
WirtschaftsWoche: Herr Kienle, Sie haben 2014 im Alter von 30 Jahren den Europa- und den Weltmeistertitel im wohl härtesten Ausdauersport der Welt gewonnen. Welche Ziele kann es danach noch geben?
Das ist bei mir recht ähnlich wie bei Unternehmen – es gibt große übergeordnete Ziele, die ich im Blick haben muss und die ich kleineren, kurzfristigen Gewinnen nicht opfern darf. Für 2015 zum Beispiel ist mir ein vermeintlich altes Ziel wichtig – den Weltmeistertitel auf der halben Ironman-Distanz, dem sogenannten 70.3 zurückzuholen, den ich 2012 und 2013 gewonnen hatte. Außerdem unterscheide ich im Alltag harte und weiche Ziele. Harte, messbare Ziele sind bestimmte Zeiten beim Schwimmen auf einer bestimmten Strecke und Ähnliches. Zu den weichen Zielen gehört hingegen das Gefühl, das Beste aus sich herausgeholt zu haben. Mein volles Potenzial auszureizen ist sicher eines meiner großen übergeordneten Ziele, das mich antreibt. Ich werde nur nie erfahren, ob ich das geschafft habe.
So tricksen Sie Ihren Schweinehund aus
Geben Sie Ihrer linken Gehirnhälfte nach, die Stress vermeiden will. Sie ist der Sitz der Kritik, des Null Bock. Überlisten Sie diese Blockade, indem Sie ihr zuflüstern: "Ich muss nichts. Völlig okay, wenn ich das jetzt nicht tue." Dann legen Sie eine CD ein, die Sie in heitere Stimmung bringt. Gehen Sie kurz an die frische Luft, um den Energietreiber Sauerstoff in Ihren Körper zu locken. Und dann tasten Sie sich locker und unverkrampft an die Materie heran.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Gehen Sie den Ablauf der lästigen Pflicht im Kopf durch. Spüren Sie kurz nach, wie Sie sich dabei fühlen. Mies, stimmt's? Und dann machen Sie in Gedanken einen Sprint nach vorn. Und führen geistig die letzten Handgriffe aus: Die letzte Mail wegklicken. Den letzten Kragen bügeln. Die Laufschuhe aufschnüren. Dann gehen Sie im Zeitraffer noch einmal durch die gesamte Aufgabe, inklusive Belohnung. Jetzt haben Sie richtig Lust drauf, oder?
Stellen Sie sich vor, wie es Ihnen nach vollbrachter Leistung gehen wird, und genießen Sie dabei die positiven Gefühle: wie wohl Sie sich in Ihrem Körper fühlen, wie stolz Sie auf sich sein werden, wie zufrieden Sie mit sich sind, wenn Sie Ihren Plan einhalten, wie Ihr gutes Gewissen Sie ruhig schlafen lassen wird.
Aktivieren Sie alle Sinne. Riechen, schmecken, sehen, fühlen Sie, was Sie danach tun werden. Und wie gut es Ihnen geht, wenn Sie diesen Berg Alltagsmist hinter sich gebracht haben. Mit der Emotion namens Vorfreude holen Sie sich einen wunderbaren Aktivator gegen Widerstände in den Körper.
Statt sich durch die Spanischlektion zu quälen, spielen Sie mit Ihrem Vorhaben nur ein wenig herum. Schmökern Sie ziellos in Ihrem Lehrbuch, lesen Sie nur die Texte unter den Fotos. Statt den ganzen neuen Vorgang auf dem Schreibtisch durchzuackern, lesen Sie einfach mal da und mal dort. Vielleicht erwachen nach einer Weile Ihre Neugier und Lust, die Sache anzupacken, von allein.
Stört Sie das?
Ich liebe das, was ich mache. Ich habe ein sehr selbstbestimmtes Leben, wie kaum sonst ein Profisportler. Fußballer haben Verpflichtungen wegen des Spielplans. Sie haben feste Trainingszeiten. Ich bin frei, wo immer ich auch starte. Ich kann jeden Tag, wenn ich aufstehe, entscheiden: Will ich trainieren oder liegen bleiben? Das ist eine große Verantwortung sich selber gegenüber.
Wie entscheiden Sie sich am Morgen?
Am Anfang meiner Profikarriere im Jahr 2007 bin ich oft liegen geblieben. Und habe es auch genossen. Mit der Freiheit musste ich erst lernen umzugehen. Manchmal wünschte ich mir auch heute noch, ich hätte einen Bürojob und könnte da einfach hin, und abends wäre der Job zu Ende. Meine Arbeit dauert aber 24 Stunden, denn alles, was ich mache, beeinflusst meine Leistung. Was ich esse, was ich trinke, wie viel ich schlafe, meine gesamte Freizeitgestaltung – es hat immer etwas damit zu tun, dass ich fit bin für mein Training.
Und was machen Sie nun, wenn Sie lieber liegen bleiben wollen?
Ich frage mich, woran es liegt. Bin ich tatsächlich müde vom Training? Oder liegt es einfach daran, dass es draußen gerade regnet und ich eigentlich keine Lust habe.
Mit diesen Ratschlägen erreichen Sie Ihre Ziele einfacher.
Setzen Sie sich ruhig hohe Ziele – dann sind Sie hinterher umso glücklicher. Natürlich riskieren Sie, das Ziel nicht zu erreichen. Aber auf dem Weg werden Sie so oder so dazulernen.
Wer sich vorher einredet, dass er ein Ziel definitiv erreicht, erhöht seine Erfolgschancen. Denken Sie an frühere Erfolge. Was ist Ihnen schon einmal gut gelungen? Wie haben Sie das geschafft?
Setzen Sie sich enge Fristen. Ist eine Präsentation auf Freitag terminiert, legen Sie Ihr Ultimatum auf Mittwoch. Das verhindert Hektik und schafft Puffer für den Feinschliff.
Konzentrieren Sie sich darauf, wie stolz und zufrieden Sie im Erfolgsfall sein werden. Scham oder Schuld machen ein schlechtes Gewissen – und lassen uns gute Vorsätze über Bord werfen.
Wenn morgens Ihr Rechner hochfährt, nutzen Sie die Zeit und notieren die wichtigsten Pläne des Tages. Dasselbe können Sie wiederholen, wenn Sie ihn abends ausschalten.
Ziele müssen spezifisch, messbar, realistisch erreichbar sein und einen konkreten zeitlichen Rahmen haben. „Ich will konzentrierter arbeiten“ ist zu schwammig formuliert. Besser: „Ich will nur alle 60 Minuten E-Mails checken.“
Nehmen Sie sich immer nur eine Sache vor. Zu viele Ziele verwirren und lassen die Disziplin sinken. Weiterer Vorteil: Dann können Sie sich schneller über einen Erfolg freuen – und der erhält die Konzentration.
Klingt nach Zufallsprinzip.
Ich trainier nicht nach einem knallharten festen Plan. Ich entscheide Tag für Tag in Absprache mit meinen Trainern, was ich mache. Es gibt einen groben Rahmen, der mir sagt, was in den nächsten Wochen passieren soll. Und ich orientiere mich natürlich an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Formaufbau. Aber im Wesentlichen muss man lernen, darauf aufzupassen, was einem der Körper sagt, und das ist nicht immer einfach. Wenn ich nach vier, fünf Tagen intensiver Trainingsarbeit das Gefühl habe, lieber eine Pause zu machen, dann mache ich das. Dazu gehört mehr Mut, als sich halberkältet für eine weitere Einheit aufs Rad zu setzen.
Haben Sie Glück, sich einfach oft genug fürs Aufstehen entschieden zu haben?
Das sportliche Talent habe ich, das kann ich nicht beeinflussen, das wurde mir in die Wiege gelegt. Aber für meinen Sport sind auch Dinge wie Fleiß und Beharrlichkeit wichtig. Und auch meine Erziehung hat viel mit dem zu tun, was ich im Sport erreicht habe und erreichen kann.