Lichte der neuen Stücke dann auch die alten anders spiele.

Das unterscheidet Sie nicht von den meisten Ihrer Kollegen. Andras Schiff, Nikolai Lugansky, der junge Daniil Trifonov – sie alle sind Stars der Klassik. Was befähigt ausgerechnet Sie zum Superstar?

Schwer zu sagen. Kann man mich zu den Superstars zählen? Vielleicht. Aber was heißt das? Nach welchen Kriterien wäre ich ein Superstar? Nein, mit derlei Fragen beschäftige ich mich nicht. Ich hatte einen großen Start und habe ordentlich Karriere gemacht, das kann man wohl sagen. Ich denke auch, dass ich noch berühmter bin als vor zehn Jahren. Vor allem aber: Ich bin glücklich mit dem, der ich heute bin. Es ist noch Luft nach oben. Das ist das Wichtigste. Egal, ob Star oder Superstar oder gar kein Star: Hauptsache, es geht vorwärts, aufwärts. Hauptsache, man verbessert sich.

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