
Es war auf dem Weg in den Schweden-Urlaub. Ich war ungefähr sieben Jahre alt damals. Meine Eltern hatten wie immer vorgesorgt, um uns zwei Kinder bei Laune zu halten. Mit zwei Tüten Haribo: Phantasia (die mit nur Weingummi) und Colorrado (die mit den undefinierbaren Lakritz-Dingern drin). Die Zeitintervalle zur Haribo-Ausgabe waren streng festlegt, konnten aber durch beharrliches Quengeln verkürzt werden: "Wann sind wir denn endlich da?"
Schon raschelte die Bonbon-Tüte wohlig im Beifahrerfußraum. Kurz darauf kam der gute Zuckerrausch.
Doch einmal entglitt meiner Mutter die Situation. Und das kam so:
Sie hatte uns die Phantasia-Tüte nach hinten gereicht und meine Schwester und ich wühlten eilig darin herum. Und wie wir so wühlten, durchzog mich plötzlich der Blitz der Begeisterung. Ich hielt in klebrigen Händen: einen grünen Elefanten! Was? So musste sich damals Kolumbus gefühlt haben. Noch nie hatte ich einen Elefanten aus Weingummi gesehen. Und jetzt hielt ich persönlich einen in Händen - von Haribo! In grün!
Mein Vater hätte unseren alten Citroën vor Schreck fast in den Graben gelenkt, als ich schrie: "GUCKT MAL HIER!" - mit dem grünen Elefanten in der zum Autohimmel gereckten Hand.
Mein Herz tanzte wild voller Stolz, als meine Mutter nach meiner Trophäe griff und sie beäugte. Und dann - dann warf sie sich meinen kleinen grünen Elefanten in den Schlund.
"NEEEEEEIN. WAS MACHST DU DENN DA?"
"War das nicht für mich?", mampfte sie.
"NATÜRLICH NICHT. DAS WAR EIN ELEFANT!"
Ich war außer mir. Noch stundenlang. Die Ferien begannen denkbar ungünstig.
Das kann passieren, wenn ungleich gestrickte Haribo-Typen aufeinander prallen. In diesem Fall der verspielte Nasch-Ästhet (ich) und der Hautpsache-süß-Typ (meine Mutter). Das passt einfach nicht.





Und Sie so? Wie sieht es in Ihrem Umfeld aus? Machen Sie mal die Probe. Stellen Sie eine Schale mit Colorrado hin und lassen Sie die Geier kreisen. Ich behaupte: Sternzeichen sind Quatsch. Aber Colorrado sagt wirklich was über die Kollegen aus.
Eine kleine Haribo-Typologie:
Der Nasch-Ästhet
Solche Leute halten beim Griff in die Bonboniere gerne den ganzen Betrieb auf. Der Nasch-Ästhet weiß genau, welche Gummibärchen-Farbe für welchen Geschmack steht ("Grün war früher Erdbeer, heute ist es Apfel. Seit 2007 ist Erdbeere hellrot. Dunkelrot war immer schon Himbeer.") und sagt Sachen wie: "Beim Lakritz-Konfekt mag ich die Quader lieber als die Rollen. Da platzt die Ummantelung nicht so ruppig ab."
Er kauft Haribo schon deshalb, weil auf der Packung steht: "Limitierte Auflage. Jetzt mit blauen Vampiren". Denn er möchte es im Mund erleben.
Nasch-Ästheten sind oft Web-Designer, Maskenbildnerinnen kurz vor der Rente oder Berufstaucher.
Niemals Naschästheten: Gardinen-Verkäufer und Piloten der Lufthansa.