Tim Bendzko „Plan B ist eine Ausrede“

Der Sänger Tim Bendzko veröffentlicht sein drittes Album. Er spricht über sein Erfolgsrezept, was er sich vom ersten Vorschuss gönnte und warum er beim Wort Finanzexperte Gänsehaut bekommt.

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Die Superlative des Musik-Streamings
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Herr Bendzko, erfolgreiche Menschen werden immer nach ihrem Erfolgsrezept gefragt. Schießen Sie los.
Tim Bendzko: Mein Erfolgsrezept ist, das ich keines habe. Ich will nicht wissen, wie man den perfekten Song schreibt. Für mich ist Musik dann gut und erfolgreich, wenn ich dem Musiker jedes Wort glaube. Das war auch die Prämisse meines neuen Albums: es so zu machen, wie ich es für richtig halte.

Kritiker behaupten, dass Ihr zweites Album kommerziell gefloppt sei ...
Lustig, oder? Dabei war es eines der erfolgreichsten Alben 2013. Man wird in den vergangenen zehn Jahren nicht so viele Alben finden, denen das gelungen ist. Was lernt man daraus? Was andere Leute als Misserfolg werten, muss einem irgendwann egal sein.

Und wie gehen Sie mit Schulterklopfern um?
Ähnlich. Wichtig ist, dass man Erfolg für sich selbst definiert. Wenn einem 100 Leute auf die Schulter klopfen und man von 100 Leuten gesagt bekommt, dass man nichts kann, muss das gleichsam wertlos sein. Entscheidend ist, ob man selbst zufrieden ist.

Das dritte Album gilt für Musiker oft als richtungsweisend. Macht Sie das nervös?
„Immer noch Mensch“ ist das Album, welches am Ende definiert, was ich kann. Deswegen bin ich auch verhältnismäßig entspannt, weil ich weiß: Ich habe die bestmögliche Leistung abgeliefert. Wenn das nicht funktioniert, dann ist es bitter, aber ich kann es nicht besser.

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Wann stand für Sie fest, dass Sie Musiker werden wollen?
Das wollte ich eigentlich schon immer. So richtig los ging es bei mir allerdings erst im Jahr 2009, als ich einer von 14 Gewinnern eines Gesangswettbewerbs wurde. Das war für mich ein ganz entscheidender Punkt, weil ich da auf der Berliner Waldbühne stand und für mich die Frage final beantworten konnte, ob ich nun Musik mache, weil die Leute klatschen oder weil ich das innere Bedürfnis danach habe.

Fühlten Sie sich vor 22.000 Zuschauern sofort in Ihrem Element?
Ganz im Gegenteil. Als ich auf die Bühne kam, hat mir das zunächst einen riesigen Respekt eingejagt.

Wie ging es danach weiter?
Der Auftritt hat mir zunächst mal gar nichts weiter eingebracht außer der Erkenntnis, mich komplett auf die Musik konzentrieren zu wollen. Kurze Zeit später erkrankte ich an einer Stimmbandentzündung. Ich hatte damals noch einen festen Job als Auto-Auktionator.

Wie kamen Sie denn daran?
Ein Freund arbeitete in einem Auto-Auktionshaus. Für die Musik war es damals noch zu früh, und eine Ausbildung oder ein anderes Studium zu beginnen hatte nicht so richtig Sinn. Also habe ich angefangen, als Aushilfe in dem Auktionshaus zu arbeiten. Nach etwa zwei Monaten hat es mich derart gelangweilt, Autos hin- und herzufahren, dass ich meinen Chef gefragt habe, ob ich denn nicht auch auktionieren könnte. Nach ein paar Monaten Training stand ich auf dem Podium und habe auktioniert.

Da ist eine Stimmbandentzündung natürlich schlecht ...
Ich sah sie als Signal, mit meinem Job aufzuhören, weil ich mir sonst durch das viele Sprechen auf den Auktionen meine Stimmbänder ruiniert hätte. Also kündigte ich, um mich auf Musik zu konzentrieren.

Ganz schön mutig.
Genauso war es. Absurderweise stand ich gerade vor einer Gehaltserhöhung, als ich die Kündigung einreichte. Meine Mutter dachte, ich sei total übergeschnappt. Aber eigentlich war es für meine Familie keine große Überraschung, die wusste, dass ich schon immer Profimusiker werden wollte.

Vorschuss für hochwertiges Essen

Hat das Überwindung gekostet?
Nicht wirklich. Ich war damals 24, hatte keinerlei Verpflichtungen, keine Kinder. Das Risiko war also überschaubar. Wäre ich damals zweifacher Vater gewesen, hätte ich meinen Job niemals gekündigt.

Wie hat Ihr Chef reagiert?
Grandios, wirklich. Ich erklärte ihm, dass ich das mit der Musik jetzt einfach machen muss. Das fand der so stark, dass er mir anbot, wieder einsteigen zu können, sollte es mit der Musikkarriere nicht funktionieren.

Klingt nach einem guten Plan B.
Wenn man als Künstler Erfolg haben möchte, darf es keinen Plan B geben. Plan B ist nichts anderes als eine Ausrede. Das Fatale an einem Plan B ist, dass du früher oder später bei ihm landen wirst. Mal abgesehen davon: Mein Ego hätte es natürlich niemals verkraftet, bei meinem Exchef wieder auf der Matte zu stehen, um in meinen alten Job zurückzukehren. Zum Glück musste ich auf das Angebot nie zurückgreifen. Nur ein paar Monate später unterschrieb ich meinen ersten Plattenvertrag, danach ging dann alles ziemlich schnell.

Was haben Sie sich von dem ersten Vorschuss Ihrer Plattenfirma gegönnt?
Nichts. Mit dem ersten Vorschuss habe ich meine Platte produziert. Es ist eine unendliche Geschichte mit den Vorschüssen. Kaum erhält man sie, geht der Großteil auch wieder fürs nächste Album drauf.

Wofür geben Sie gerne Geld aus?
Für qualitativ hochwertiges Essen. Ich esse einfach gerne gesund und würde es niemals vor mir selbst rechtfertigen können, irgendwann im Krankenhaus zu landen, weil ich mit meiner Gesundheit herumgeschludert habe. Ich kann nur Höchstleistung in meinen Beruf erbringen, wenn ich körperlich topfit bin, vernünftig mit mir und meinem Wohlbefinden umgehe. Aus diesem Grund rauche ich nicht und nehme keine Drogen, weil das alles Dinge sind, die irgendwann zurückkommen.

Gehen Sie auch genauso vernünftig mit Ihrem Geld um?
Im Großen bin ich weitsichtig, im Kleinen aber genauso unvernünftig. Ich würde mir niemals spontan ein Auto kaufen. Meine bisher größte Anschaffung ist geradezu lächerlich im Vergleich zu dem, wofür manch ein Profisportler sein Geld ausgibt.

Protzige Autos zum Beispiel. Welches Auto fahren Sie?
Ich besitze kein Auto, das ist für mich auch kein Statussymbol. Ich würde mich einfach nicht gut dabei fühlen, 100.000 Euro für ein Auto auszugeben. Das kriege ich nicht übers Herz, dafür bin ich dann doch zu sehr Ossi (lacht).

Wann geht Ihnen das Geld denn locker aus der Hand?
Wenn ich heute beschließen sollte, das mein iPhone silber und nicht mehr schwarz sein soll, hält mich nichts auf. Dann kaufe ich mir das einfach. Bis zu einer gewissen Grenze sind solche Ausgaben ja auch in Ordnung. Ich finde es genauso komisch, wenn man bei einem guten Einkommen bei allem knauserig ist. Manchmal macht es einfach Spaß, Geld für dumme Sachen auszugeben.

Werkstatt statt 4000-Quadratmeter-Neubau-Palast

Sie sind kürzlich aus Berlin ins Umland in ein Haus gezogen. War das die große Anschaffung, von der Sie eben sprachen?
Ja, mein kleines Häuschen am Stadtrand. Aber das habe ich mir auch mit Bedacht angeschafft. Es ist kein 4000-Quadratmeter-Neubau-Palast. Ich brauchte, wie Peter Maffay sagen würde, eine Werkstatt, um dort meiner Arbeit in einem eigenen Studio nachkommen zu können. Das wäre in einer Stadtwohnung kaum möglich gewesen, wo einem gleich die Nachbarn auf der Matte stehen, sobald wir loslegen zu spielen. Das Haus wollte ich mir gönnen, weil es auch eine sinnvolle Investition ist. Da war mir das Risiko egal, Kredite eventuell nicht mehr bedienen zu können. Dann müsste ich es wieder verkaufen, davon hängt nicht mein Leben ab.

Investieren Sie Ihr Geld auch jenseits der Musik?
Nein. Ich halte es da mit dem Spruch: Schuster bleib bei deinem Leisten. Erfolgreiche Investitionen setzen Expertise voraus. Wenn ich hauptberuflich als Musiker arbeite, investiere ich nicht nebenbei in weitere Geschäftsfelder. Wenn, dann will ich mich da voll reinhängen.

Sie lassen sich bei Ihren Investitionen nicht von Experten beraten?
Wenn ich das Wort Experte höre, bekomme ich schon eine Gänsehaut. Ich würde niemals irgendwelchen Finanzexperten oder Aktienberatern einfach so mein Geld anvertrauen.

Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Einnahmen wegen der Streamingdienste zurückgehen?
Dass es die Dienste gibt, ist prinzipiell nicht schlecht, vor allem für Konsumenten. Schwierig finde ich es, wenn suggeriert wird, dass Musik keinen Wert hat. Denn dahinter stecken Menschen, die davon leben müssen.

Dass neue Unternehmen alte Systeme umkrempeln, ist aber nichts Neues.
Nein, aber die Entwicklung in der Musikbranche ist schon besonders. Hochdefizitäre Streamingdienste bestimmen das Marktgeschehen und speisen die Musiker mit lächerlichen Beträgen ab. Das ist doch absurd. Die Einnahmen durch Streaming rechnen sich für einen Musiker erst ab einem absurd hohen Level.

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Klingt so, als müsste man als Künstler gleichzeitig auch ein Unternehmer sein, um über die Runden zu kommen.
Das ist ja gewissermaßen die bipolare Störung eines Musikers. Sich von dem Gedanken lösen zu können, ein Unternehmer zu sein – weil er erst dadurch einer sein kann. Da sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Kann man Erfolg berechnen? Ich bin der festen Überzeugung: Ein Musiker kann nur dann Erfolg haben, wenn er eben nicht wie ein Unternehmer denkt.

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