Weinauktion Vergesst den Preis, folgt euren Bedürfnissen!

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"Nasse" und "zaghafte" Versteigerungen


Müller, der dieses Jahr ausschließlich Weine aus dem aktuellen Jahrgang anbietet, bleibt ungerührt, als der erste Wein, ein Kabinett „Alte Reben“, von 30 Euro Anfangsgebot direkt auf 80 springt und dann nach immer länger andauernden Konferenzen der auf ihre Orderzettel starrenden Kommissionäre schließlich bei 160 Euro landet. Für jede der 1200 Flaschen. Das macht für Müller 192.000 Euro auf einen Schlag. Die Kommissionäre stellen den Käufern dann noch 9600 Euro Gebühren in Rechnung und der Staat freut sich über 36.480 Euro Mehrwertsteuer. Für eines von 67 Losen dieses Tages.
1000 Euro bringt jede der 84 Auslese Goldkapseln von Müller, alle rund 400 anwesenden Händler, Gastromomen und Journalisten haben allein in diesem Moment Wein für den Gegenwert von 33,33 Euro im Glas, denn die Versteigerung an der Mosel ist wie ihre Pendants im Rheingau und in Bad Kreuznach eine sogenannte „Nasse Versteigerung“, bei der alle ein Tröpfchen ist Glas bekommen.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen


„Zaghafte Versteigerungen“ wäre ein passender Zweitname. Den sicheren Spannungsbogen einer Ebay-Auktion, die die Sekunden runterzählt, zieht hier keiner auf. „Darf ich weitermachen?“, fragt Auktionator von Kunow mit fordernder Stimme, wenn sich die Kommissionäre-Kommission versammelt und keine Zeichen gibt, ob alle zufrieden sind.
Bei Müllers Magnumflasche „Auslese Goldkapsel“ dauert es so lange, bis der Winzer, der regungslos sein Gesicht hinter der Hand hält, eine weitere zu den sechs Angeboten dazulegt. Endpreis: 2800 Euro pro Flasche, Weltrekord. Kunow bedankt sich bei Müller für die siebte Flasche „damit der Preis realistisch bleibt“. Gelächter in der trockenen Akustik des Saals.


Dann „mein“ Wein. „Sie spüren, dass sie ihn haben wollen und dann verlässt auch harte Geschäftsleute der Geschäftssinn“, hatte Schubert zu Beginn gesagt und nun will ich ihn haben. Ich habe kein Limit, das heißt, Bergweiler bietet in meinem Namen für mindestens 1 Flasche so lange mit, bis ich sie bekomme. Der vorweggenommene Besitzerstolz greift: Gut, dass ich nicht gesagt habe, dass 80 Euro mein Maximalgebot seien. Schließlich bekäme man dafür schon so manch anderen guten Wein. 85 Euro, gut, dieses Gefühl sich was zu gönnen, kann teuer werden. 90 Euro, 95… Erst bei 100 Euro pro Flasche Zickelgarten sind alle versorgt. Meine Flasche wird mit 19 Prozent Mehrwertsteuer und fünf Prozent Kommissionsgebühr 124 Euro kosten. Vielleicht mache ich sie nie auf und starre sie nur ehrfürchtig an.


Es ist dabei noch ein vergleichbar kleiner Preis. An diesem Tag werden Flaschen für bis zu rund 10.000 Euro (eine Magnum von Joh. Jos. Prüm) versteigert. In gut sechs Stunden werden knapp 1,6 Millionen Euro umgesetzt. Günther Jauch hat fast seinen erzielten Umsatz wieder dort gelassen. Bei der Benefizversteigerung einer Kiste mit 14 Weinen aller Weingüter, die bei der Versteigerung dabei waren, erhält er bei 3500 Euro den Zuschlag.

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