Training Die Macht der Stimme

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Beim Chor muss sich jede Quelle: dpa

Es ist erst ein paar Wochen her, dass sich Michael Schwarz mit einem Stimm-trainer getroffen hat, sechs Wochen lang, regelmäßig jeden Mittwochabend. Schwarz ist 1,90 Meter groß, kräftig, er trägt einen dunklen Schnäuzer – kein Typ, den man übersieht. Nur wenn er redete, verdorrten ihm die Worte beinahe noch auf der Zunge. Der Hamburger Vertriebsmanager, der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, hat das jedes Mal gespürt: den fehlenden Resonanzraum, seine übertriebenen Dehnungen, den Bruch zwischen Auftreten und Akustik, zwischen Impetus und Ideal. „Egal, was ich gesagt habe, manche Kunden haben mich einfach nicht ernst genommen“, sagt er.

Markiges Sprücheklopfen war allerdings auch keine Lösung. Ein Bekannter brachte ihn schließlich mit einem Stimmtrainer zusammen. Der arbeitete mit ihm an einer besseren Bauchatmung, an seinen Betonungen, einer festeren Artikulation und weniger Pressing im Kehlkopf. „Baumarkt-Werbung kann ich deswegen immer noch nicht machen“, sagt Schwarz, aber seitdem trete er ganz anders auf „und die Leute hören mir intensiver zu“.

So leicht ihm die Worte nun von der Zunge gehen – das Reden selbst bleibt für den Sprechapparat Schwerstarbeit. Bei jedem Laut, den wir artikulieren, öffnen und schließen sich unsere Stimmlippen (fälschlicherweise oft „Stimmbänder“ genannt) mehrmals in der Sekunde. Um zum Beispiel den Ton „A“ zu erzeugen – das Freizeichen beim Telefon – braucht es eine Frequenz von 440 Hertz, also eine Schallwelle mit 440 Schwingungen pro Sekunde. Um die auszulösen, müssen sich auch die Stimmlippen 440-mal pro Sekunde öffnen und schließen. Wobei Männer üblicherweise mit einer Grundfrequenz von 130 Hertz brummen, während es bei Frauen eher 190 Schwingungen pro Sekunde sind.

Verantwortlich für die Stimme sind auch die sogenannten Obertöne

Um unterschiedlich hohe Töne zu erzeugen, müssen sich die Muskeln um die Stimmlippen herum unterschiedlich anspannen: Bei tiefen Tönen bleiben sie lockerer, bei hohen ziehen sie sich zusammen. So entsteht Sprachmelodie.

Verantwortlich für unsere Stimme sind allerdings nicht nur individuelle Sprachmelodie, Sprechtempo, Dehnungen und verschieden hohe Grundtöne, sondern auch die sogenannten Obertöne. Sie schwingen bei jedem Laut mit einer leicht modifizierten Frequenz mit und haben bei jedem Menschen ein anderes Muster. Vergleichen lässt sich das am ehesten mit den » Klangfarben einzelner Instrumente: Ob ein Klavier oder eine Geige ein „A“ spielt, macht für den Ton keinen Unterschied: Er hat in beiden Fällen 440 Hertz. Und doch hören unsere Ohren genau, welches Instrument die Saiten vibrieren lässt.

Auf diese Weise entsteht für jeden von uns ein einzigartiger Klang, eine Art vokaler Fingerabdruck, den sich zum Beispiel Polizeiermittler regelmäßig zunutze machen, um Telefonerpresser zu überführen.

Aber auch Partnervermittlungen wie amio.de setzen auf die Stimme des Herzens: Auf der Internet-Plattform können sich die sehnsüchtigen Singles einander per Sprachaufnahme vorstellen. Sie beschreiben erst sich, erzählen von ihren Vorlieben und Hobbys und wen sie sich als Traumpartner vorstellen. Wer das nicht auf Anhieb schafft, kann sich auch von einem Computer befragen lassen, der die Selbstauskünfte nachher zu einer Präsentation zusammenschnipselt. Es sind Standardtexte. Zum Date kommt es aber dennoch meist, wenn sich beide Seiten hören mögen. Angeblich sei die Erfolgsquote des Liebesgeflüsters höher als bei visuellen Paarungsversuchen: 35 Prozent der Singles finden laut einer Nutzer-Umfrage so zueinander.

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