Ungezwungener Freitag

Der Nadelstreifenanzug ist zurück

Lin Freitag
Lin Freitag Stellvertretende Ressortleiterin Erfolg

Kurzarmhemden und Comic-Schlips gehen gar nicht. Außer in deutschen Büros. Da heißt es: Das trägt man jetzt so. Das wollen wir ändern. Da kommt die Rückkehr des Nadelstreifenanzugs genau richtig. Eine Kolumne.

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So finden Sie den richtigen Anzug
Das ReversSchmale Revers sind gerade angesagt. Das wirkt jung und dynamisch, die klassischere, elegantere Variante ist etwas breiter. Stil-Experte Bernhard Roetzel empfiehlt, nicht mit der Mode zugehen: "Wer sich wirklich gut kleiden will, wählt die Reversbreite passend zur eigenen Statur", sagt Roetzel. "Eine schmale Brust wirkt durch schmalere Revers breiter, eine breite Brust wirkt durch breite Revers schmaler." Quelle: Fotolia
Die SchulterpartieDie Schulternaht sollte nicht über die Schulter selbst hinausragen. Das führt zu länglichen Falten am Rücken und zu Hängeschultern. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die SakkolängeDas Sakko muss das Gesäß komplett bedecken. Der Autor von "Der Gentleman. das Handbuch der klassischen Herrenmode", Bernhard Roetzel, kennt eine Ausnahme: "Kleinere Herren dürfen die Jacke etwas zu kurz tragen, das streckt." Quelle: AP
Die ÄrmellängeDie Hemdmanschette sollte ein bis eineinhalb Zentimeter aus dem Ärmel herausschauen. Quelle: Fotolia
Die HosenlängeDer Absatz des Schuhs muss frei sein. Die Hose sollte ein bis eineinhalb Zentimeter über der Absatzoberkante enden. Quelle: AP
Die SchuheSchwarze Schuhe passen zu schwarzen, anthrazitfarbenen, grauen und blauen Anzügen. Braune Schuhe lassen sich mit brauen, grauen und blauen Anzügen kombinieren. Außer dem Anzugstoff zählt jedoch auch der Gürtel: „Schuh und Gürtel sollen zusammenpassen, man muss aber nicht die identische Farbe anstreben“, sagt Modefachmann Bernhard Roetzel. Sein Tipp: „Ein schönes Detail kann es sein, wenn man zu Raulederschuhen einen Rauledergürtel trägt. Das ist aber kein Muss." Quelle: Fotolia
Der GürtelBeim geschlossenen Gürtel sollten zwei bis drei freie Löcher am Ende sichtbar sein. Wenn nur ein kurzes Ende herausragt, bezeichnet das Bernhard Roetzel als einen "kümmerlichen Eindruck und man wirkt auch dick." Quelle: Fotolia

An den Wertevorstellungen von Al Capone kann man sich sicherlich reiben, an seinem Stil nicht. Der Mafiaboss war stets tadellos gekleidet: meist im zweiteiligen Nadelstreifen-Anzug, immer mit passender Weste, Einstecktuch, Krawatte und Hut. Auf das Image seines liebsten Kleidungsstücks hatte der prominente Fan allerdings keinen guten Einfluss: Durch die Nähe zur Mafia haftete dem Nadelstreifen fortan etwas Halbseidenes an. Er roch nach Unterwelt und krummen Geschäften. Erst 40 Jahre später sollte das Trauma zumindest kurzzeitig überwunden werden. In den Achtzigerjahren galt der Nadelstreifen als Statussymbol des erfolgreichen Bankers. Wall-Street-Größen wie Jordan Belfort trugen ihn weit geschnitten, mit viel Platz unter den riesigen Schultern für die ebenso großen Egos der Träger.

Darauf sollten Sie beim Anzug achten

Doch leider sollte auch die neue Anhängerschaft dem Image des Nadelstreifens schaden. Aus Managern wurden Zocker. Aus dem großen Geld unmoralische Geschäfte. Und aus dem Statussymbol Nadelstreifen das Erkennungszeichen des Raffzahns. So platzte 2008 mit der Finanzblase auch die Lust auf Nadelstreifen. Fortan wurde er nur noch an Versicherungsvertretern und Staubsaugerverkäufern gesehen. Erst heute, acht Jahre nach der Lehman-Pleite, scheint das Nadelstreifen-Trauma überwunden. Das französische Luxuslabel Givenchy jedenfalls zeigt die Streifen in seiner aktuellen Kollektion in Schwarz und Dunkelblau. Als Einreiher und Zweireiher. Und im Komplettlook mit passend gestreiftem Hemd. Und auch der Wall-Street-Schneider der Achtzigerjahre, Giorgio Armani, erinnert sich an seine Wurzeln. Seine gestreiften Zwirne kombinieren weitfließende Bundfaltenhose mit Jacken, die aussehen, als wären sie etwas zu heiß gewaschen worden: Shrunken, also geschrumpft, nennen Modemenschen das.

Deshalb, liebe Leser, die sich vielleicht schon erwartungsfroh die Hände reiben und sich fragen, ob das alte Modell, dass sich doch noch irgendwo in den Tiefen des eigenen Kleiderschranks versteckt, wohl noch passt? Die Antwort lautet: nein! Der Nadelstreifen von heute hat mit dem Nadelstreifen von damals nur noch das Muster gemein. Die Jacke ist deutlich schmaler und kürzer geschnitten. Idealerweise endet sie über dem Po. Die Ärmel sind ebenfalls kürzer geschnitten, sodass das Hemd ein wenig mehr als die klassischen 1,5 Zentimeter hervorblitzt. Der Wollstoff ist schwerer, die Streifen sind breiter. Die Hosen sind weiter geschnitten. Greifen Sie zu einem Modell in Dunkelblau. Schwarz oder Mausgrau kann schnell danebengehen. Und unangenehme Assoziationen wecken. Al Capone würde sich freuen. Geht gut: Old-fashionend als Zweireiher mit buntem Einstecktuch und Weste aus leichtem Stoff oder Strick. Geht gar nicht: Zusammen mit anderen Insignien der Achtzigerjahre: goldene Protzuhr, bolleriger Trench, wichtigtuerische Aktentasche.

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