Werner knallhart
Und welcher Name sollte auf Ihrem Klingelschild stehen? Quelle: imago images

Gestatten? Mein Name ist Airbus Ploppi Kuhfuß

Eine Expertenkommission der Bundesregierung findet ganz aktuell: Wir sollten in Deutschland mehr Freiheit bei der Wahl unseres Namens bekommen. Gut so. Es ist schließlich unser Name. Es sollte unsere Entscheidung sein, ob wir das kulturelle Erbe unserer Nation pflegen wollen, oder heißen möchten wie ein Konzern oder eine Dosensuppe.

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Sollen Firmen und Institutionen mehr Freiheiten haben als wir Menschen? Bei der Wahl des eigenen Namens und denen ihrer Produkte haben sie es nämlich.

Karstadt wurde zu KarstadtQuelle dann zu Arcandor. Kraft wurde zu Mondelez. Daimler-Benz wurde zu DaimlerChrysler, dann zu Daimler. Facebook hieß anfangs TheFacebook. O2 war mal Viag Interkom. Bahlsen-Chips sind heute Lorenz-Chips. Und Raider heißt längst Twix. „Sonst ändert sich nix“, hieß es damals. Aber wenn ein Mensch seinen Namen ändern will, scheint es bislang, als gehe die Welt unter.

Warum bei uns Menschen so pingelig? „Weil das ja klar ist“, könnte man frei nach Edmund Stoiber einwenden. Schließlich geht es bei Rama und TVSpielfilm und YouTube ja „nur“ um Markennamen. Was soll’s? Weg damit und neu. Aber bei uns Menschen darf man nicht so leichtfertig am Namen herumdoktern. Andererseits: Warum eigentlich nicht?

Ein sympathischer Grund wäre, dass das strenge Namensrecht uns vor uns selbst schützen will. Schlechte Namen können wirklich verheerend sein. Nicht umsonst heißt Vicks Vaporub bei uns im deutschsprachigen Raum Wick („Wahporupp“). Und aus diesen Erwägungen heraus ist es auch gut, dass Eltern, die sich für besonders witzig halten, ihre Kinder nicht Pumuckl oder Vollpfosten nennen dürfen. Das Kindeswohl geht vor die Comedy-Karriere der Erzeuger.

Aber irgendwann übernimmt das Kind für sich selber Verantwortung: Studium abschließen oder Kneipe aufmachen? Impfen oder krank werden? Sport oder Couch? Und das Schutzbedürfnis entfällt so auch beim Namensrecht. Wenn sich die 43 Jahre alte Gabriele Meyer gerne in Vollpfosten Meyer umbenennen möchte, dann ist es doch zunächst einmal eigentlich ihre höchst private Angelegenheit. Weil es IHR Name ist.

Wir alle dürfen selbst entscheiden, was wir essen. Was dazu führen kann, dass wir verfetten und wir am Herzinfarkt sterben. Aber das selber zu entscheiden, ist ein Stück Freiheit.

Wir dürfen entscheiden, welche Farbe und Form unsere Kleidung hat. Wir dürfen uns sogar mit der Papierschere ohne Spiegel selbst die Haare schneiden. Was uns für Wochen sozial in eine unliebsame Sonderrolle katapultieren könnte, zumindest, wenn uns bei diesem Handwerk die Erfahrung fehlt, und wir aussehen, wie vom Bus überfahren.
Und trotzdem quatscht uns da der Gesetzgeber nicht rein. Selbst ein Tattoo quer über das Gesicht für den Rest unseres Lebens ist erlaubt. Zum Glück!

Beim Namen aber wird Zirkus gemacht. Der soll nach Möglichkeit so bleiben, wie er ist. Ich möchte jetzt keine Beispiele nennen, aber es gibt sicherlich viele Leute, die gerne ihren Namen für immer ändern würden. Und selbst, wenn es nur zum Spaß oder zur eigenen Inspiration ist. Oder aus Wichtigtuerei. Wen geht es etwas an, warum wir heißen, wie wir heißen?

Selbst wenn ein Stück deutscher Kultur verloren ginge, weil am Ende keiner mehr Schniggendiller, Kluckhuhn oder Werner heißt: Ich finde es wichtiger, dass die Menschen ihren Namen mögen. Wenn dann Frau Kuhfuß sagt: „Ich möchte meinen einzigartigen Namen aber behalten“, dann wunderbar. Aber warum soll ein Herr Müller nicht das Recht haben, künftig auch Herr Kuhfuß zu heißen, ohne eine Frau Kuhfuß zu ehelichen, die er möglicherweise weder kennt, geschweige denn liebt? Warum sind wir gezwungen, Namen mit uns herumzuschleppen, um der Gemeinschaft entgegenzukommen?

Nun will eine Regierungskommission aus Verwaltungsexperten, Richtern und Wissenschaftlern das Recht auf Namensänderung in Deutschland ein wenig menschenfreundlicher machen. Und es wirkt, als würde unser Name regelrecht zu einem Markennamen. Warum auch nicht?

Nach vielen Monaten der Beratung seit 2018 (so lange dauerten Entscheidungsprozesse damals vor Corona noch) gibt es einige Vorschläge. Neben kleinen Schritten zu mehr Freiheit bei Doppelnamen (beide Eheleute dürfen dann doppelt, deren Kinder auch) gibt es sogar eine für deutsche Verhältnisse regelrecht revolutionäre Idee.

Bei Namensänderungen gilt bislang ja grob gesagt: Es muss einen gewichtigen Grund geben. Heirat, Scheidung, Adoption, Angleichung von ausländischen Namensvarianten in die deutsche (so wird aus dem polnischen Wojciech der Adalbert). Solche Gründe.
Auch bei schwerer seelischer Belastung durch den Namen ist eine Änderung möglich. Da wird dann mit Gutachten von Profis gearbeitet.

Aber das Argument „Ich heiße jetzt schon so lange Marcus, ich würde jetzt gerne einfach mal Alexander heißen“, das zählt bislang nicht. Und jetzt kommt das Verrückte: Das soll dem Expertenrat nach künftig gehen. "Als anerkennenswerter Grund für eine Namensänderung sollte auch allein der Wunsch des Namensträgers angesehen werden", heißt es ganz aktuell von der Kommission. Und die meinen damit Vor- und Nachnamen. Jeder ab 16 Jahren dürfte alle zehn Jahre einen neuen Namen wählen. Alle zehn Jahre!

Wo liegen die Grenzen bei der Namensänderung?

Eine Grenze: das öffentliche Interesse, etwa wenn der neue Name dazu genutzt werden soll, seine eigene Kreditunwürdigkeit zu vertuschen. Ich bin der Meinung, das ließe sich problemlos anders verhindern: Wie etwa in Dänemark könnte jeder von uns eine Art Bürgernummer bekommen. Wer einmal zu seiner Geburt die 5734845890 zugeordnet bekommt, könnte anschließend beliebig oft den Namen wechseln, ohne untertauchen zu können. Fertig. Nicht umsonst halten es die Dänen mit dem Namensrecht schon heute viel lockerer als wir.

Außerdem solle wie zurzeit auch künftig gelten: Der neue Wunschname darf nicht "sittenwidrig oder in sonstiger Weise mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar" sein. Wer also gerne "Adolf Hitler" heißen möchte, der sollte allein schon aus Namensrechtsgründen noch einmal in sich gehen.

Aber ansonsten: Freie Bahn! Wir denken dieser Tage doch so vieles unkonventionell neu. Weg mit dem alten Ballast aus Das-war-schon-immer-so-Zeiten. Warum etwa soll wie noch heute das Geschlecht eindeutig aus dem Namen herauslesbar sein, wenn doch mittlerweile anerkannt ist, dass die bloße Einteilung in Mann und Frau zu kurz greift? Und vor allem: Was geht uns das Geschlecht des Namensträgers eigentlich an? Nur weil das bislang üblich war, muss es nicht für alle Ewigkeit Bestand haben. Der Name ist doch kein Service für andere. Wir haben kein Recht darauf, die kulturellen Wurzeln aus dem Namen eines Mitmenschen herauszulesen (deshalb wird Wojciech zu Adalbert), der Beruf geht schon lange nicht mehr aus dem Namen hervor (nur die wenigsten Schneider heißen heute Schneider, ähnlich bei den Bäckern usw.). Warum dann dieser Anspruch auf die Info zum Geschlecht im Vornamen?

Wie gesagt: Der Name gehört uns. Was spricht dagegen, es zuzulassen, wenn sich jemand Yoyo Kawumm Plopplopp nennen möchte? Und solange man jemanden nicht die Verantwortung für sein eigenes Leben aus den Händen reißen möchte: Warum darf er sich nicht Vollpfosten nennen? Weil der Name blöd klingt? Das ist Geschmacksache. Weil er herabsetzend klingt? Die Freiheit, sich selber herabzusetzen, ist eben ein Stück Freiheit. Wie gesagt: Ein Gesichtstattoo kann auch dem sozialen Ruf schaden. Das muss, nein, das darf jeder selber wissen.

Sicherlich werden sich zum Glück die wenigsten Schimpfworte für sich aussuchen. Und für ihre Kinder käme das eh nicht in Frage. Aber es würden viele neue tolle Namen entstehen. So wie bei Firmennamen auch, wo sich jeder austoben darf. Produkte sollen unverwechselbar klingen und einzigartig wirken. Und wir? Wir wollen doch auch alle einzigartig sein. Neben Outfit, Make-up, Frisur und verbaler Ausdrucksweise kann der eigene Name schnell erfassbarer Ausdruck der eigenen einzigartigen Persönlichkeit werden. Wer auf diese Art der Selbstdarstellung keinen Wert legt, kann seinen vererbten und von den Eltern ausgesuchten Namen behalten. Aber lassen wir doch allen ihre Freiheit. Zusammenhalten immer dann, wenn es nötig ist. Aber Leine lassen, wenn Vorschriften nichts anderes bewirken, als einfach mal so Altes festzuzurren, um des Alten willen. Die Zeiten ändern sich. Nicht nur durch Corona.

Wäre es eigentlich okay, sich selber Corona zu nennen? Oder wäre das sittenwidrig? Die Diskussionen werden spannend. Und sind dann Ausdruck unserer Selbstbestimmung.

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