Ihre Augen strahlen blau, ihre langen blonden Haare leuchten im Sonnenlicht, das durch die bodentiefen Fenster in die renovierte Loftetage scheint. Florence, eine Amerikanerin Mitte 40, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, sitzt auf einem weißen Ledersessel und beantwortet Fragen zu ihrem Äußeren. Nach der Farbe ihrer Haare, der Form ihres Kinns und Kiefers, der Gestalt ihrer Augen. Fragen, die ihr Gil Zamora stellt, ein ehemaliger Phantombildzeichner der Polizei von San José. Verborgen hinter einem weißen Vorhang, zeichnet er Florence und einige andere Frauen gemäß ihrer eigenen Antworten.
Ihr Kiefer sei sehr breit, habe ihre Mutter immer gesagt, antwortet Florence etwa auf Zamoras Frage nach ihrer prägnantesten Gesichtspartie. Probandin Olivia erzählt von ihrem Kinn, das immer etwas hervorstehe, besonders wenn sie lächle. Kela erwähnt ihre breite Stirn, Shelly ihre vielen Sommersprossen.
So beginnt der aktuelle Werbespot der Kosmetikfirma Dove für die Kampagne „Real Beauty Sketches“.
Was die Probandinnen nicht wissen: Zamora zeichnete sie hinterher noch einmal – nach Angaben von Personen, die die Frauen kurz vorher kennengelernt hatten. Das Verblüffende: Die Schilderungen – und damit auch die Porträts – fielen viel positiver aus. Die einen schwärmten von den funkelnden Augen ihrer Gegenüber, andere erwähnten süße Nasen und weiche Gesichtszüge. „Sie war schlank, man konnte ihre Wangenknochen sehen“, hieß es von Florence, „und sie hatte ein schönes, schmales Kinn.“
Am Schluss des Spots konfrontiert Zeichner Zamora die Frauen mit beiden Porträts, einige haben ob der Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdbild Tränen in den Augen – auch Internet-Nutzer weltweit.
Seitdem Dove den Film vor etwa vier Wochen beim Videoportal YouTube hochlud, wurde er mehr als 50 Millionen Mal abgerufen.
Nachhaltige Investition
Diese Resonanz erstaunt auch Karin Krause, als Brand Managerin von Dove zuständig für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sie erwartet zwar nicht, dass die Verkaufszahlen nun umgehend steigen. Vielmehr sieht sie die Kampagne als nachhaltige Investition. „Und die wird sich langfristig auszahlen“, sagt Krause.
Das würden auch andere Unternehmen gerne behaupten. Ob Mittelständler oder Weltkonzerne, alle stehen vor der gleichen Herausforderung: Um ihre Produkte zu bewerben, schalten sie Anzeigen in Zeitungen, buchen Banner im Internet, leisten sich teure TV-Kampagnen. Nach Angaben der Mediaagentur ZenithOptimedia wurden im Jahr 2011 weltweit knapp 490 Milliarden Dollar in Werbung investiert. Für 2015 erwartet die Agentur schon Ausgaben von mehr als 570 Milliarden Dollar. Dennoch kommen die mit viel Geld lancierten Kampagnen beim Verbraucher oft gar nicht an.
Zeitungsleser überblättern die Anzeigen, Fernsehzuschauer schalten in Werbeblöcken um, Internet-Nutzer klicken die Banner weg. Niemand will sich von allzu plumpen Botschaften berieseln lassen.
Das ergab im Jahr 2010 auch eine Studie der Marktforschung TNS Infratest, für die das Institut mehr als 7000 Online-Interviews in sieben europäischen Ländern führte. Ergebnis: Immerhin 57 Prozent der Befragten fühlten sich durch TV-Werbung gestört, 47 Prozent ärgerten sich über Bannerwerbung, 38 Prozent fanden Radiowerbung aufdringlich. Was menschlich nachvollziehbar ist, wird für Unternehmen betriebswirtschaftlich heikel. Sie investieren häufig Millionen von Euro in teure Kampagnen – ohne zu wissen, ob sich der finanzielle Aufwand lohnt.