Stress im Job Haare, Fettverteilung, Blutdruck: Wie uns Stress schadet

Chronischer Stress lässt uns schneller altern – und kann dazu führen, dass Alterserkrankungen früher einsetzen. Quelle: imago images

Wie Berufstätige durch Stress krank werden und altern: Die wichtigsten Fragen und Antworten von Medizinern und Forschern zu Dauerbelastung, was sie mit unserem Körper macht – und was wir dagegen tun können.

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Der Beruf ist auch 2021 kaum überraschend der Top-Stressverursacher der Deutschen. Jede vierte Person fühlt sich häufig gestresst. Das ist das Ergebnis der Stressstudie 2021 der Technischen Krankenkasse. Psychische Erkrankungen landen seit Jahren auf dem Spitzenplatz der Gründe für Fehlzeiten von Erwerbstätigen. Vor allem chronischer Stress schadet laut Experten. Was Stress im Detail mit uns anstellt, wie er uns älter und krank machen kann, erklären ein Endokrinologe, ein Psychologe und zwei Alternsforscher. Und sie wissen auch, was wir gegen Stress tun können.

Das wichtigste zuerst: Was ist Stress?

Das Telefon klingelt. Ein Kollege bittet per Mail um schnelle Rückmeldung zu einer Frage eines wichtigen Kunden. Doch Sie stecken noch in einer Online-Konferenz fest, deren Dauer längst überzogen ist. Eigentlich müssten Sie gleich los, die Tochter vom Kindergarten abholen. Sind wir gestresst, wirken starke Reize auf uns ein – eine Art Bedrohungssituation entsteht. Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers, um eine Belastungssituation zu bewältigen.

Was passiert im Körper, wenn wir Stress haben?

Bei Stress schaltet der Körper in den Modus „Kampf oder Flucht“ und reagiert entsprechend: Der Herzschlag steigt, die Blutgefäße weiten sich. Der Blutzucker geht nach oben, der Körper häuft Energie an. Die Atmung wird schneller, mehr Sauerstoff strömt durch den Körper. Die Blutgerinnung verbessert sich – für den Fall, dass man sich im Kampf verletzt. Äußerlich weiten sich die Pupillen, wir fangen an zu schwitzen. Die „Kunst“ sei es, mit dieser Erregung im Körper klarzukommen. „Schnappatmung, Schweißausbrüche oder Übelkeit in Stresssituationen sind klare Symptome einer übersteigerten Stressreaktion“, sagt Markus Heinrichs. Der Psychotherapeut und Neurowissenschaftler ist Professor für Psychologie leitet die Ambulanz für stressbedingte Erkrankungen an der Universität Freiburg.

Acht Tipps zum Stressabbau

Welche Rolle spielen dabei Stresshormone?

Hormone sind Vermittler der Stressreaktion, erklärt Jörg Bojunga, der den Bereich Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt leitet. Die wichtigsten Stresshormone sind Cortisol und Adrenalin. Sie fluten den Körper. Was sich die Natur ausgedacht hat, sei eigentlich genial. „Die Tücke ist, dass unsere evolutionäre Stressreaktion nicht mit den Situationen, in denen wir heute Stress haben, zusammenpassen. Sie sollen reagieren, wenn Sie einen Löwen in der Steppe sehen. Dann sollen Sie losrennen oder kämpfen“, sagt Bojunga. „Beides passt aber nicht, wenn Sie am Schreibtisch sitzen.“ Bei Dauerstress kann das Hormonsystem entgleisen, die Folge können Erkrankungen sein.

Welche Symptome hat Stress, welche Krankheiten kann er auslösen?

Dauerstress kann sich ungünstig auf die Gesundheit auswirken. Häufige Folgen sind laut Bojunga Bluthochdruck, hoher Blutzucker oder Übergewicht, aber auch sexuelle Unlust, Erschöpfungsgefühle und depressive Episoden. „Eine typische Risikogruppe sind Männer Mitte 30 an der Börse, die dauerhaft unter enormem Stress stehen. Bei vielen liegen schädlich hohe Blutdruckwerte vor, ohne dass die Betroffenen überhaupt davon wissen“, sagt Bojunga. Er selbst behandele häufig Managerinnen und Manager. Markus Heinrichs erklärt, dass Patienten häufig orthopädische Beschwerden haben, die mit dem Stress zusammenhängen: Schmerzen in Schulter, Nacken oder Rücken beispielsweise. Auch Spannungskopfschmerzen oder Schlafstörungen können auftreten.

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von Niklas Dummer

Welche Folgen hat zu viel Stress noch für unseren Körper?

Ein ständig hoher Spiegel von Adrenalin und Cortisol bewirke, dass Menschen Fett einlagern. Zudem kann es zu Fettverteilungsstörungen kommen, erklärt Bojunga. Gefährlich ist eine spezielle Art von Fett: das sogenannte viszerale Fett, also hormonaktives Bauchfett. „Das sind typischerweise Männer, die von hinten normal aussehen, aber dann einen stark vorgewölbten Bauch haben.“ Dieses Fett erhöhe die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark. Der Bauchumfang sei daher eine wichtige Messgröße, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen festzustellen – besser geeignet als das Gewicht. Auch Haare reagierten sensibel auf Stress. Haarausfall sei einer der Hauptgründe für Frauen, einen Endokrinologen aufzusuchen. Dass Stress die Ursache für graue Haare ist, habe man allerdings nicht sicher nachweisen können, sagt Bojunga.

Zusammengefasst sind häufige Folgen von Stress:

  • Bluthochdruck
  • hoher Blutzucker
  • Übergewicht
  • Fettverteilungsstörungen
  • Haarausfall
  • Schlafstörungen
  • sexuelle Unlust
  • Erschöpfungsgefühle
  • depressive Episoden
  • Schmerzen in Schulter, Nacken oder Rücken
  • Spannungskopfschmerzen

Lässt uns Stress schneller altern?


Kurz gesagt: Ja. „Man weiß, dass vor allem chronischer Stress bei Menschen die Lebensspanne verkürzt und dass sie früher typische Alterskrankheiten entwickeln“, erklärt Arne Sahm, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Alternsforschung. Dabei sei der Stress ausschlaggebend, der sich über die gesamte Lebensspanne ansammele, und nicht der gegenwärtige Stress. Gerade wenn Stress schon früh in einem Leben einsetzt, könne das die biologische Uhr nach vorne drehen. So entwickelten Menschen dann schneller Alterskrankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Im Schnitt könnten Menschen zwei Jahre Lebenszeit durch Dauerstress verlieren.

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Alterung durch Stress: Was hat es mit dem „Inflammaging“ auf sich?

Ein wichtiges Themengebiet, mit dem sich Sahm beschäftigt, ist die Entzündungsalterung, auch „Inflammaging“ genannt. „Diese leichte chronische Entzündung ist die Drehscheibe für den Alternsprozess“, sagt Sahm. Um diese Prozesse besser zu verstehen, beobachtet Sahm in seiner Forschungsarbeit Graumulle. Die kleinen, unterirdisch lebenden Nagetiere teilen sich in zwei Gesellschaftsgruppen: eine royale Kaste an der Spitze – und eine Arbeiterkaste am Boden der Hierarchie. Letztere Gruppe wird nur halb so alt wie die „Königskaste“, berichtet Sahm. Die Arbeiter, sagt er, hätten chronischen Stress – und eine geringere Knochendichte und mehr Gewicht. Denn: Die Entzündungsalterung begünstige Botenstoffe wie Zytokine. Die sind eigentlich dafür da, Krankheitserreger plattzumachen. Sind diese Entzündungen durch chronischen Stress dauerhaft im Körper, kann es sein, dass sie die eigenen Zellen angreifen und es so zu einer Art Negativspirale kommt. Vereinfacht kann man sagen: Chronischer Stress zerstört DNA und andere Komponenten, was Biomarker des Alterns hochtreibt – beispielsweise verkürzt er auch die Schutzkappen der Chromosomen, die sogenannten Telomere.



Wie tragen andere Faktoren wie zum Beispiel Mobbing zur Alterung durch Stress bei?

Christiane Frahm leitet am Uniklinikum Jena die Arbeitsgruppe Alterung und Plastizität, die im Bereich Neurologie angesiedelt ist. Sie hat anhand von Tests mit Mäusen herausgefunden, dass soziale Isolation negative Effekte auf die kognitiven Fähigkeiten hat. Andere Studien hätten gezeigt: Mäuse, die von ihren Artgenossen unterdrückt werden oder Aggression erfahren, haben eine deutlich kürzere Lebensspanne. Mit Blick auf das Berufsleben lassen sich daraus durchaus Rückschlüsse ziehen auf Themen wie Führung und Unternehmenskultur, betont Frahm.

Wie kann man überhaupt das biologische Alter bestimmen?

Die sogenannte epigenetische Alterung ist „einer der präzisesten Biomarker des Alterns“, erklärt Frahm. Die Epigenetik ist das zugehörige Fachgebiet, das unter anderem erforscht, wie chronischer Stress die DNA modifiziert. Mithilfe von biochemischen Tests können Wissenschaftlerinnen auf dieser Altersuhr ablesen, wie schnell Menschen altern und wie hoch das biologische Alter ist.

Wie kann man Stress abbauen?

Bei Tests mit Mäusen sehe ihr Team auch, dass sich die Entzündungswerte speziell im Darm extrem nach unten regulieren, wenn sich die Nager im Laufrad bewegen, berichtet Forscherin Frahm. „Vor allem das Rennen hat die Entzündungsgene massiv gesenkt.“ Längst sei bekannt, dass vor allem moderater Sport dazu beiträgt, dass das Gehirn neue Neuronen bildet. Das gilt auch für ältere Menschen.

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Wie stark er die Entzündungsprozesse herunterregelt, sei eine noch neuere Erkenntnis. Auch Neurowissenschaftler Markus Heinrichs rät Gestressten zu Bewegung: „Mindestens drei Mal pro Woche Laufen, Schwimmen oder Fahrradfahren reicht aus und reduziert signifikant Stresshormone.“ Kardiotraining helfe, dass das „Erregungssystem besser reguliert werden kann.“ Außerdem sei erforscht, dass soziale Integration und Unterstützung extrem wirksam Stress abpuffern können. Netzwerke und Hobbys zu pflegen, macht also Spaß und hilft dabei, Stress abzubauen.

Zusammengefasst: Stress können Sie abbauen, indem Sie

  • moderat Sport treiben wie Laufen, Schwimmen oder Fahrradfahren,
  • Ihr soziales Netzwerk pflegen,
  • Ihren Hobbys nachgehen,
  • Entspannungs- und Achtsamkeitstechniken üben


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Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Mai 2022. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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