Statistiken und Fehlschlüsse Warum Pferde am liebsten Mädchen beißen

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Die Falle der "Scheinkorrelation"

Nicht anders ist es auch beim Umgang mit Statistiken. Der Unterschied ist nur, dass ungeübte Nutzer oft irrtümlicherweise glauben, sie könnten sie lesen, weil sie Zeichen verwenden, die man aus anderen Zusammenhängen kennt, nämlich Zahlen und Buchstaben. Jemand, der das Alphabet nicht beherrscht, macht sich dagegen über seine Fähigkeit, einen Abenteuerroman zu lesen, meist keine Illusionen. Statistiken erzählen Geschichten, erzeugen Vorstellungswelten, die nicht weniger lebendig – und darüber hinaus wesentlich realer – sind als die, die durch die Lektüre von Harry-Potter-Büchern im Hinterkopf des Lesers entstehen. Doch sie sind nur zugänglich, wenn man Statistiken lesen lernt, wie man einst das ABC lernen musste.

Unfreiwillige Komik

Fehlinterpretationen von Statistiken können gelegentlich eine charmante unfreiwillige Komik entfalten, wobei ihnen in den allermeisten Fällen einer von nur drei Denkfehlern zugrunde liegt. Dazu drei Beispiele, für jeden Denkfehler eines:

Im „Hamburger Abendblatt“ erschien einmal der folgende Artikel: „Hunde beißen am liebsten Männer, Katzen bevorzugen ältere Frauen und Pferde Mädchen. Das fand Eilif Dahl von der norwegischen Ärztevereinigung heraus. Er untersuchte anhand von 1051 Fällen in einer Osloer Klinik das Beißverhalten der Tiere.“

Diese Mythen ranken sich um unser Hirn
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Hier ist der Redakteur offensichtlich auf eine sogenannte „Scheinkorrelation“ hereingefallen: Wenn zwei Dinge gleichzeitig geschehen oder die sonst wie statistisch miteinander zusammenhängen, neigt man dazu, sie als Ursache und Wirkung zu interpretieren. Doch das kann ein Irrtum sein.

Oft gibt es einen Faktor im Hintergrund, der den Zusammenhang leicht erklärt, wie in diesem Fall die Vorlieben der Tierhalter: Wen sonst soll ein Pferd denn beißen als pubertierende Mädchen? Andere Menschen dürften höchst selten in die Reichweite seiner Zähne kommen.

Man kann das Phänomen auch mit einem alten Witz erklären: Ein Mann geht eine Straße entlang. Alle drei Schritte macht er einen Luftsprung und klatscht in die Hände. Ein Passant sieht dies und fragt: „Warum tun Sie das?“ Die Antwort: „Um die Krokodile fernzuhalten.“ „Aber es gibt hier doch gar keine Krokodile.“ „Na bitte, da haben Sie’s!“

Das zweite Beispiel: Der Bayerische Rundfunk meldete: „Wer meint, eine Zigarette beruhige die Nerven, wird überrascht sein. Denn gerade Raucher sind offenbar besonders anfällig für Panikattacken. Das haben Wissenschaftler in Detroit und an der Columbia-University in New York belegt. Sie befragten über 5000 Personen nach Anzeichen für Panikattacken (...).

Das Ergebnis: Für Menschen, die täglich zur Zigarette greifen, ist das Risiko, in Panik zu geraten, zwei bis dreimal höher als für Nichtraucher. Grund dafür könnten noch unbekannte Wirkungen des Nikotins auf Prozesse im Gehirn sein.“

Es spricht einiges dafür, dass hier Ursache und Wirkung vertauscht wurden. Man muss nur Ursache und Wirkung in Gedanken einmal probehalber umdrehen, dann verwandelt sich die vermeintliche Sensation in die banale Meldung, dass Hektiker häufiger zur Zigarette greifen als innerlich ruhige Menschen. Es mag es ja sein, dass Zigarettenrauch nervös macht, doch zumindest braucht man keine Verweise auf rätselhafte, bisher unbekannte Wirkungen des Nikotins, um den Zusammenhang zwischen Rauchen und Nervosität leicht zu erklären. Der Pionier der Umfrageforschung Elmo Roper hätte gesagt: „Sie meinen also, weil die Grillen zirpen, geht die Sonne unter?“

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