Werner knallhart
Frau mit Headset Quelle: imago images

Homeoffice Phase 2: Joggen während der Morgenkonferenz

Nach einigen Monaten Homeoffice haben wir kapiert: Zuhause arbeitet es sich effizienter. Sogar Sport und die Hausarbeit lassen sich mit Büroaufgaben kombiniert erledigen. Aus dem Homeoffice wird jetzt das Officehome.

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Selbst Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern nicht weiter trauen, als sie sie werfen können, räumen ein: Ja, dieses Homeoffice hat was. Durch die Coronakrise hat es sich hierzulande derartig brachial durchgesetzt, dass man schon fast von Heimbüro sprechen kann.

Aber es gibt seit März auch ein anderes Gefühl, das man in der Online-Team-Besprechung nicht ausspricht, um sich nicht die Blöße zu geben. Aber es ist da. Das Bedürfnis, den anderen zu zeigen: Ich. Bin. Nicht. Faul! Immer am Tisch sitzen, wenn die Cam angeht. Womöglich sogar im Hemd. Dieses Brüll-Kommando durch die Wohnung: „Ruhe! Anruf aus der Firma!“ Damit alles Kinderlachen verstummt, der Smoothie-Mixer schweigt, die Katze erstarrt. Immer erreichbar sein. Sogar in der Mittagspause. Denn wissen die anderen wirklich, dass ich mich gerade offiziell erhole?

Die alte Büro-Tugendhaftigkeit aus vergangenen Vor-Corona-Zeiten in die Gegenwart retten. Bloß keinen Schlendrian einreißen lassen. So war das wie gesagt seit März. Aber so langsam traut sich Deutschland immer ein bisschen mehr im Homeoffice. Diese Panik, wir könnten irgendwie durch Ineffizienz auffallen, scheint massenhaft zu schwinden. Es stellt sich raus: Ein bisschen Schlendrian hier und da ist gar kein Schlendrian, sondern nichts anderes als Flexibilität. Das steigert die Effizienz. Wir schaffen die Arbeit trotzdem. Sogar entspannter.

Deutschlands Büro-Angestellte erarbeiten sich gerade Schritt für Schritt neue Freiheiten im Homeoffice. Denn es stellt sich raus: Viele Büro-Marotten waren nur Blendwerk. Um mitzuhalten.

Regeln wie „keine Flip-Flops im Büro“ – im Homeoffice, wo man in Video-Konferenzen theoretisch ohne Hose teilnehmen kann, einfach absurd. Ohne Hunger um 12 Uhr 45 geschlossen mit der ganzen Abteilung ab in die Kantine? Im Homeoffice richten sich die Mahlzeiten allein nach dem eigenen Blutzuckerspiegel.

Nach und nach fällt im Homeoffice jetzt sogar die letzte Bastion der Job-Spießigkeit: der Fleiß nach dem Sekundenzeiger. Im Büro ging es praktisch nicht anders. Wenn Anwesenheit gleichgesetzt wird mit arbeiten, dann ist Abwesenheit identisch mit nichts tun.

Wer zu spät an den Schreibtisch oder eine Viertelstunde später aus der Mittagspause kommt, der leistet augenscheinlich nicht genug fürs Geld. Die alte Anwesenheitspflicht drängt der Belegschaft eine Stempeluhr ins Hirn. Man kann sich kaum davon frei machen. Madame von gegenüber ist noch nicht im Feierabend? Dann bleibe ich auch noch.

Im Homeoffice aber, wo die Arbeitszeiterfassung durch Kollegenblicke fehlt, müssen andere Kriterien zur Erfolgskontrolle gelten. Statt der Arbeitsdauer zählt das, was aus der Ferne zuverlässig nachprüfbar ist: Wird das Ziel der Arbeit erreicht? Ist die Präsentation rechtzeitig fertig? Ist das Online-Seminar vorbereitet? Sind die Rechnungen raus? Und das ist doch das, worauf es ankommt. Es zählt nicht, dass wir unsere Lebenszeit absitzen, es zählt jetzt, dass wir alles auf die Reihe kriegen.

Das kann uns noch ungeahnte neue Freiheiten schenken.

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