Werner knallhart
Quelle: imago images

Bügeln Sie noch oder dampfbürsten Sie schon?

Die einen bügeln sogar ihre Unterhosen, die anderen sehen Bügeleisen-Verweigerung als Ausdruck jugendlicher Unbekümmertheit im Büro. Was also gilt heute als spießig, was wirkt verlottert? Und ist nicht die Dampfbürste der finale Tod des Bügeleisens?

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Ist es heute noch nötig, dass wir unsere Klamotten bügeln, bevor wir uns für die Arbeit schick machen? Oder längst nicht mehr? Es kann ja alles so schnell umschlagen im Leben: Da kauft man sich Anfang der Zehnerjahre einen Fernseher mit geschwungenem Bildschirm als Blickfang fürs Wohnzimmer und muss sich dann jahrelang für das Gaga-Gimmick entschuldigen.

Da hat man gerade allen in der Kantine von seiner nagelneuen Laktose-Intoleranz erzählt, prompt stellt sich raus: Die viel cooleren Gründe dafür, keine Kuhmilch zu trinken, sind Prostata-Krebs, Klima und das Tierwohl. Verdammt!

Da haben Sie sich gerade und nach Jahren den Rat Ihres Schatzes zu Herzen genommen: „Hör endlich auf, mit weißen Socken in Adiletten zum Bäcker zu latschen“, da kommen die Pariser Vorstadtkids genau damit um die Ecke. Und Sie haben sich gerade Crocs gekauft, die längst schon wieder out sind. Dafür sind die Birkenstock von damals wieder geil. Ist aber auch nichts richtig Neues mehr. Darf man die denn mit Socken tragen? Es ist ein Elend!

Da wäre es viel einfacher, man würde sich von Trends gedanklich losmachen und selber entscheiden. Oft muss man seine Extravaganz aber gut erklären, sonst blamiert man sich: „Ich faxe es lieber“ geht nicht. Es braucht noch ein „weil ich dann auch mal etwas handschriftlich ergänzen kann. Das ist persönlicher.“

„Ich gehe mittags gerne zu Vapiano“, damit isolieren Sie sich in großen Teilen unserer Gesellschaft. „…,weil mich die knautschige Pasta so an die Campingurlaube in meiner Kindheit erinnert.“ Okay, so gesehen… . „Ich brauche kein Netflix.“ Hä? „Ich habe seit meiner Arbeit als Büroleiter in Seattle einen Account bei HBO.“ Ah, ok, ergibt Sinn!

Was also ist in Gottes Namen mit dem Bügeln? Sollen wir noch? Oder machen wir uns lächerlich, wenn wir zugeben, für so etwas noch Zeit zu verplempern?

Sollten Sie morgen für einen Dax-Konzern als neu gewählter Vorstandschef Ihre Antrittsrede halten, sind perfekt geplättete Klamotten wohl das Stilmittel der Wahl. Vor allem, wenn Sie sich die perfekte Rede zutrauen. Denn dann bliebe am Ende nur die Kritik an der Garderobe.

Aber ansonsten stelle ich in letzter Zeit Folgendes fest:

  1. Es wächst eine Generation heran, die das Bügeleisen nur im äußersten Notfall anfasst. Und die inspiriert die Älteren. Bügeln gilt als die unbeliebteste Hausarbeit. Wer Socken, Unterwäsche oder gar Handtücher und Bettwäsche bügelt, wird bemitleidet. „Meinst du etwa, ich bügele noch?“, gilt als moderne Haltung für eine ausgewogene Work-Life-Balance. So wie einmal im Jahr Fenster putzen.
  2. Leichter Wellenschlag in T-Shirts, Sweatshirts und Jeans wird sozial akzeptiert. Als Ausdruck seines Lebensgefühls.
  3. Ich habe noch nie gehört, dass auf der ganzen Welt ein Mensch jemals lobend festgestellt hat, dass ein anderer Mensch eine gebügelte Unterhose trägt.

Als jemand, der privat, beim Sport und im Job so ziemlich alles mal anhat – vom Tanktop bis zum Frack – habe ich folgenden Eindruck: Grenzfall zwischen Geht-auch-ohne und Muss-glatt-gemacht-werden ist das Poloshirt. Es ist fast T-Shirt aber eben mit Kragen und Knopfleiste. Selbst wenn man das Polo ohne Knickfalten an der Leine trocknen lässt, ist es mit seinem meist etwas festeren Gewebe so unentschlossen krisselig und der Kragen so wellig, dass man da was tun muss.

Alles unterhalb der Kategorie Poloshirt kommt nach meiner Beobachtung heute fast immer ohne Glättung aus. Darüber jedoch muss Technik helfen. Aber: Es geht auch ohne Bügeleisen!

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