Werner knallhart

Mit langen Haaren zum Friseur, mit Hepatitis wieder raus

Wenn im ICE nur eine Minute zu lange die Kühlkette unterbrochen wurde, müssen alle Sandwiches weggeschmissen werden. Aber wenn man beim Arzt darum bittet, dass sich die Gehilfin vor der Blutabnahme die Hände desinfiziert, wird man schräg angeguckt. Die Hygiene-Gewohnheiten der Profis sind ekelhaft.

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Auch beim Friseur lauern Gefahren. Quelle: dpa

Ich habe jüngst meinen Friseur in Berlin gewechselt. Und zwar nicht, weil er etwa meinen Haarschnitt verhunzt hatte, sondern weil ich Angst hatte um mein Leben.

Ich hatte schon häufiger davon gehört, dass beim Friseur Hepatitis B und C übertragen werden können. Nun bin ich gegen A und B geimpft, um ruhigen Blutes durch Südostasien reisen zu können. Bleibt aber C. Ein Virus, der gerne mal Leberkrebs auslöst.

Besonders widerlich sind unter Hepatitis-C-Gesichtspunkten die Momente, in denen der Friseur zum Rasiermesser greift. Zum „Nacken-Saubermachen“. Denn gerade beim Saubermachen kann es besonders schmuddelig zugehen. Da lauern Krankheit und Tod. Wegen mikrofeiner Verletzungen in der Haut, bei denen es noch nicht einmal sichtbar bluten muss.

Diese Dinge sind schmutziger als man denkt
Ein liebevoller Kuss hat es ganz schön in sich: Forscher berichten in einem Artikel für das Fachjournal "Microbiome ", dass bei einem zehn Sekunden andauernden Zungenkuss rund 80 Millionen Bakterien zwischen den Mündern hin und her wandern. Eine weitere Erkenntnis: Paare, die sich mindestens neun Mal am Tag intensiv küssen, tragen sogar die gleiche Zusammensetzung von Bakterien in ihren Mündern. Je öfter sie sich küssen, umso ähnlicher wird die mikrobielle Besiedelung. Quelle: dpa
Forscher der Universität Arizona haben Geschirrtücher in den USA und Kanada untersucht. Dabei zeigte sich, dass 90 Prozent davon mit Bakterien übersät waren - vor allem Darmbakterien. Beim Abtrocknen des Geschirrs oder Abwischen anderer Oberflächen in der Küche würden diese unwissentlich mit Bakterien beschmiert, warnen die Forscher. "Sie meinen vielleicht, dass Sie den Tisch oder das Brettchen reinigen, bevor Sie Essen darauf platzieren - in Wahrheit verteilen Sie mit einem schmutzigen Küchenhandtuch Hunderttausende Bakterien". Die Forscher empfehlen, die Handtücher nach jeder Benutzung in die Wäsche zu geben. Quelle: Fotolia
Auch in Putz- und Spülschwämmen fühlen sich Bakterien besonders wohl. Bis zu 100 Millionen Bakterien pro Quadratzentimeter tummeln sich dort. Praktischer Tipp: Häufiger wechseln und den Schwamm zwischendurch bei voller Leistung etwa zwei Minuten in der Mikrowelle erhitzen. Das tötet die meisten Keime ab. Quelle: dpa
Sie sehen niedlich aus, doch der zarte Flaum von Enten- und Hühnerküken ist ein wunderbarer Nährboden für Salmonellen, die sich in ihren Exkrementen befinden. Wer handzahmes Federvieh streichelt, sollte sich danach also gründlich die Hände waschen. Sonst riskiert er eine unschöne Darminfektion. Quelle: dpa
Pecunia non olet - Geld stinkt nicht, sagt eine lateinische Redensart. Wenn es das nur täte. Denn unser Geld ist schmutzig. Auf Geldscheinen, Münzen und Kreditkarten tummeln sich Fäkalkeime. Je nach Region fanden Forscher schon mehr Fäkalkeime auf Geldscheinen als auf einer Toilettenbrille. Quelle: dpa
Zum Händewaschen gehört? Richtig, Wasser und Seife! Gerade Seifenspender sind leider aber auch ein hervorragendes Sammelbecken für Bakterien. Das belegten Forscher der Universität Arizona. Die untersuchten 127 nachfüllbare Seifenspender in öffentlichen Toiletten und Restaurants. Fast ein Viertel davon war mit Bakterien verunreinigt. Ein kleines Päckchen mit desinfizierenden Einmalhandtüchern in der Handtasche macht sich also bezahlt. Quelle: dpa
Die Chancen, sich beim Ausfüllen eines Lottoscheins einen Schnupfen zu holen, stehen gut. Kugelschreiber, die für Kunden ausliegen - sei es im Kiosk, in der Bank, in Geschäften oder Hotelzimmern - sind voll von Krankheitserregern. Also besser den eigenen Stift zücken. Quelle: dpa

Ich fragte meinen Friseur: „Hast du das Messer desinfiziert?“

„Desinfiziert? Also, stell dich nicht so an, sonst schneide ich dir die Halsschlagader auf.“

„Nein, im Ernst jetzt. Ist die Klinge desinfiziert?“

„Nö.“

„Ja, dann mach bitte eine neue rein.“

„Ich habe nur noch die. Und die Chefin sagt, wir sollen die Klingen nicht so verschwenden.“

„Oh Gott, wann hast die Klinge zum letzten Mal desinfiziert?“

„Gestern irgendwann.“

„Ich will nicht pingelig erscheinen, aber ich bin es nun einmal. Kein Messer an meinen Nacken! Ich mache das zuhause selber.“

Beim nächsten Mal rund vier Wochen später, ich ließ mich gerade von meinem Friseur im Stuhl hochpumpen, da strahlte er mich über den Spiegel an: „Dieses Mal habe ich die Klinge extra vorher eingesprüht.“

Ich seufzte: „So desinfiziert ihr hier? Mit einem Spray?“

„Ja klar. Extra für dich.“

Ich biss die Zähne zusammen und ließ mich ein letztes Mal von meinem Friseur bedienen. Ohne Messer! Denn Einsprühen zerstört Hepatitis-C-Viren nicht zuverlässig. C-Viren sind harte Burschen. Als ich den Salon verließ, wusste ich: Diesen Mann werde ich nie wieder sehen. Denn so nett er war und so gut er schnitt: Er war ein Hygiene-Schwein. Ich hatte damals extra vorab ein Merkheft des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks im Internet durchgelesen. Darin wird vorgegeben: Rasiermesser „sollten“ vor JEDEM Kunden in einem genau genormten Desinfektionsbad eingelegt werden. Knallharte Muss-Vorschriften habe ich nirgends gefunden. Ich persönlich kenne bis heute keinen einzigen Friseur (und ich habe mich ein bisschen umgehört), der über dieses Desinfektionsbad Bescheid weiß.

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