Werner knallhart

Europapark: Wie der weltbeste Freizeitpark uns ködert

Da kann Disney einfach nicht mithalten: Still und leise hat Familie Mack den Europapark in den vergangenen Jahren zu einem Entertainment-Imperium von Weltrang ausgebaut. Aber die Perfektion hat Grenzen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Roland Mack (links) sitzt im Wagon der

Der Europapark gilt seit Jahren offiziell als der beste Freizeitpark der Welt. Ach Gottchen, hörte ich schon einige von Ihnen sagen, das wird schon so eine Pillepalle-Auszeichnung sein. Sonst wär´s ja wohl irgendein Disneyland, das weltweit führend ist.

Aber es ist die Auszeichnung der US-Fachzeitschrift „Amusement today“ und die wird in der Branche als die wichtigste Auszeichnung überhaupt gehandelt.

Nicht umsonst verweist der Europapark auch stolz darauf, dass bislang noch kein anderer Park in Europa diesen Preis jemals erhalten hat.

Kurioserweise wissen wohl fast alle Deutschen: Disneyland ist in Paris. Aber der Europapark - ist der nicht in Brühl oder sowas?

Nein, das ist das Phantasialand. In Brühl bei Köln. Das Phantasialand ist im Vergleich zum Europapark so, wie eine Weißweinschorle im Vergleich zu einem Glas kräftigen Merlots. Wenn Sie beides probieren wollen, beginnen Sie mit dem schwächeren, sonst sind Sie am Ende enttäuscht.

Die beliebtesten Freizeitparks in Deutschland bis 2016

Der Europapark liegt direkt bei Rust, dem wahrscheinlich einzigen 4000-Seelen-Dorf mit zwei Autobahn-Ausfahrten. Auf der A5 bei Freiburg. Mit über fünf Millionen Besuchern im vergangenen Jahr ist der Europa-Park nach eigenen Angaben der mit Abstand größte Freizeitpark in Deutschland und der saisonale Park mit den meisten Besuchern weltweit. 100 Millionen Menschen haben den Park seit seiner Gründung 1975 besucht. Und mit 3.500 Mitarbeitern im Sommer ist er zu einem gigantischen Arbeitgeber in der Region geworden.

Die Macks verdienen mit ihrem Park und dem Achterbahnbau derart viel, dass sie jedes Jahr eine zweistellige Millionensumme in neue Attraktionen stecken können. So entsteht direkt neben dem Europapark bis 2019 nun auch noch ein riesiger Wasserpark, der rund ums Jahr Besucher anlocken soll.

Was aber macht den Europapark denn zu solch einem kräftigen Merlot? Ich gebe zu, Sie lesen gerade einen Text eines Europapark-Fans, aber ich will versuchen, mich neutral auszudrücken: Diese Macks sind einfach die Götter ihres Metiers!

Sie haben verstanden, wie man aus einem Märchenwald mit Streichelzoo eine Welt entstehen lässt, die am Ende alle begeistert: Kinder, Teens, Eltern, Großeltern, Leute auf Betriebsausflug, verliebte Paare, Studenten-Gruppen, Schwarzwald-Touristen.

Als ich zum ersten Mal Mitte der 80er-Jahre als aufgeregter Schuljunge mit meiner Familie in den Park gefahren bin, waren die Highlights das, über das einige andere Freizeitparks bis heute kaum hinaus gekommen sind: Die Wildwasserbahn mit ihren schwimmenden Gondeln in wildwestlicher Holzstamm-Optik hat uns in Herzrasen versetzt. Außerdem gab es dort eine Western-Achterbahn Grottenblitz, die ihre Achten aber nur in der Horizontalen zog, die uns aber vorkam wie die Erfüllung eines wunderbaren Traumes.

All diese Attraktionen von damals sind heute auch noch da, sind aber nur noch nettes Beiwerk, in einem Park der mittlerweile fast alles der Idee unterordnet, den Park in Bereiche europäischer Länder aufzuteilen. Der Eingangsbereich ist deutsch, die Achterbahn im Dunkeln liegt im französischen Dorf, die Euro-Mir im russischen, der Abenteuer-Spielplatz ist irisch, der Musical-Dome britisch und so weiter. Im Zuge der Europäisierung des Europaparks wurde schließlich auch die Westernbahn Grottenblitz zum Alpenexpress Enzian und gehört heute zum Themen-Bereich Österreich.

Bemerkenswert ist aber, was der Europapark erfunden hat, um diese olle Bahn zu neuem Glanz zu verhelfen. Wer will, kann die Fahrt mit einer VR-Brille auf der Nase absolvieren. Und sieht dabei einen am Computer animierten Film von Cartoon-Figuren, die durch eine bizarre Abenteuerwelt fliegen. Auf dem Rücken eines Drachen. Dank der virtuellen Realität fühlt man sich wirklich wie im Flug. Mit dieser Technik alte Achterbahnen wieder attraktiv zu machen, findet weltweit Anklang - und auch Absatz. Von einem kleinen Schwarzwälder Park, der sich einst vom US-Disneyland die Western-Welt und das Maus-Maskottchen abgekupfert hat, ist ein Gigant geworden, der heute seine Ideen in alle Welt exportiert.

Die Grenzen der Perfektion

Das, was aber selbst achterbahnferne Senioren die Tränen des Glücks in die Augen treibt, ist die Liebe der Macher zum Detail. Im Wartebereich zu all den Fahrten ist förmlich jede einzelne Kachel handverziert, lodern Fackeln mit echtem Feuer, erzählen Fantasie-Figuren die Geschichten, die einem die Wartezeit verkürzen. Selbst im Ausstiegsbereich der Attraktionen, wo alle adrenalin-besoffen rausrennen, sind die Flure sorgsam dekoriert. Immer passend zum jeweiligen Land. Ich habe einem Freund in Athen mal ein Foto aus dem griechischen Themenbereich geschickt mit seinen weiß getünchten Häusern und Windmühlen. Und er schrieb ernsthaft zurück: „Mykonos? Wieso hast du mir das nicht vorher gesagt?“

Selbst in den Toiletten fühlt man sich, als pinkele man im Urlaub.

Die neueste Attraktion 2017 ist ein Flugsimulator, das Voletarium. Der beginnt mit einem Sturzflug aus dem Weltall durch die abwechslungsreichen Landschaften von - na, wer kommt drauf? - Europa. Geht der Flug durch die Wolkendecke, weht einem unhörbar ein kalter Dunst um die Nase, fliegt man über Parkanlagen riecht es nach Blumen.

Der Europark ist immer ein bisschen akkurater und sauberer als nötig. Er bietet immer ein bisschen mehr, als man für sein Geld erwartet. Der Europapark ist auch eine Parklandschaft wie auf einer Landesgartenschau, eine entspannende Phantasiewelt mit Musik, Tanzshows, Biergärten und Flußufer-Idylle. Das langweilt die Kleinen, aber fasziniert die Großen. So kriegen die Macks alle Generationen.

Problemfall Floßfahrt

Aber wie bei allem, was eigentlich wunderbar ist, gibt es noch Platz für Gemecker. Der Europark hat den Bruch vom US-Imitat zum selbstbewussten Trendsetter nicht an allen Stellen galant überwunden. Vielleicht ist es ja traurige Art authentisch europäisch, aber zumindest nicht sehr nett, wie der Park die alte Abenteuer-Floßfahrt inszeniert. Auch wenn die Fahrt nicht „Unsere schöne Kolonialzeit“ heißt: In einem Park zu Europa kann eine Floßfahrt durch das Afrika der Buschmänner ja nur eines sein: Eine Reise in die Kolonien. Ein Pavillon in der Nähe zur Floßfahrt heißt denn auch Colonial House.

So greifen die Parkplaner einen düsteren Abschnitt europäischer Geschichte auf. Allerdings scheint es, als wäre es ihnen nicht bewusst.

So stehen bei der Floßfahrt halbnackte Schwarze in herrischer Pose auf einem Felsen, klettern Afrikaner Bäume auf und ab, wie in der Piraten-Bahn einige hundert Meter weiter ein Orang-Utan. Und in einer Strohhütte steht ein Medizinmann in Angst einflößender Kutte, hält einen menschlichen Totenschädel in der Hand und murmelt vor sich hin. Ist so unser südlicher Nachbarkontinent?

Wer will denn schon nach Entenhausen?

Aber die Darstellung der einst von Europa unterdrückten Menschen wirkt zumindest reichlich unbedarft. Im Bestreben, die perfekte heile Welt zu inszenieren, wird die unrühmliche Kolonial-Geschichte mit der Bezeichnung „Abenteuer“ verwedelt.

Der Europapark schreibt auf Anfrage dazu:

„Der Europa-Park möchte seinen Gästen eine möglichst realitätsgetreue Darstellung der einzelnen Themenbereiche vermitteln. Dabei wird bewusst mit Klischees gearbeitet, die sicherlich teilweise auch überspitzt dargestellt werden. Einzelne ältere Attraktionen werden Schritt für Schritt einer Überarbeitung unterzogen. Diese Planungen sind auch für die Attraktion „Floßfahrt“ im Abenteuerland angedacht.“

„Angedacht“.

Besucht ein Franzose das französische Dort, wird er sagen: So schön ist Frankreich also aus Sicht der Deutschen. Jede europäische Nation kommt auf charmante Weise gut weg in der perfekten Welt vom Europapark. Aber was würden wohl Menschen aus dem Kongo, Südafrika oder Äthiopien sagen, wenn sie sehen würden, wie die Europäer von Rust aus auf Afrika schauen? Auf böse drein blickende schwarze Stammeshäuptlinge in Lendenschurzen, die wilde Raubtiere unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Da haben es andere Parks leichter, die nicht echte Nationen imitieren, sondern ganz unverfänglich reine Phantasiewelten präsentieren. Der Europapark mit seinen Drang nach Perfektion wird aber sicher in der Lage sein, schnell eine freundliche Lösung für seine Medizinmann-Grusel-Folklore zu finden. Wäre gut. Wer will denn schon nach Entenhausen?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%