Wie also breitet sich ein Video virusartig aus? Woran liegt es, dass sich manche Trends im Netz durchsetzen – und andere nicht? Warum leiten Kunden ein Video weiter, ignorieren aber ein anderes, das nur wenige Mausklicks entfernt zu finden ist?
„Virale Effekte sind weder Glück noch Zufall, sondern das Ergebnis sorgfältiger Planung“, sagt Jonah Berger, Autor des aktuellen Bestsellers „Contagious“. Er ist überzeugt: „Egal, wie schlicht oder langweilig sie auf den ersten Blick wirken – selbst alltägliche Produkte und Ideen können viel Mundpropaganda erzeugen.“
Der 32-jährige Assistenzprofessor an der renommierten Wharton Business School der Universität von Pennsylvania hat in zahlreichen Experimenten, Studien und Umfragen erforscht, warum Menschen Texte, Bilder und Videos weiterleiten.
Bergers schlichte wie überzeugende Antworten: „Ansteckend“ – wie der Titel seines Buchs – sollen Kampagnen sein. Und das bitte möglichst subtil. Die Botschaft des Unternehmens nistet sich häufig unbewusst in den Köpfen der Kunden ein. Dann werde sie zu einer Art sozialer Währung, die die Menschen gerne miteinander teilen. Erst recht dann, wenn die Werbung emotional sei, zum Produkt passe und einen praktischen Nutzen beinhalte.
Ein weiterer Vorteil des Viralmarketings: Die Kosten sind häufig gering, jedem Unternehmen kann ein Erfolg gelingen. Einem globalen Konzern, aber auch dem Handwerker um die Ecke. Doch es reicht nicht, eine Fanseite bei Facebook einzurichten, ein Konto bei Twitter zu eröffnen, und Videos bei YouTube hochzuladen. Die digitale Dauerpräsenz garantiert noch keinen viralen Erfolg. „Social Media ist eine Technologie, aber keine Strategie“, sagt Jonah Berger.
Was genau Menschen bewegt, über Produkte zu sprechen oder bestimmte Informationen als aufregend zu beurteilen, lässt sich an der Karriere eines Artikels aus der „New York Times“ ablesen.
Auf der Internet-Seite der Zeitung veröffentlichte die Wissenschaftsredakteurin Denise Grady am 27. Oktober 2008 einen Text, in dem sie beschrieb, wie Medizinforscher fluide und gasdynamische Theorien nutzen, und zwar mithilfe der sogenannten Schlierenfotografie. Diese mache Luftströme auf einem Bild sichtbar – zum Beispiel dann, wenn jemand hustet. Klingt nicht gerade nach einem viralen Hit, könnte man meinen. Doch an diesem Tag landete der Text auf der Liste der am meisten weitergeleiteten Artikel.
Das bemerkte Berger, als er für eine Untersuchung 7000 Artikel der „New York Times“ analysierte. Sechs Monate lang scannte eine Software alle 15 Minuten die Internet-Seite der Zeitung – jeden Artikel samt Überschrift und Ressort. Außerdem hielt sie fest, welche Artikel die Leser am meisten verschickten.
Und Berger stellte fest: Wichtig war vor allem, ob die Inhalte emotionale Erregung auslösten. Artikel mit geringem Erregungspotenzial wurden seltener empfohlen als solche mit hohem. „Sind wir physiologisch erregt, tauschen wir Informationen gerne aus“, sagt Berger, „und zwar unabhängig davon, ob die Gefühle positiver oder negativer Natur sind.“
Deshalb war Denise Gradys Artikel auch so erfolgreich. Neben dem wissenschaftlich komplexen Text war ein Mann im Profil zu sehen, der gerade hustete. Und die Schlierenfotografie machte es möglich, die Luftströme in leuchtend roten, strahlend gelben und hellblauen Farben zu illustrieren. Eine echte wissenschaftliche Sensation – noch dazu eine, die die Leser erstaunte und überraschte. Wer seinem Produkt im Netz zum Erfolg verhelfen will, sollte also auf hohes Erregungspotenzial setzen.