
Früher gingen die Menschen zur Kur. Sie fuhren an eher biedere Orte wie Bad Reichenhall im Berchtesgadener Land, Leukerbad im Schweizer Wallis oder Abano Terme in den norditalienischen Bergen – weil ihr Arzt den Aufenthalt empfohlen hatte und sie dort vor allem der Hitze des Sommers entkommen konnten. Heute fliegen viele Menschen lieber in Wellnesshotels nach Indien oder Spanien – weil ihre Freunde es empfohlen haben oder sie der Kälte des Winters entkommen wollen. Die gute alte Kur ist sexy geworden. Auch dank ein paar findiger Unternehmer, die sie gerade neu erfinden.
Heilkunde, Medizin und Entspannung
Veer Singh ist einer davon. Der Inder ist Spross einer wohlhabenden Unternehmerfamilie, studierte am Imperial College in London Physik und wollte einst Biobauer werden. Im Januar 2014 eröffnete er Vana, ein Wellnesshotel in den Ausläufern des Himalaja. Die Anlage ist großzügig angelegt, für die Anwendungen stehen allein sechs Gebäude und 55 Behandlungskabinen bereit. Koryphäen der ayurvedischen Heilkunde treffen hier auf tibetische Mediziner und Akupunkteure. Die Gäste, so verspricht es das Hotel, sollen ihr Wohlbefinden gezielt steigern. Nichts soll sie ablenken.





Nach Angaben des „Oxford English Dictionary“ entstand der Begriff Wellness (Wohlbefinden) als Gegenstück zu Illness (Krankheit) bereits im 17. Jahrhundert. Doch die moderne Wellnessbewegung begann erst in den Siebzigerjahren. Damals entwickelten die Amerikaner Donald Ardell und John Travis neue, ganzheitliche Gesundheitsmodelle. Sie zielten nicht nur auf die Abwesenheit von Krankheiten, sondern auf einen Zustand von physischer, mentaler und sozialer Zufriedenheit.
Tipps zum richtigen Entspannen
Damit sich der Stress des Arbeitstags nicht aufstaut, sollten öfter kleine Pausen eingelegt werden. Ärzte empfehlen etwa jede Stunde eine kleine Unterbrechung von wenigen Minuten. Eine lange Pause ist nicht so effektiv wie viele Minipausen. Voraussetzung: Die Selbstbestimmtheit. Die Unterbrechungen müssen selbst gewählt sein, erzwungene Pausen vergrößern Ärger und Stress nur noch.
Sowohl die Pause als auch die Feierabend-Aktivitäten sollten sich möglichst vom Arbeitsalltag unterscheiden. Es muss nicht immer das süße Nichtstun sein – auch ein Spaziergang, ein Telefonat mit Freunden oder ein Kaffee mit den Nachbarn wirken sich positiv aus. Wer viel sitzt, dem tut Bewegung gut. Wer arbeitstechnisch viel unterwegs ist, dem tut es gut, es mal ruhiger angehen zu lassen.
Gerade, wer viel im Büro sitzt, belastet seine Wirbelsäule stark, schmerzhafte Verspannungen sind die Folge. Das schlägt auch auf die Psyche. Viele kleine Entspannungs- und Dehnungsübungen helfen da weiter.
Den Arbeitsstress einfach weg atmen – das geht. Wer angespannt ist, verändert auch seine Atmung, sie wird schneller und flacher. Eine Atemübung ist zum Beispiel, beim Einatmen durch die Nase langsam bis fünf zu zählen, beim Ausatmen durch den Mund ebenso. Solche Rituale können auch den Übergang in den Feierabend erleichtern.
Im Idealfall sollten alle Aufgaben abgeschlossen sein, bevor man in den Feierabend oder Urlaub geht. Sonst löst allein der Gedanke an die noch bevorstehende Arbeit wieder Stress aus.
Leider ist das nicht immer möglich. Wer kann, sollte Liegengebliebenes an einen Stellvertreter delegieren. Wo auch das nicht möglich ist, kann eine To-Do-Liste weiterhelfen. Sie nimmt die Angst, etwas zu vergessen und verhindert, dass man im Kopf immer wieder die anstehenden Aufgaben durchgeht. Diese Liste sollte man nach dem Aufschreiben verbannen, bis man wieder im Büro ist.
Es ist Feierabend – tun Sie nur das, wozu sie auch Lust haben. Lassen Sie sich nicht von Verpflichtungen und Terminen beherrschen, seien sie spontan. Diese selbstbestimmten Freiräume helfen dabei, sich zu entspannen. Wer in seiner Freizeit ehrenamtlich arbeiten möchte, darf das natürlich auch tun, solange die Arbeit Freude bereitet.
Seitdem wurde der Begriff zu einem Modewort, anwendbar auf sämtliche Produkte: Drinks, Duftkerzen, Haarshampoo. Besonders weit brachte es das Kuschelprädikat im Tourismusbereich. Wellnessurlaube gelten als wichtigster Trend in der Reisebranche – und als mächtiger Wirtschaftsfaktor.
Die Suche nach der gesunden Option
Laut einer Studie des Stanford Research Institute (SRI) belief sich der weltweite Umsatz mit Wellnessreisen im Jahr 2013 auf 494 Milliarden Dollar. Jeder siebte Touristen-Dollar floss in diesen Bereich. Wächst der Markt wie prognostiziert weiterhin um zehn Prozent jährlich, rechnet die Branche 2017 mit einem Umsatz von 678,5 Milliarden Dollar. Das wären 16 Prozent aller durch Urlaub erwirtschafteten Einnahmen.
Die Urlaubs-Trends 2015
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK hat die Bedeutung von Katalogen leicht abgenommen. Demnach nutzen nur noch gut ein Drittel der Urlauber Reisekataloge, um sich über Angebote zu informieren. Das Internet ist für 45 Prozent das Urlaubs-Recherche-Tool. Glaubt man einer Analyse von Google und TUI, gilt das sogar für satte 80 Prozent aller Reisebuchungen.
Ganz persönlich auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten - so wollen immer mehr Deutsche urlauben, so das Ergebnis der GfK-Umfrage. Demnach sind Zusatzleistungen wie der Privattransfer zum Hotel, individuelle Ausflugserlebnisse oder die Wahl zwischen verschiedenen Flugklassen für Reisende immer wichtiger und werden häufiger nachgefragt.
Auch wenn Individualität von vielen geschätzt wird, so machen es setzen die Deutschen trotzdem gerne auf eines: die All-Inclusive-Reisen. Laut GfK wuchs diese Urlaubsform weiter leicht - damit wird ein Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Mittlerweile seien 24 Prozent aller Flug- und Autoreisen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurden, All-Inclusive-Reisen, so der Bericht.
Familien sind mehr unterwegs - ob mit dem Auto oder dem Flugzeug. Laut GfK ist der Familienanteil bei beiden Reisetypen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurde, überproportional gestiegen. Allein im Vergleich zur vergangenen Saison 2013/14 stieg die Zahl der Buchungen um 20 Prozent an.
Reisen im Luxussegment werden ebenfalls höher nachgefragt, so die GfK. Demnach werden besonders hohe Zuwächse bei Haushalten mit höherem Einkommen, sprich ein Haushaltsnettoeinkommen größer als 4000 Euro, mehr nachgefragt.
Grund dafür ist ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel. „Jahrzehntelang wurde Urlaub mit Exzessen in Verbindung gebracht“, sagt SRI-Forscherin Ophelia Yeung, „zu viel Essen, zu viel Trinken und zu wenig Schlaf führten dazu, dass es vielen Reisenden am Ende ihrer Ferien schlechter ging als davor.“
Damit sei es nun vorbei: „Urlauber suchen nach gesunden Optionen.“
Davon wollen auch jene Anbieter profitieren, die sich im Verbund der Healing Hotels of the World zusammengeschlossen haben. Dazu gehören derzeit weltweit 106 Hotels und Resorts, darunter auch das Kamalaya. Thailands preisgekröntes Wellness Sanctuary bietet ideale Voraussetzungen: Die Bungalows stehen inmitten üppigen Grüns auf Koh Samui. Die Gäste bleiben ein bis zwei Wochen, solch ein Mindestaufenthalt ist meistens tatsächlich Pflicht.
Offenbar muss man manche Menschen ein wenig zu ihrem Glück zwingen. Mit Erfolg: „Die meisten verlassen das Resort während des Aufenthalts kein einziges Mal“, sagt Kamalaya-Chef John Steward.
So ändern sich die Zeiten. Früher wollten die Menschen ein Kurhaus so schnell wie möglich verlassen, heute bleiben sie gerne länger.