Tourismus Urlaub am Tatort

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Die Abwesenheit von Industrie führte zur Isolierung

Das Périgord ist eine ländlich geprägte Provinz im Südwesten Frankreichs und entspricht heute mehr oder weniger den Umrissen des Départements Dordogne. Die Menschen leben von Landwirtschaft und vom Tourismus, denn die Abwesenheit von Industrie und schnellen Verkehrswegen haben zu einer Isolierung geführt, die die Region besonders reizvoll macht: Hier sieht man keine gigantischen Einkaufszentren und keinen sozialen Wohnungsbau. Stattdessen: stille Dörfer, Schlösser und viele Restaurants. Trotzdem stand das Périgord stets im Schatten der wohlhabenden Stadt Bordeaux und des berühmten Weinanbaugebiets in dessen Hinterland.

Da kann etwas Werbung nicht schaden. „Mein Freund Martin hat mir viele Besucher beschert“, sagt François-Xavier de Saint-Exupéry, Herrscher über ein beeindruckendes 50-Zimmer-Schloss und über 35 Hektar Weinberge im Norden von Bergerac, „es vergeht kaum eine Woche, in der nicht mindestens eine E-Mail aus Deutschland bei uns eingeht. Die Leute möchten wissen, ob und wo sie Brunos Lieblingswein, meinen Grand Millésime Château de Tiregand kaufen können.“ Der feinwürzige Pécharmant ist auch Martin Walkers Favorit und in Deutschland nicht zu haben. Also kommen manchmal ganze Busladungen williger Käufer zum Schloss. „Sie wollen gar nichts verkosten, sie nehmen einfach ein paar Flaschen mit“, amüsiert sich Saint-Ex, wie der adlige Schlossherr allgemein genannt wird.

Walker, der durch Freunde erstmals in die Gegend kam und sich in den ländlichen Lebensstil und die großartige Küche verliebte, erfand mit Bruno Courrèges einen sympathischen Chef de Police, der seine Freunde mit hausgemachter Entenleber-Pastete, einem perfekt zubereiteten Trüffel-Omelette oder seinem Lieblingskäse Tomme d’Audrix bewirtet. Ende September erscheint bei Diogenes „Brunos Kochbuch“ mit Rezepten aus dem Périgord. Offenbar reicht es nicht, auf Brunos Spuren die prähistorische Grotte du Sorcier oder das steil in den Hang gebaute Dorf Limeuil zu besuchen. Echte Fans möchten auch das Enchaud de Porc (eingemachtes Schweinefleisch) essen, von dem in fast jedem Buch die Rede ist.

Auf dem Markt von Le Bugue erzählt Käsehändler Stéphane Bounichou, dass sein Tomme d’Audrix dank Bruno schon zu einem Bestseller avanciert ist. „Es ist unglaublich, wie viele Touristen kommen, um ein Stück davon zu kaufen“, sagt er. In Audrix selber, einem malerischen, mittelalterlichen Weiler, profitiert das Zwei-Sterne-Hotel Auberge Médievale vom Erfolg der Bruno-Bücher. Gastgeberin Karine Beyney erzählt, dass ihre sechs Zimmer den ganzen Juni über mit deutschen Gäste belegt waren und dass fast jeder einen Walker-Krimi im Gepäck hatte.

Wohl niemand erlebt den Walker-Effekt so hautnah wie Pierre Simonet, Polizeichef in Le Bugue. Bruno-Leser wissen, dass Le Bugue das Vorbild für den fiktiven Romanort Saint-Denis ist und dass Pierre Simonet für Bruno Courrèges Modell stand. Zwar ist Pierre Simonet verheiratet, doch davon abgesehen stimmt fast alles: Er ist der einzige Polizist im Ort, Hobbykoch, Rugbytrainer und zutiefst davon überzeugt, dass der gesunde Menschenverstand besser für den dörflichen Frieden sorgt, als die buchstabengenaue Beachtung des Gesetzes.

Dank Bruno ist Pierre berühmt geworden: Er gibt fast ebenso viele Autogramme wie der Mann, der ihn erfunden hat. Autor und Polizist sind seit vielen Jahren befreundet. „Eines Tages sagte Martin: Pierrot, ich schreibe einen Krimi und du bist die Hauptfigur“, erzählt Simonet, „ich dachte, er scherzt, aber dann hat er mir das Manuskript gezeigt.“ Viele der Geschichten sind am Küchentisch entstanden, dort sitzen die beiden am liebsten. „Wir kochen, essen, trinken, diskutieren“, sagt Martin Walker, „ausnahmsweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“

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