Strukturwandel Der Kohleausstieg könnte Arbeiter 155.000 Euro kosten

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Arbeitslosigkeit ist nicht das größte Problem

„Viele sehen nur die Zahl der Arbeitsplatzverluste“, sagt Studienautor Luke Haywood. Was das für die Menschen im einzelnen bedeute, bleibe dabei oft im Unklaren. „Einen Job zu verlieren kann sehr schlimm sein, wenn man danach nichts findet. Es könnte aber auch sogar sein, dass man danach etwas Besseres findet.“

Die Kosten, die der Kohleausstieg den in der Branche beschäftigten Menschen bescheren würde, berechnen die Ökonomen um Luke Haywood wie folgt: Nach dem Ausstieg stünde für die meisten eine Phase der Arbeitslosigkeit an. In dieser Zeit liegt das Einkommen auf der Höhe des Arbeitslosengelds, also bei 60 bis 67 Prozent des letzten Nettogehalts. Wer danach außerhalb des Kohlesektors einen Job findet, könnte ebenfalls weniger verdienen als zuvor. Aus ihren Daten leiten die Ökonomen ab, dass ein Kohlearbeiter, der seinen Job verliert, arbeitslos wird und dann in einer anderen Branche wieder anfängt, durchschnittlich 27 Prozent weniger verdient als in seiner alten Tätigkeit. 

Außerdem könnte die Jobsicherheit geringer sein als zuvor, was ebenfalls mit Kosten verbunden sein könnte. Insgesamt entstünden so Wohlfahrtsverluste von etwa 155.000 Euro. Luke Haywood hat die Höhe der Schäden überrascht und auch die Ursache: „Es ist nicht die Arbeitslosigkeit, die Kosten in die Höhe treibt. Es ist die Tatsache, dass die Menschen einen Job finden, der weniger gut bezahlt ist und weniger sicher.“

Zusätzliches Angebot für Jüngere

Die Politik hat bereits eine Lösung dafür. Das sogenannte Anpassungsgeld, das schon beim Ende des Steinkohlebergbaus den Strukturwandel abfedern sollte. Es steht Arbeitern zu, die älter sind als 58 Jahre und kommt einer Frühverrentung nahe. „Die Bedingungen des Anpassungsgelds sind großzügig, aber den jüngeren Arbeitnehmer in der Kohlebranche hilft es nicht“, sagt Haywood. Gerade wenn eine Beschleunigung des Kohleausstiegs anstünde, seien noch mehr jüngere Menschen betroffen. Die Forscher halten deshalb ein zusätzliches Angebot für sinnvoll. 

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Ihr Vorschlag: Verliert ein Kohlearbeiter seinen Job und findet eine schlechter bezahlte neue Stelle, übernimmt der Staat für fünf Jahre die Lohndifferenz. Diese Entgeltsicherung würde die Verluste, die ein einzelner Arbeiter erleidet, um 90 Prozent reduzieren. Außerdem würden mehr Fachkräfte im Arbeitsmarkt bleiben, statt sie aufs Abstellgleis zu schicken. Ob sie damit bei der Ampelkoalition, die den Kohleausstieg vorbereitet, noch auf offene Ohren stoßen werden, kann Luke Haywood nicht einschätzen.

Für die Zukunft könnte das Konzept aber noch nützlich sein. Denn eines sei sicher, so Haywood: „Es wird auch noch weitere Industriezweige geben, die vom Strukturwandel betroffen werden.“

Mehr zum Thema: Ende 2022 werden die letzten deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet. Auf Deutschland kommt ein energiepolitischer Stresstest zu.

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