Werner knallhart

Großes Geschäft - Die Abzocke an öffentlichen Toiletten

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Gastronomen öffnen sanitäre Einrichtungen

Die Handelskammern geben dazu spezielle Merkblätter für Gastronomen raus, allerdings gerne einmal mit dem Hinweis "Kein Anspruch auf Vollständigkeit". Denn das Recht auf Pinkeln passt in Deutschlands Ländern nicht komplett in eine Broschüre. So ist das, wenn man im 21. Jahrhundert die Bundesländer neue Verordnungen machen lässt.

Und so schaffen Burger King und McDonald´s, wo möglich, nach und nach ihre Toiletten ab, wie etwa am Bielefelder Hauptbahnhof. Dort wird man dann auf die öffentlichen Toiletten mit Drehkreuz geschickt, durch die kaum der Rollkoffer passt, und die mitunter einen ganzen Euro kosten (auch das ist nicht einheitlich), ein Teil wiederum als Gutschein erstattet. Dieser Gutschein wird dann aber nicht von allen Gastronomen angenommen. McDonald´s im Mainzer Hauptbahnhof macht zum Beispiel nicht mit. Begründung: "Keine Ahnung. Mein Chef will das nicht." Da kostet dann das kleine Getränk zum Burger 49 Cent und der Besuch auf dem Klo das Doppelte. So geht Pipi 2014.

Aber die Spitze des dampfenden Haufens: Galeria Kaufhof lässt alle Kunden kostenlos aufs Klo, weil sie ja nicht zwischen kostenlos pinkel-befugten Restaurant-Besuchern und sonstigen Kunden unterscheiden können. Der Kaufhof nennt es aber gönnerhaft Service. Und freut sich natürlich über eine Spende für die tüchtigen Reinigungskräfte, die fleißigen Bienen. So, und jetzt platzt mir mal der Kragen:

Es ist doch zum Austreten! Warum soll man für die Reinigungskräfte immer etwas spenden? Warum nehmen wir es hin, dass Gastronomen und Einzelhändler ihre Reinigungskräfte derartig demütigen und zu Bettlern degradieren? Das ist an der bundesweiten Klo-Katastrophe das Allerschlimmste.

Wie wäre es, wenn man die Reinigungskräfte genauso angemessen bezahlt wie die Kassierer und Lageristen? An der Kasse steht schließlich auch kein Teller für eine milde Gabe. Die Putzfrauen und -männer auf ihren Hockern vor den Klos sind doch die Deppen der deutschen Dienstleistungsbranche. Alleine dafür lohnt sich schon der Mindestlohn.

Um die Gastronomen und Warenhausbetreibern zu Respekt zu zwingen: Ihr seid für saubere Klos zuständig! Erspart uns das peinliche Nesteln im Portemonnaie nach Kleingeld direkt nach dem Händewaschen. Erspart euren Toiletten-Mitarbeitern den Klimperkram mit Kupfergeld. Anderer Leute Fäkalien wegzuschrubben, ist schon hart genug.

Aber es gibt in all diesem erbärmlichen Klo-Chaos einen Lichtblick. "Die nette Toilette". Bei dieser Aktion öffnen Gastronomen ihre sanitären Anlagen selbst für Passanten, die gar keine Gäste sind. Kostenlos. Dafür erhalten sie von den Kommunen eine Aufwandsentschädigung irgendwo zwischen 40 und 150 Euro pro Monat. Dadurch ersparen sich die Städte den teuren Unterhalt öffentlicher Toiletten und die Gastronomen bekommen Besuch, der ganz nebenbei mal einen unverbindlichen Blick in die Räumlichkeiten wirft. Werbung, die sogar aus Steuergeldern bezahlt wird.

Achten Sie mal auf die Aufkleber am Eingang. Schon über 150 Kommunen machen mit bei "Die nette Toilette", wie Detmold, Bremen, Kaiserslautern und Freiburg. Vor allem im Südwesten der Republik wagen die Menschen dieses unbürokratische Experiment.

Ist das nicht mal erfrischend unverkrampft? Einfach laufen lassen und gucken, was kommt. Das würde einem doch so jeder Urologe empfehlen.

Doch der ganze Rest ist Murks: teuer, unfair, chaotisch geregelt. Wieder neue Gesetze, die es so kompliziert machen, dass es Kommunen, Gastronomen und Gäste nicht mehr begreifen. Die Nichtraucherschutz-Gesetze lassen grüßen.

Geht es noch blöder? Ginge es: mit einer Extra-Pinkel-Gebühr für Ausländer. Mal googlen, ob es das in Bayern schon gibt.

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