Unternehmensberater Finanzkrise entzaubert die Consulting-Branche

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Umsätze von Beratern und Wirtschaftsprüfern

Marktführer McKinsey wiederum sieht die Zukunft der Branche in Afrika – trotz geringer Wirtschaftskraft, innerer Unruhen und riesiger Mängel in der Infrastruktur. „Wie schlecht muss es jemandem gehen, der sich den Problemkontinent Afrika als Zukunftsmarkt aussucht?“, lästert ein Konkurrent. Burkhard Schwenker, bisher Chef von Roland Berger und demnächst Aufsichtsratsvorsitzender der größten Beratung deutschen Ursprungs, sieht das offenbar ähnlich, drückt sich aber zurückhaltender aus: „Afrika hat langfristig sicherlich eine Perspektive, aber kaum für die nächste oder übernächste Dekade. Für uns spielt Asien eine wesentlich wichtigere Rolle.“ Zusammen mit seinem Nachfolger Martin Wittig will Schwenker darum die Ausdehnung des Geschäfts in die BRIC-Länder vorantreiben, also nach Brasilien, Russland, Indien und China. Schwenker glaubt aber nicht daran, dass das ausreicht: „Wir müssen Szenarien entwickeln und das Thema Strategie mit den Klienten neu durchdenken“, fordert er.

Unternehmensgründer Roland Berger sieht noch ein anderes Problem: „Das Geschäftsmodell Beratung funktioniert auch weiterhin. Allerdings ist unser Geschäft stark angebotsgetrieben, und im Moment fehlen der Branche neue, zündende Ideen und Methoden. Hinzu kommt, dass im Management der Unternehmen mittlerweile viel Berater-Know-how vorhanden ist.“ Vor allem aus den Großberatungen sind in den vergangenen Jahren viele ehemalige Partner in die Unternehmensvorstände gewechselt.

Verbindung von Beratung und Finanzierungskonzepten

Der Altmeister der deutschen Beraterszene hat schon konkrete Vorschläge für sein neues Führungsduo: „Nachholbedarf gibt es beim Innovations- und Technologiemanagement und bei neuartigen Konzepten zur Steigerung der Personalproduktivität.“ Ein weiteres Wachstumsfeld bestehe „in der Kombination verhaltenspsychologischer und betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse zur Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen und deren Vermarktung.“ Bislang haben häufig die Ingenieure das Sagen, wenn neue Produkte entwickelt werden – und dann manchmal zum Flop werden, weil sie zu kompliziert sind oder unnütze Funktionen haben. Doch Berger sieht auch die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Neuorientierung: „Ich gehe davon aus, dass es in Zukunft häufiger eine Verbindung von Beratung und Finanzierungskonzepten und -tätigkeiten geben wird, wie etwa Private Equity vor 20 Jahren.“

Beraterexperte Fink glaubt nicht, dass sich die Strukturprobleme der Branche so lösen lassen: „Ich erwarte eine Konsolidierungswelle.“ Daran ändere auch die gescheiterte Übernahme von A.T. Kearney durch Booz nichts. Für Bewegung auf dem Markt könnten aber neue Akteure sorgen: große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie PricewaterhouseCoopers (PwC) oder Deloitte. „Die sind schon heute stark im Beratungsgeschäft, haben in ihrem Stammgeschäft kaum noch Wachstumspotenzial, gleichzeitig aber genug Geld, um dazuzukaufen“, sagt Fink. Ein Blick auf die Größenverhältnisse  macht klar, dass auch die großen Adressen der Branche wie Berger, Booz oder Bain ins Visier der Käufer geraten könnten. Selbst Marktführer McKinsey ist im Vergleich etwa zu PwC ein Winzling.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Ob nun große Beratungen kleinere Mitbewerber übernehmen oder ob die Wirtschaftsprüfer bei den Branchenschwergewichten zuschlagen: Das Geschäftsmodell der Partnerschaften mit der Lizenz zum schnellen Reichwerden wäre so oder so perdu. „Der Markt für die bisher besonders lukrativen Strategieaufträge wird nur noch moderat wachsen, überdurchschnittliche Zuwächse wird es allenfalls noch bei schlechter bezahlten Umsetzungsprojekten geben“, glaubt Fink.

Schon mittelfristig werden die Beratungshäuser nicht darum herumkommen, ihre Beratertruppen zu splitten: in eine kleine, elitäre Gruppe mit Partnerstatus und Teilhaberschaft einerseits und eine wesentlich größere Fußvolk-Truppe, die sich langfristig mit einem zwar gut dotierten, aber eben doch nur Angestellten-Vertrag zufriedengeben muss. Das würde auch zu den geringeren Anforderungen für operative Umsetzungsprojekte passen. Dass solche Zwei-Klassen-Gesellschaften keine Zukunftsmusik sind, zeigt das Beispiel von Accenture, wo bereits ein Großteil der Berater angestellt ist – ohne die Chance, jemals Partner zu werden.

Bisher konnten die Partner in den großen Beratungen dank des rasanten Umsatzwachstums davon ausgehen, dass ihre Anteile immer wertvoller wurden. Wenn der Markt – wie von Experten erwartet – jedoch auf Dauer stagniert und die Strategieberater die eigenen Probleme nicht zu lösen vermögen – wovon die Experten ebenfalls ausgehen –, geht diese Rechnung nicht mehr auf. Finks Vermutung: „Für viele Partner stellt sich darum spätestens mittelfristig die Frage, ob es nicht besser wäre, ihre Anteile zu verkaufen.“

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