




Vor einigen Monaten wurde ich enttäuscht. Als Kind bewunderte ich zwei Sportler – den ehemaligen Fußball-Nationaltorwart Bodo Illgner und den schwedischen Weltklasse-Tennisspieler Stefan Edberg. Ich verbrachte Stunden damit, Edbergs Duelle gegen Boris Becker vor dem Fernseher zu verfolgen, wünschte mir zu Weihnachten Schlägertasche und T-Shirt aus seiner Kollektion.
Die Reliquien meiner Bewunderung lagern noch heute in einer Kiste im Keller – ebenso wie eine Autogrammkarte von Bodo Illgner. Als Torwart in einem Kölner Vorortverein wäre ich auch gerne so groß und dominant gewesen wie Illgner, dessen Fotos ich regelmäßig aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ausschnitt und in einem Album sammelte. Doch vor einigen Monaten erlitt das Bild, das ich von den beiden in meinem Kopf gezeichnet hatte, tiefe Risse.
Ich wollte über eine Begegnung mit Kindheitsidolen schreiben – und herausfinden, ob sie immer noch den Zauber auslösen, den uns die Phantasie damals gewährte. Also schrieb ich beiden eine E-Mail. Ich hatte mir ausgemalt, mit Illgner vielleicht einen Kaffee zu trinken, oder Edberg auf seinem schwedischen Bauernhof zu treffen. Man wird ja noch träumen dürfen. Doch dann zerplatzten die Träume.
Dazu muss man wissen, dass Illgner seit einigen Jahren als Privatier in Florida lebt. Auch Edberg hat sich größtenteils aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, ab und zu spielt er noch ein Match auf der „Seniors Tour“. Man kann also davon ausgehen, dass auf ihrer To-Do-Liste noch Platz ist.
Illgner antwortete freundlich, dass er derzeit sehr beschäftigt sei. Edberg schrieb wörtlich: „Daniel, danke für deine E-Mail. Aber meine Zeit ist begrenzt – und mein Interesse auch.“
Das saß.
Hier waren sie also, meine einstigen Vorbilder, die mich als Kind immer inspiriert hatten. Jetzt sahen sie sich offenbar außer Stande, ein Stückchen Zeit für mich frei zu räumen, obwohl sie davon vermutlich ziemlich viel haben. Meine Idole enttäuschten mich. Ein Gefühl, das derzeit viele Menschen nachvollziehen können.
Der FC Bayern München ist einer der bekanntesten deutschen Sportvereine – und einer der größten. Knapp 188.000 Vereinsmitglieder hatte er im November 2012, in den 3202 offiziellen Fanclubs waren sogar 232.000 Menschen registriert.
Erfolg ist ohne Abneigung nicht denkbar, daher hat der Club mindestens genauso viele Gegner und Feinde. Doch selbst sie konnten nicht umhin, die Lebensleistung von Uli Hoeneß zu honorieren und zu respektieren. Auch wenn er vielen Menschen mit seiner Art bisweilen auf die Nerven ging – es bestand kein Zweifel daran, dass er als Manager zu seinen Spielern loyal war, solange sie seine Loyalität erwiderten; und dass er im bisweilen zwielichtigen und halbseidenen Fußballgeschäft eine seltene Bastion der Ehrlichkeit und Gradlinigkeit darstellte.
Kurzum: Hoeneß war vielleicht Zielscheibe von Hass und Neid – aber an seiner Vorbildfunktion bestand kein Zweifel. Zumindest bis zum vergangenen Samstag.
Gegen Mittag verbreitete sich im Internet eine Meldung des Nachrichtenmagazins „Focus“. Die Redaktion berichtete exklusiv, dass die Staatsanwaltschaft München gegen Hoeneß wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt; dass Hoeneß sich im Januar beim Finanzamt selbst angezeigt habe. Und dass er bereits eine erkleckliche Summe zurückgezahlt habe.
Auch wenn die finanziellen Hintergründe und juristischen Folgen noch unklar sind, eines steht schon jetzt fest: Seinen Ruf als moralische Instanz ist Hoeneß los – und seine Rolle als Vorbild ebenfalls.