Einmal im Jahr ist es soweit: Der Chef bittet zum Mitarbeitergespräch. Häufig finden diese Gespräche zum Ende oder Beginn eines Jahres statt. Inhalt und Ablauf der Gespräche sind ähnlich – egal ob beim kleinen Handwerksbetrieb oder dem Dax-Konzern: Der Chef bewertet die Leistung des jeweiligen Mitarbeiters, benotet vielleicht sogar, fragt nach der persönlichen Jahresbilanz und legt mit dem Delinquenten Ziele für das neue Jahr fest.
Verknüpft vielleicht individuelle Belohnungen an deren Erfüllung: Wenn du dies erreichst, bekommst du das.
Diese Praxis ist üblich in der deutschen Wirtschaft, auch wenn sich mehr und mehr Firmen davon verabschieden. „Das klassische Mitarbeitergespräch ist ein sehr starres System der Personalführung ohne kontinuierliche Interaktion“, sagt beispielsweise SAP-Personalchef Stefan Ries. Der Konzern hat die interne Vorgabe zum Jahresgespräch deswegen gestrichen und stattdessen ein System eingeführt, in dem sich Beschäftigter und Chef ständig austauschen - und zwar ohne Noten. Statt Mammut-Pflichtgespräch nun Feedback-Häppchen.
Häufige Fehler von Vorgesetzten (aus "Mitarbeitergespräche" von W. Mentzel, S. Grotzfeld und C. Haub)
Das Gespräch findet unter Zeitdruck und Hektik statt.
Der Vorgesetzte tritt auf unnötige Weise überheblich auf.
Arbeitsaufträge werden nicht klar definiert und mitgeteilt.
Bei Änderungen kann der Mitarbeiter nicht ausreichend mitreden.
Auf einer unsachlichen Ebene werden nur negative Aspekte beleuchtet.
Ein Beispiel: Geht ein Vertriebler zum Kunden, kann er danach über das Netzwerk vom Treffen berichten. Sein Chef kann darauf antworten, ob mit Lob, Kritik oder Tipps. Wann interagiert wird, wird nicht vorgeschrieben - „das soll individuell gelebt werden“, so Ries. Und auch normale Treffen soll es geben, ohne Zwang und ohne Noten. Nur einmal im Jahr ein Feedback zu haben, sei zu wenig, zumal solche Konversationen oft unpräzise seien - weil man sich bisweilen kaum erinnere, was vor acht oder zehn Monaten gemacht wurde, sagt Ries.
Auch anderen IT-Konzernen ist ein Einmal-pro-Jahr-Treffen zu wenig. Hewlett Packard Enterprise (HPE) beispielsweise setzt auf Quartalsgespräche als Mindestvorgabe, kürzere Intervalle sind möglich. „Die Häufigkeit des Feedbacks ist situationsbedingt unterschiedlich und hängt unter anderem ab vom jeweiligen Reifegrad des Mitarbeiters, von der Art der Aufgabe oder der jeweiligen Projektphase“, sagt HPE-Personaler Ernst Reichart.
Was Mitarbeiter im Gespräch mit ihrem Vorgesetzten in jedem Fall beachten sollten
Informieren Sie sich vorab im Leitfaden Ihres Unternehmens über Zweck und Struktur des Jahresgesprächs. Die meisten Unternehmen haben einen solchen Leitfaden im Intranet. In manch einer schwierigen Konfliktsituation hilft ein dezenter Verweis darauf. Und generell: Bereiten Sie schlagende Argumente vor, wenn Sie eine Gehaltserhöhung oder neue Aufgaben anstreben. Wenn Sie Kritik äußern wollen oder der Chef dazu sogar auffordert: Loben Sie zuerst, kritisieren Sie allenfalls diplomatisch.
Machen Sie deutlich, was sie gerne tun (wollen), und warum davon auch der Chef und das gesamte Unternehmen profitiert. Und vermitteln Sie dem Chef vor allem Ihre Loyalität. Er will hören, dass Sie hinter seinen Zielen stehen.
Beeindrucken Sie Ihren Chef nicht nur mit den Leistungen der Vergangenheit. Machen Sie Vorschläge, verkünden Sie neue Ideen. Am besten bevor Sie der Chef selbst danach fragt.
In ein Mitarbeitergespräch sollten Sie stets auf gleicher Augenhöhe gehen, nicht als Bittsteller oder Lehrling (es sei denn Sie sind wirklich noch in der Ausbildung). Sie erbringen Leistungen und wollen dafür angemessen entlohnt und behandelt werden.
Atmen Sie vor der Tür noch einmal tief durch und lassen Sie Wut und Frust draußen. Bleiben Sie bei sachlichen Argumenten. Gebrüll wird Ihre Position nicht stärken.
Durch die Globalisierung, das Internet und andere technologische Möglichkeiten würden Arbeitsabläufe beschleunigt und Geschäftsmodelle veränderten sich radikal, sagt Katharina Heuer von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. Daher gebe es einen Trend weg vom klassischen jährlichen Mitarbeitergespräch. „Einmal festgelegte Ziele für den Mitarbeiter für ein ganzes Jahr nützen nichts, wenn sich das Geschäft in diesem Zeitraum viel schneller entwickelt.“ Trotzdem ist das Jahresgespräch noch nicht tot. Elke Eller vom Bundesverband der Personalmanager bewertet es als „wichtiges Instrument der Personalführung“ – vorausgesetzt, es wird richtig gemacht. Und Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim sagt: „Es hat auch gute Seiten, dass Führungskräfte – auch die schlechten – einmal im Jahr gezwungen sind, Themen systematisch und dokumentiert zu besprechen.“
Bereiten Sie sich rechtzeitig vor
Für Systematik und Dokumentation ist allerdings nicht nur der Vorgesetzte zuständig. Auch Mitarbeiter sollten die Gespräche vorbereiten. Denn gefragt ist ein Dialog von beiden Parteien, kein Vortrag vom Chef.
Die perfekte Vorbereitung beginnt deshalb – auch wenn das Gespräch im Dezember stattfindet – schon im Januar.
Mitarbeiter sollten über das ganze Jahr hinweg notieren, wann immer im Job etwas besonders gut oder schlecht läuft. Im Dezember erinnert sich schließlich niemand mehr an alle Einzelheiten eines Projektes aus dem Februar. Ein Protokoll sorgt außerdem dafür, dass Mitarbeiter konkrete Beispiele nennen können und sich nicht in Verallgemeinerungen – „immer muss ich“, „nie machen die Kollegen“ - zu verlieren.
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Fordern Sie den Angestellten nicht spontan zum Gespräch, sondern kündigen Sie den Termin am besten mehrere Wochen vorher per E-Mail an. Um die Vorbereitung zu erleichtern, können Sie im Voraus einen Gesprächsleitfaden verschicken.
Faustregel: Nehmen Sie sich mindestens eine Stunde Zeit, eher mehr. Dann haben Sie genug Zeit für ungeplante Aspekte. Sorgen Sie außerdem für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Das Telefon schalten Sie aus, die Bürotür schließen Sie.
Was hat der Mitarbeiter im vergangenen Jahr erreicht? Wo hätte er noch besser abschneiden können? Solche Fragen sollten Sie sich vorab beantworten und notieren. So haben Sie für das Gespräch eine Struktur.
Setzen Sie sich nicht gegenüber, denn dann neigt man eher zur Konfrontation. Besser und entspannter: Am Tisch im 90-Grad-Winkel zu einander.
Zunächst geht es um eine Bilanz. Wie gut hat der Mitarbeiter seine Ziele der vergangenen zwölf Monate erfüllt? Vergessen Sie nicht, ihn dafür zu loben. Äußern Sie aber auch deutlich, womit Sie nicht zufrieden waren – ohne den Mitarbeiter bloßzustellen. Bleiben Sie deshalb unbedingt sachlich.
Sie müssen dem Mitarbeiter einerseits verdeutlichen, wohin sich das Unternehmen im kommenden Jahr entwickeln soll – und andererseits, was er selbst dazu beitragen kann. Wie lassen sich seine Stärken ausbauen, und zwar so, dass der Betrieb davon profitiert?
Was soll der Mitarbeiter leisten – und vor allem: bis wann? Konkrete, individuelle, messbare Ziele geben Orientierung und können die Motivation steigern.
Sie sollen keinen Monolog halten, der Mitarbeiter soll sich auch selbst äußern. Bitten Sie ihn deshalb um ein Urteil. Wie empfindet er die Zusammenarbeit mit Ihnen und seinen Kollegen?
Halten Sie den Inhalt des Gesprächs hinterher schriftlich fest. Das hilft sowohl Ihnen persönlich als auch dem Mitarbeiter. Fragen Sie dafür in der Personalabteilung nach einheitlichen Formularen.
Warten Sie nicht bis zum nächsten Gespräch ab. Je regelmäßiger Sie sich nach den Fortschritten erkundigen, desto eher erreicht der Mitarbeiter die Ziele. Und er realisiert: Das Jahresgespräch war keine Alibiveranstaltung.
Wenn das Jahresgespräch jetzt schon vor der Tür steht, aber kein Jahresprotokoll vorliegt, ist das dennoch kein Grund zur Panik. Arbeitnehmer sollten aber in jedem Fall vor dem Gespräch eine Checkliste machen, was sie im Gespräch loswerden wollen. Wie gesagt, es geht um den Dialog. Auch die Angestellten können und sollen ausführlich darlegen, was aus ihrer Sicht im abgelaufenen Jahr gut und was schlecht gelaufen ist. Sie sollen ihre eigene Performance bewerten und Wünsche und Ziele für das kommende Jahr formulieren. Damit dabei nichts vergessen geht, hilft die Checkliste:
• Welche Aufgaben und Herausforderungen haben Sie im vergangenen Jahr bewältigt und welche Ergebnisse konnten Sie dabei erzielen?
• An welchen Stellen können Sie sich fachlich und persönlich noch weiterentwickeln? Was bräuchten Sie dazu an Unterstützung von Ihrem Vorgesetzten?
• Wohin wollen Sie sich im Unternehmen entwickeln? Welche Ihrer Stärken können Sie künftig noch besser für das Unternehmen einsetzen?
• Welche Ideen haben Sie für Ihre Abteilung oder das Unternehmen? Welche Projekte würden Sie gerne anstoßen?
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Legen Sie sich direkt vor und nach das Gespräch keine Termine, schon gar keine wichtigen. Bereiten Sie sich außerdem gründlich vor – im Optimalfall wie auf ein Vorstellungsgespräch.
Blicken Sie zurück auf die vergangenen zwölf Monate. Welche Aufgaben und Projekte haben Sie besonders gut gemeistert, was lief nicht so gut – und warum? Und: Wie können Sie es besser machen? Diese Fragen sollten Sie sich vor dem Gespräch beantworten. Notieren Sie sich die Antworten in Stichpunkten. Je besser Sie sich vorbereiten, umso souveräner treten Sie im Gespräch auf.
Im Gespräch wird Ihnen Ihr Vorgesetzter sagen, was Sie in den kommenden Monaten tun können. Nun sollten Sie dazu Ihre Meinung sagen. Halten Sie diese Ziele für realistisch? Falls Ihnen die Details nicht klar sind, haken Sie sofort nach. Das ist besser, als nach dem Gespräch ratlos zu sein.
Welche Projekte reizen Sie? Wie wollen Sie sich weiterbilden? Jede Führungskraft mag Mitarbeiter, die mitdenken. Überlegen Sie sich deshalb vorab eigene Ideen und sprechen Sie sie von sich aus an – bevor Ihr Chef Sie dazu auffordert. Natürlich sollten Sie gleichzeitig verdeutlichen, welche Rolle Sie dabei übernehmen.
Sie haben heikle Themen auf dem Herzen? Die gehören jetzt auf den Tisch. Wie so oft ist der Ton entscheidend. Kritik ist grundsätzlich in Ordnung, sie sollte aber konstruktiv erfolgen.
Wichtig: Das Mitarbeitergespräch ist keine Gehaltsverhandlung. Sie dürfen gerne um ihr Gehalt feilschen – bei einem separaten Termin. Tipp: Vereinbaren Sie den am Schluss des Jahresgesprächs.
Analysieren Sie die Unterredung direkt im Anschluss. Was lief gut, was schlecht? Machen Sie sich Notizen, sonst vergessen Sie wichtige Details – was Sie hinterher sicher bereuen.
Sie haben alle Punkte beachtet, sich gut vor- und sorgfältig nachbereitet? Trotzdem sind noch Fragen offen? Dann bitten Sie Ihren Chef um einen Termin für ein kurzes Nachgespräch.
Das Gesprächsprotokoll ist die Basis für Ihr nächstes Jahresgespräch. Lesen Sie sich die Details deshalb sorgsam durch. Falls Sie Details anders erinnern, sprechen Sie das direkt an.
Sie waren mit dem Gespräch zufrieden? Dann spricht alles für, genau das dem Chef mitzuteilen. Denn über positive Rückmeldung freut sich jeder, auch Führungskräfte.
Wichtig: Sachlich bleiben. Sowohl Lob als auch Kritik sind willkommen, Selbstbewusstsein ist angebracht, Tobsuchtsanfälle nicht. "Reden Sie Klartext, nur so können Sie einander ein- und wertschätzen", sagt auch Doris Mailänder, Geschäftsführerin der Hamburger Personalberatung TreuenFels. Ziel sei es schließlich, gemeinsam herauszufinden, was der Mitarbeiter gut kann und mag und wie er entsprechend eingesetzt werden kann.