Man kann Robert Habeck nicht vorwerfen, er würde die Herausforderungen des Klimaschutzes kleinreden. „Gigantisch“ sei die Aufgabe, die vor ihm liegt, „mega ambitioniert“ die Lösungen, die er dazu erdacht hat, sagte er gerade vor der Bundespressekonferenz, als er seine Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz vorstellte.
Diese fiel zum Start recht bescheiden aus: Die bisherigen Maßnahmen? In allen Sektoren unzureichend. Die Klimaziele für 2022 und 2023? Sind schon jetzt kaum erreichbar. Was jetzt nötig ist? Die „Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen“, fordert Habeck, damit die deutsche Wirtschaft bis 2045 wirklich klimaneutral wird.
Bei der großen grünen Beschleunigung gibt es allerdings ein paar Hürden, zum Beispiel „individuelle Betroffenheiten“, wie Habeck es ausdrückt. Damit meint er die Menschen, die durch seine Pläne nicht besser, sondern erst einmal schlechter gestellt werden. Und der Klimaminister hat auch ein prägnantes Beispiel parat: „Immer dann, wenn Windkraftanlagen oder Stromtrassen gebaut werden, sagen Leute: Aber bitte nicht da, da gehe ich sonntags immer spazieren mit meinem Waldi.“ Während sich das Herrchen von Waldi aber noch für eine andere Gassiroute erwärmen lassen könnte, haben andere Betroffene mit tiefgreifenden Veränderungen zu kämpfen. Zum Beispiel die Angestellten in der Kohleindustrie.
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Eine neue Studie der Ökonomen Luke Haywood vom Berliner Mercator Forschungsinstitut für globale Gemeingüter und Klimawandel und Markus Janser und Nicolas Koch vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, wie die Kohlearbeiter von den beschleunigten Kohleausstiegsplänen getroffen werden – und wie ihre persönlichen Schäden gelindert werden könnten. So würde ein sofortiger Stopp des Kohleabbaus jeden Beschäftigten 155.000 Euro kosten – etwa sechs Jahresgehälter. Mit der richtigen politischen Intervention könnten 90 Prozent dieser Verluste aber abgefedert werden.
Karrieren von knapp 12.000 Arbeitern betroffen
Die Forscher greifen für ihre Analyse auf Erwerbsbiografien von Menschen zurück, die zwischen 1975 und 2017 im Kohlesektor tätig waren. Dabei interessieren sie sich vor allem dafür, ob sie einen Jobverlust erlitten haben und wie er sich individuell bemerkbar gemacht hat: Wie lange war ein ehemaliger Kohlearbeiter arbeitslos? Verdiente er in einem anschließenden Job ähnlich viel wie zuvor? Und war sein neuer Job ähnlich sicher?
Daraus bauten sie ein Modell, um die Karriereverläufe der heute noch knapp 12.000 Menschen zu berechnen, die in der Kohleindustrie arbeiten und deren Jobs in den nächsten zehn bis 20 Jahren verloren gehen. Vor allem betrifft ihre Analyse die Arbeiter im Braunkohleabbau. Während Steinkohle bereits seit 2018 nicht mehr aus unterirdischen Flözen gefördert wird, sind die Braunkohletagebaue weiterhin aktiv. Das Verfeuern des Brennstoffs zur Energieerzeugung stößt große Mengen Kohlenstoffdioxid aus. Eine Praxis, die laut Koalitionsvertrag „idealerweise“ 2030 ein Ende finden wird.