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Stephans Spitzen

Gleichheit gibt es nicht

Cora Stephan Politikwissenschaftlerin

Überall soll es gleich – und damit angeblich gerecht – zugehen. Vor allem zwischen Mann und Frau. Es wird Zeit, sich von diesem illusionären Ziel zu verabschieden.

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Ein Graffiti in West Belfast fordert

Manchmal frage ich mich, warum über soziale Phänomene nicht phantasievoller diskutiert wird. Weltweit ändern sich die Lebensbedingungen, meistens, obzwar nicht überall zum Besseren, doch stets unterliegt die gute Botschaft der Klage. Warnten die üblichen Verdächtigen früher vor einer Übervölkerung, raunt man heute vom Aussterben (der Deutschen). Fürchtete man sich einst vor einer neuen Eiszeit, hat man heute Angst vor einer Klimaerwärmung. Darf sich nichts ändern, ohne dass der Apokalypso ertönt?

Und muss alles über einen Kamm geschoren werden? Denn es darf sich nicht nur nichts ändern, es soll auch überall gleich und gerecht zugehen, worum sich die Europäische Union seit Jahrzehnten mit mäßigem Erfolg bemüht: gleiche Lebensbedingungen für Stadt und Land, für Griechenland und Deutschland. Für Menschen und Verhältnisse, die nicht nur zu ihrem Nachteil unterschiedlich sind. Doch Unterschiede stören.

Das gilt erst recht für das Verhältnis zwischen Männern und Frauen.

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Frauenbewegte Menschen, die einen Lohnunterschied zwischen Mann und Frau von über 20 % behaupten, was in der Tat ungerecht wäre, und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ schmettern, vergessen notorisch, gewünschte Ungleichheiten einzubeziehen: Frauen haben andere Karriereziele als Männer, arbeiten weit öfter in Teilzeit oder ziehen Berufe vor, in denen ihr Wissen nicht so schnell veraltet – das erleichtert den mehrjährigen Ausstieg. Bereinigt bleibt hier und da ein „gender gap“ von um die 5 %. Der aber betrifft vor allem Frauen, die Kinder haben oder bekommen möchten und die dafür auch Zeit haben wollen.

Der Versuch, ausgerechnet hier Gleichheit herzustellen (oder zu behaupten), hat sich als untauglich erwiesen. Frauen können sich heutzutage und hierzulande frei für oder gegen etwas entscheiden – und siehe da: sie entscheiden sich immer noch oder erst recht anders als Männer. Der „Spagat“ zwischen Karriere und Kindern ist bei Frauen weit weniger beliebt, als im Wirtschaftsteil von Zeitungen behauptet wird. Auch deshalb ziehen sie Teilzeit vor – und Berufe, in denen die Rückkehr leichter ist als in ausgesprochenen Karrierejobs.

Wo in den USA Frauen besonders umworben werden, bietet man ihnen neuerdings „social freezing“ an, also das Einfrieren ihrer Eizellen, damit das Kinderkriegen auch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann. Gut möglich, dass der Nachwuchs irgendwann auch ganz ohne Schwangerschaft entstehen wird. Naheliegender (und weniger beängstigend) aber wäre eine andere Strategie: die Revolutionierung der Lebensplanung. Also erst Kinder – und dann Karriere.

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