Berlin ist die coolste Hauptstadt der Welt. Das behauptete jüngst das Hamburger Magazin "Stern". Ich als zugezogener Berliner unterschreibe das sofort. Denn zum einen ist ja nur von Hauptstädten die Rede. Ein Vergleich mit New York, San Francisco, Sydney, Barcelona und Rio de Janeiro entfällt also.
Zum anderen geht es um Coolness. Paris, Rom, Wien, Stockholm, Bangkok sind romantisch, malerisch, stilvoll, idyllisch, quirlig. Aber cool?
Der Vergleich mit London allerdings ist kritisch. Musik, Mode, Party und so. Aber in Europas größter Stadt denkt man über Zuwanderungsquoten und den Austritt aus der EU nach. Das ist eigenbrötlerisch und demnach eindeutig uncool. Das ist der Beweis: Berlin ist die coolste Hauptstadt auf diesem Planeten.
Die zehn teuersten Städte
Stuttgart
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 9,6 €
Veränderung zum Vorjahr: +3,0%
Städte mit mehr als 25.000 Einwohnern; Stand: 4. Quartal 2013; Quelle: F+B
Hamburg
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 9,6 €
Veränderung zum Vorjahr: +0,3%
Fürstenfeldbruck
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 9,6 €
Veränderung zum Vorjahr: +5,1%
Tübingen
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 9,6 €
Veränderung zum Vorjahr: +1,9%
Konstanz
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 9,7 €
Veränderung zum Vorjahr: +0,8%
Dachau
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 10,0 €
Veränderung zum Vorjahr: +0,8%
Frankfurt am Main
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 10,2 €
Veränderung zum Vorjahr: +1,6%
Germering
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 10,3 €
Veränderung zum Vorjahr: +1,8%
Unterschleißheim
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 10,7 €
Veränderung zum Vorjahr: +4,9%
München
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 12,2 €
Veränderung zum Vorjahr: +2,5%
Und was den Flughafen BER angeht: Meine Güte, Berlin ist arm, sexy und ein bisschen dämlich. Ist doch cool! Lasst uns nicht mehr drüber reden. Kümmern wir uns lieber mal um das Image der anderen Städte.
Hamburg
Fällt Ihnen ein Spruch zu Hamburg ein? Dass Hamburg nicht mit Berlin mithalten kann, zeigt sich schon daran, dass viele Hamburg-Fans ihre Liebe zur Stadt so ausdrücken: "Also im Vergleich zu Berlin ist Hamburg viel, viel sauberer/ eleganter/ kultivierter/... ".
Zeigen Sie mir einen einzigen Ur-Berliner, der von seiner Stadt schwärmt, indem er über Hamburg lästert. Zeigen Sie mir überhaupt mal einen Ur-Berliner, der vorbehaltlos von seiner Stadt schwärmt.
Hamburg: Hafen, Mönckebergstraße, HSV, Fischmarkt, breite Straßen mit roten Reihenhäusern.
Früher hatte dieses St. Pauli ja noch seinen Reiz. Der Kiez. Einmal, mit 18, war ich mit zwei Freunden auf der Reeperbahn. War das aufregend! Wie wir da von diesen raubeinigen Haudegen angesprochen wurden, ob wir denn nicht nackten Damen beim Tanzen zugucken wollten. Eintritt frei. Wir haben dann auf die draußen ausgehängte Getränkekarte geguckt: ein Bier 15 Mark und so. Nein danke. Bei den Preisen würde das niemals unsere Welt.
Die zehn billigsten Städte
Halberstadt
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,5 €
Veränderung zum Vorjahr: -1,5%
Städte mit mehr als 25.000 Einwohnern; Stand: 4. Quartal 2013; Quelle: F+B
Nordhausen
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,5 €
Veränderung zum Vorjahr: -2,6%
Pirmasens
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,5 €
Veränderung zum Vorjahr: -0,7%
Plauen
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,5 €
Veränderung zum Vorjahr: +0,4%
Zeitz
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,4 €
Veränderung zum Vorjahr: +1,1%
Straßfurt
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,4 €
Veränderung zum Vorjahr: +2,82,6%
Idar-Oberstein
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,4 €
Veränderung zum Vorjahr: -2,9%
Görlitz
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,3 €
Veränderung zum Vorjahr: +1,2%
Gera
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,3 €
Veränderung zum Vorjahr: -1,1%
Zittau
Kaltmiete pro Quadratmeter bei Neuvermietungen: 4,3 €
Veränderung zum Vorjahr: -1,2%
Für mich ist Hamburg bis heute die elegante Dame mit den verruchten Hintergedanken. Passt das noch? Jetzt, wo St. Pauli so gentrifiziert ist und Sex im Internet stattfindet? Wofür steht Hamburg?
Überall kursiert übrigens das dusselige Gerücht, der Hamburger als Frikadellenbrötchen habe seinen Namen wegen des britischen Wortes „ham“. Dabei ist auf einem klassischen Hamburger überhaupt kein Schinken drauf. Ist Hamburg das egal?
Der Hamburger heißt Hamburger wegen Hamburg, entweder wegen unseres Hamburgs (und seinem traditionellen Braten auf Brot) oder eines Hamburgs in den USA, das den Namen demnach wiederum von unserem kopiert hat. Hier kann Hamburg weltweit bestimmt noch mehr draus machen. Mein Claimvorschlag deshalb: Hamburg - Home of the Whopper.
Köln
Karneval, Gay Pride, Kölsch, WDR, RTL. Köln, die Medienstadt, die Event-Metropole. Immerhin! Und was noch? Köln ist eng. Kölner wollen nicht nach Berlin umziehen, weil Berlin ja viel zu groß ist. Sie verkennen, dass es mit der langsamen Kölner U-Bahn vom Kölner Westen in Bocklemünd genauso lange nach Mülheim im Osten dauert, wie mit der flotten Berliner U-Bahn vom Bahnhof Zoo bis Pankow.
Köln ist träge. Und will so sein. Ein riesiges Dorf. Eine Partyhymne nennt Köln den geilsten Arsch der Welt. Und alle kreischen mit.
Wenn mal was flott geht, muss der Klüngel versagt haben. Deutschland spottet über den Berliner Flughafen und die Hamburger Elbphilharmonie. Darüber, dass nach dem Einsturz des Stadtarchivs die neue U-Bahnlinie in den Süden nun statt ursprünglich 2010 frühestens 2020, wenn nicht gar erst 2022 fertig wird, spricht aber kaum einer.
Womöglich, weil man von dieser Stadt nichts erwartet. Köln ist Millionenstadt und die viertgrößte Deutschlands. Aber wer kennt den langjährigen Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters? Köln verkauft sich bislang unter Wert. Die Kölsche Art ist nicht bräsig, sie ist unkompliziert.
Hässlich aber mit Herz
Die Ur-Berliner werden nicht müde zu erklären, dass ein Zugezogener niemals Berliner sein kann. Wie provinziell. In Köln darf sich jeder sofort zuhause fühlen. Die Kölner könnten mit ihrer Weltoffenheit politisch Akzente setzen.
Köln ist keine Augenweide. Viele Kölner sagen: Hässlich, aber mit Herz. Jahrzehntelang hat Köln vor sich hin gedöst. Aber davon gehen die Nachkriegs-Bausünden nicht weg. Zentrale Plätze wie Ebertplatz, Rudolfplatz, Zülpicher Platz, Barbarossaplatz sind eigentlich laute, vierspurige Straßenkreuzungen mit Außengastronomie.
Die zehn Städte mit den meisten Weihnachtsmarktbesuchern
Hamburg
1,8 Millionen Besucher
Nürnberg
2,0 Millionen Besucher
Erfurt
2,0 Millionen Besucher
Leipzig
2,2 Millionen Besucher
Dresden
2,5 Millionen Besucher
München
2,8 Millionen Besucher
Stuttgart
3,0 Millionen Besucher
Frankfurt am Main
3,0 Millionen Besucher
Dortmund
3,6 Millionen Besucher
Köln
4,0 Millionen Besucher
Aber jetzt tut sich was. Am Rhein und hinter dem Dom wird die Stadt umgebaut und aufgelockert. Für die Kölner ist das wie ein schöner Schock. Die Lokalpresse frohlockt schon, Köln sei am Durchstarten. Kölner sind längst entspannt im Kopf. Jetzt passt sich auch noch das Stadtbild an. Mein Claim: Köln - Der geilste Arsch lässt es jetzt krachen. Oder wie sehen das die Kölner?
Stuttgart
Ja, Stuttgart. Zu München und Frankfurt ein anderes Mal. Das Image von Stuttgart hätte so schön sein können. Für mich waren Düsseldorf, Leipzig und Stuttgart die drei deutschen Städte auf den Aufstiegsplätzen in der zweiten Liga.
Düsseldorf: dynamisch, schuldenfrei, selbstbewusst. Leipzig: das neue Berlin. Stuttgart: eine Stadt erfindet sich neu.
Kulturell, subkulturell, städtebaulich. Stuttgart, der einzige Leuchtturm zwischen München und Frankfurt. Aber nach der Bahnhofs-Schlichtung steht Stuttgart für mich nun für das Wutbürgertum. Vor meinem geistigen Auge: pensionierte Lehrer mit grauen Bärten, die sich in All-Wetter-Jacken und mit Fahrradhelm an Bäume ketten. Im Hintergrund Wasserwerfer, deren Strahl Menschen die Augenlider abreißen.
Der Protest gegen den neuen Bahnhof ist das gute Recht der Wutbürger - und auch nachvollziehbar. Aber nicht anziehend. Mein Claim: Stuttgart - zur Schönheits-OP geprügelt.
Stuttgart ist ein Geheimtipp für Grüne der ersten Generation, denen Freiburg zu jugendlich ist. Und auf absehbare Zeit eine einzige Baustelle. Ich gucke mir das ganze in zehn Jahren noch mal an. Vielleicht steigt Stuttgart ja doch noch auf. Oder was sagen die Stuttgarter?
Bielefeld
Warum, in Gottes Namen, jetzt Bielefeld? Diese exakt 800 Jahre alte Stadt liegt im Herzen einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen der Republik. In OWL - Ostwestfalen-Lippe. Mit Weltkonzernen wie Bertelsmann, Dr. Oetker und Miele. Bielefeld liegt idyllisch am Teutoburger Wald und ist größer als Freiburg oder Bonn. Und trotzdem weiß keiner etwas mit der Stadt anzufangen. Seit Jahren kursiert der Gag: Bielefeld gibt es nicht. Googeln Sie mal „Bielefeld-Verschwörung“.
Das einzige, was die meisten Menschen von Bielefeld wissen: Da gibt es doch diesen Gag, dass es Bielefeld nicht gibt. Viele Bielefelder nervt das. Aber warum? Was für ein Image haben Karlsruhe, Würzburg, Göttingen, Duisburg, Magdeburg oder Darmstadt? Fehlanzeige.
Bielefeld aber ist die Stadt, die es nicht gibt. Das ist ein Anfang. Jetzt muss man nur etwas draus machen. Aber was? Das Stadtmarketing hat sich bemüht: „800 Jahre Bielefeld - Das GIBT`S DOCH gar nicht.“ Verstehen Sie? Gibt es nicht? GIBT´S DOCH! Ha!
Wie kann man das weltweit einzigartige Image noch weiter ausschlachten, nicht zu existieren? Mir fällt einfach nichts ein. Verdammt! Ihnen, liebe Bielefelder?
Und dann die vielen Städte ganz ohne Image. Aber wo kein Image, kann auch keins kippen. Was, wenn Berlin plötzlich nicht mehr als kribbelnder Mix aus Geschichte und Selbstverwirklichung gilt, sondern als geschichtsbesoffen und selbstverliebt?
Wenn Hipster sich selber nicht mehr hip finden? Wenn App-Entwickler mit ihren Start-ups nach Leipzig ziehen? Wenn Berlin fertiggebaut ist und sich nicht mehr ständig selbst neu erfindet? Wenn Berlin nicht mehr sexy ist, dann fällt womöglich auf, wie arm und grau Berlin jenseits der Top-10-Sightseeing-Spots auch ist. Nicht ein Dax-Konzern sitzt in der Hauptstadt. Ich hoffe, Berlin sorgt für andere Zeiten schon mal vor. Dit wäre extrem cool.