Werner knallhart

Deutschlands heimliche Klo-Revolution

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Ein herrlicher Traum von Hygiene

Wenn hier überhaupt jemand meckern darf, dann Männer. Jede Reinigungskraft wird bestätigen: Die schmuddeligeren Toiletten sind in der Regel die von den Frauen. Aber uns Männern bleiben ja die Urinale. Und Betriebe, Behörden, Restaurants sparen Platz und Geld. Und wer Unisex-Toiletten absurd findet, der sei daran erinnert: Zuhause gilt seit jeher Unisex. Von Zügen, Flugzeugen und Fernbussen mal abgesehen.

Drittens tanken die Toilettenfrauen und -männer Selbstvertrauen. Dank des Mindestlohns. Nur wir Gäste brauchen Aufklärung: Beim Personal, das vor Toiletten etwa in Kaufhäusern das Schälchen mit dem Kleingeld bewacht und zwischendurch die Toiletten reinigt, gab es bislang Unklarheit. Waren sie nun Reinigungskräfte, die mit dem tarifvertraglichen Mindestlohn zu bezahlen waren?

Mitunter war die Rechtsprechung der Auffassung: Wer weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit putzte und überwiegend am Schälchen auf Spenden wartete, gehöre nicht dazu. In einzelnen Fällen wurde das Personal von den Reinigungsunternehmen aufgeteilt - in die Gruppe der Putzkräfte und die zur Bewachung des Tellers. Letztere wurden dann gerne mal mit Löhnen unter Mindestlohn abgespeist.

Jetzt gilt für alle zumindest der gesetzliche Mindestlohn. Der Bundesinnungsverband des Gebäudereeinigerhandwerks spricht ihnen allesamt sogar den tariflichen Mindestlohn zu, der im Westen bei 9 Euro 55 liegt (Ost: 8 Euro 50).

Damit dürfen auch wir Gäste aufatmen. Die Angestellten sind nicht von unseren Spenden abhängig. Sie sind nicht Bettler, sie sind Reinigungskräfte. So wie Supermarktkassierer auch nicht auf Spenden warten. Spenden Sie an der Eisdielentheke?

Diese Dinge sind schmutziger als man denkt
Ein liebevoller Kuss hat es ganz schön in sich: Forscher berichten in einem Artikel für das Fachjournal "Microbiome ", dass bei einem zehn Sekunden andauernden Zungenkuss rund 80 Millionen Bakterien zwischen den Mündern hin und her wandern. Eine weitere Erkenntnis: Paare, die sich mindestens neun Mal am Tag intensiv küssen, tragen sogar die gleiche Zusammensetzung von Bakterien in ihren Mündern. Je öfter sie sich küssen, umso ähnlicher wird die mikrobielle Besiedelung. Quelle: dpa
Forscher der Universität Arizona haben Geschirrtücher in den USA und Kanada untersucht. Dabei zeigte sich, dass 90 Prozent davon mit Bakterien übersät waren - vor allem Darmbakterien. Beim Abtrocknen des Geschirrs oder Abwischen anderer Oberflächen in der Küche würden diese unwissentlich mit Bakterien beschmiert, warnen die Forscher. "Sie meinen vielleicht, dass Sie den Tisch oder das Brettchen reinigen, bevor Sie Essen darauf platzieren - in Wahrheit verteilen Sie mit einem schmutzigen Küchenhandtuch Hunderttausende Bakterien". Die Forscher empfehlen, die Handtücher nach jeder Benutzung in die Wäsche zu geben. Quelle: Fotolia
Auch in Putz- und Spülschwämmen fühlen sich Bakterien besonders wohl. Bis zu 100 Millionen Bakterien pro Quadratzentimeter tummeln sich dort. Praktischer Tipp: Häufiger wechseln und den Schwamm zwischendurch bei voller Leistung etwa zwei Minuten in der Mikrowelle erhitzen. Das tötet die meisten Keime ab. Quelle: dpa
Sie sehen niedlich aus, doch der zarte Flaum von Enten- und Hühnerküken ist ein wunderbarer Nährboden für Salmonellen, die sich in ihren Exkrementen befinden. Wer handzahmes Federvieh streichelt, sollte sich danach also gründlich die Hände waschen. Sonst riskiert er eine unschöne Darminfektion. Quelle: dpa
Pecunia non olet - Geld stinkt nicht, sagt eine lateinische Redensart. Wenn es das nur täte. Denn unser Geld ist schmutzig. Auf Geldscheinen, Münzen und Kreditkarten tummeln sich Fäkalkeime. Je nach Region fanden Forscher schon mehr Fäkalkeime auf Geldscheinen als auf einer Toilettenbrille. Quelle: dpa
Zum Händewaschen gehört? Richtig, Wasser und Seife! Gerade Seifenspender sind leider aber auch ein hervorragendes Sammelbecken für Bakterien. Das belegten Forscher der Universität Arizona. Die untersuchten 127 nachfüllbare Seifenspender in öffentlichen Toiletten und Restaurants. Fast ein Viertel davon war mit Bakterien verunreinigt. Ein kleines Päckchen mit desinfizierenden Einmalhandtüchern in der Handtasche macht sich also bezahlt. Quelle: dpa
Die Chancen, sich beim Ausfüllen eines Lottoscheins einen Schnupfen zu holen, stehen gut. Kugelschreiber, die für Kunden ausliegen - sei es im Kiosk, in der Bank, in Geschäften oder Hotelzimmern - sind voll von Krankheitserregern. Also besser den eigenen Stift zücken. Quelle: dpa

Der Mindestlohn stärkt die Position des Toilettenpersonals als Handwerkerinnen und Handwerker. Heute wie gestern bekommen sie übrigens in der Regel das gesammelte Kleingeld nicht direkt ausbezahlt. Und schon gar nicht komplett.

Je nach Sammelplatz wären sie sonst regelrechte Großverdiener, denn mitunter kommen an einigen Anlagen täglich Hunderte von Euro zusammen. Tatsächlich fließt das Geld oft in die Kassen der Reinigungsfirmen, die davon die Löhne bezahlen.

Eigentlich müssten wir Gäste den freiwilligen Obolus verweigern. Aus Respekt. Denn dann würden die Reinungsunternehmen Druck auf die Auftraggeber (Warenhäuser, Kinos, Restaurants, Diskos, Parteitage) machen, ihrerseits einen höheren Beitrag zu zahlen, ohne den von den Kunden einzufordern.

Und die wenig inspirierende Geldsammelei vor Kunden, die mit halb trocken geföhnten Händen in ihren Taschen beschämt nach Münzen suchen, hätte ein Ende. Es wäre Zeit für mehr Handwerk frei. Wie wäre es etwa im Winter mit Garderoben in Warenhäusern? Da kommt das Trinkgeld ganz nebenbei rein. Nur so eine Idee.

Was kommt als Nächstes? Materialforscher haben dieser Tage ihre neueste Errungenschaft vorgestellt. Einen Stoff, der Wasser regelrecht abstößt. Abperlen tut es ja schon von Teflon. Aber dazu muss man die Pfanne kippen. Beim neuen Material springt das Wasser von der ebenen Oberfläche regelrecht ab wie von der heißen Herdplatte.

Geplanter Einsatzort: der Sanitärbereich. Und damit wird plötzlich alles wunderbar einfach und ekelfrei. Im Stehen pinkeln, Unisex und danach reinigen: ein gemeinsamer herrlicher Traum von Hygiene. Wir leben in einer Übergangszeit. Unsere Enkel werden über unsere Probleme nur milde lächeln: Pipikram!

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