Werner knallhart
Phantasialand: „Deutschlands bester Freizeitpark“? Quelle: Marcus Werner

Phantasialand „Deutschlands bester Freizeitpark“? Nein!

Ich habe seit Jahren wieder das Phantasialand besucht und war entsetzt. Der Park schmückt sich mit dem Publikumspreis „Deutschlands bester Freizeitpark“. Doch an der Aussagekraft zweifelt selbst der Umfragen-Organisator.

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Der Europapark im badischen Rust gilt in der Branche seit Jahren als „der beste Freizeitpark der Welt“. Seit fünf Jahren am Stück heimst der Park bei den Golden Ticket Awards der internationalen Fachzeitschrift „Amusement today“ den Hauptpreis ein - und schlägt selbst die weltberühmten Freizeitparks in den USA.

Aber der Europapark hatte in der Vergangenheit auch zwei Image-Rückschläge zu verkraften. Erst brennt die Indoor-Wasserbahn „Piraten in Batavia“ ab - von der ich allerdings sage: letztendlich gut, dass die weg ist. Die Art, wie die rabiaten Piratenpuppen dort körperlich mit den Frauenpuppen umgingen und wie die Frauen sich das aus Lautsprechern kichernd gefallen ließen, war alles andere als vorbildlich für unsere Kinder. Und dann fuhr im vergangenen August auch noch eine Hochbahn auf einen geparkten Zug auf. Mit zwei leicht Verletzten. Wie kann das bloß passieren?

Zeit, dem größten Konkurrenten in Deutschland eine Chance zu geben. Dem Phantasialand in Brühl bei Köln. Während der Europapark der von einer Fachjury ausgezeichnete weltbeste Freizeitpark ist, nennt sich das Phantasialand nämlich „Deutschlands bester Freizeitpark“. Dass da was nicht zusammenpasst, kann nur zwei Gründe haben:

Entweder ist Deutschland nicht von dieser Welt. Oder die Maßstäbe der Tester sind verschieden. Dieses Auszeichnungschaos sollte mir den Spaß aber nicht verderben.
Den Spaß verdarb mit das Phantasialand ganz allein. Man soll bei Kritik ja immer erst mit dem Lob anfangen. Also: Das Wetter war gut. Das Phantasialand bietet mit der Menschenschleuder Talocan einen Thrillride, an den sich der Europapark noch nicht ran getraut hat. Und das Restaurant Mandschu in Chinatown hat eine tolle Sonnenterrasse.
Aber da geht es schon los. Chinatown. Während der Europapark in verschiedene liebevoll gestaltete europäische Länder aufgeteilt ist, ist mir das Konzept vom Phantasialand schleierhaft. Es gibt dort eine imitierte Stadt: Berlin. In diesem Themenbereich sieht alles irgendwie aus wie in einem Vorort von Hannover oder so. Dann gibt es die Länder China und Mexiko. Warum ausgerechnet diese? Und einen Kontinent pauschal: Afrika. Sie können sich denken, was sich da findet: Zebrafell-Folklore.

Und dann gibt es den Bereich Fantasy (ach, deshalb ja vielleicht Phantasialand) und, trennscharf davon nicht zu unterscheiden: Mystery. Letztendlich wirkt der Park wie: „Komm, bau es da in die Ecke, da ist noch Platz.“ Der Park ist durchzogen von steilen Treppen, Mauern, Zäunen und Netzen. Auf dem Weg zur Dunkelachterbahn läuft man zwischen Gebäuden hindurch, die einem das Gefühl geben, vom Notausgang bei Karstadt zum Parkhaus rüber zu gehen. Die Beschilderung ist eine Katastrophe. Ohne Lageplan-Broschüre (von denen an der fast komplett entleerten Ausgabestelle in Chinatown den ganzen Tag über nur noch welche auf Englisch und Holländisch herumflogen) ist eine Orientierung nicht möglich. Wer nicht aufpasst, steht plötzlich vor mit weißen Planen abgedeckten Bauzäunen.

Während im Europapark die Blumen in den großen Anlagen wirken, wie einzeln glücklich gestreichelt, welken im Phantasialand die dürren Hängepflanzen in „Berlin“ vor sich hin. Wo der Europapark vor der Liebe zum Detail nur so sprüht (in einer Männertoilette dort wurde extra auf der Höhe von rund 30 Zentimetern ein kleines Urinal für Trolle installiert, an dem ein solcher sich immer plätschernd erleichtert), zeigt das Phantasialand: So genau kommt es denen nicht drauf an. Dort gehen die Gäste auf Toiletten im Stil eines Bauwagens hinter Bretterverschlägen.

Das wirklich ungute Gefühl aber vermitteln einem die Brühler aber dadurch, Verkaufsstände im Spätsommer außerhalb der Ferien offen sichtbar veröden und verrotten zu lassen. Motto: Wegen euch Nachzüglern räumen wir hier nicht extra auf.

Mitten in den Laufwegen werden Pritschen geparkt, stehen Eisbuden halb mit Folien abgedeckt, in dunklen Wartebereichen leuchten leergefegte Getränkekühlschränke. Schaukästen zur Ankündigung vom Showprogramm: leer. Personal? Lohnt sich wohl nicht. Der Park läuft jetzt im warmen Frühherbst auf Sparflamme. Dabei kostet der Eintritt den vollen Preis. Achtung: 47,50 Euro für Erwachsene. Der viel, viel größere Europapark verlangt 49,50 Euro. Dass sich das Phantasialand auch noch damit brüstet, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu haben, grenzt an unverschämten Übermut. Aber das hat dem Park eben ein anderer Plakettenvergeber zertifiziert: Focus Money. Wie testen die nur?

Phantasialand-Restaurant Berlin: Atmosphäre wie auf einer Bohrinsel

Am Nachmittag ist dann auch noch die große Wasserattraktion „River Quest“ für Stunden geschlossen. Wie lange? Achselzucken bei der Aufseherin, die enttäuschte Besucher abwimmeln muss. Ein Freigetränk als Entschuldigung? Nö!

Bis auf die neuen Achterbahnen wirkt alles irgendwie wie nicht mehr auf dem neuesten Stand. Wer eine Geisterbahn im 70er-Jahre-Kirmesstil erleben möchte, fahre ins Phantasialand. Dazu passend Vorschriftsschilder im Befehlston aus Zeiten, in denen man Kunden noch pampig zurechtweisen konnte. Nicht passend: die vielen Rechtschreibfehler darauf.

Schier fassungslos bin ich dann beim Besuch eines Restaurants im Bereich Berlin. Die Atmosphäre liegt unter dem, was man in einer Kantine auf einer Bohrinsel erwarten würde. Schmuddelige Teppiche, mit Kabeln überzogene niedrige Decken, Schrottmöbel. Schlimm!

Schauen Sie sich die Fotostrecke an. Da möchte man nicht nochmal Kind sein.

Selbst der Shuttlebus-Fahrer vorm Park ist verzweifelt: „Der Park bezahlt so wenige Busse zum Bahnhof Brühl, dass die immer viel zu früh überfüllt sind. Wir fahren dann Minuten zu früh ab, weil es keinen Sinn macht, überfüllt auf die fahrplanmäßige Abfahrt zu warten.“ Ich selber habe übrigens zwei Busse verpasst, die einfach irgendwann abgefahren waren, statt nach Fahrplan alle halbe Stunde. Und musste fast eine Stunde warten.

Wie kann ein solcher Freizeitpark der beste Deutschlands sein? Nun, indem man sich mit Online-Abstimmungen schmückt, in denen allein ausschlaggebend ist, wie viele Sterne die Fans den Parks online gegeben haben. Der Umfragen-Veranstalter Parkscout hat denn auch schon gar nicht mehr die Stern-Bruchteile hinter dem Komma veröffentlicht, anders im Jahr davor.
2016 wurde der Hansa-Park mit 4,859 Sternen der Freizeitpark des Jahres. Auf den Plätzen dahinter schillernde Exoten wie der Freizeitpark Plohn (4,821 Sterne) und das Rasti-Land (4,723). 2015 lag der Europapark auf Platz 5 noch hauchdünn vor dem Phantasialand. 4,536 zu 4,531 Sterne. Fast wäre also 2016 de Freizeitpark Plohn der beste Deutschlands geworden. Wo ist denn Plohn?

2017 dann offenbar der große Qualitäts-Umbruch. Phantasialand nun auf Platz 1.

Wer kriegt die meisten Sterne? Das ist wie bei der Bewertung von Restaurants online. Da könnte dann die Würstchenbude mit 4,9 Sternen damit werben, das beste Restaurant am Ort zu sein, weil das gehobene Feinschmeckerrestaurant nur auf 4,8 Sterne kommt. Hat die Würstchenbude aber nicht nötig. Das Phantasialand aber offenbar schon.

Ist das seriös? Das Portal Parkscout ist sich da selber nicht so sicher. Es hat neben dem Publikumspreis parallel einen Experten-Preis ins Leben gerufen. Die Parkscout Plus Awards. Und schreibt, warum dies nach den Erfahrungen mit der Bewertung durch User nötig ist: „Zugespitzt hat sich die Situation durch die immer stärkere Verbreitung der Social-Media-Netzwerke, wodurch Parks mit einer hohen Zahl an Followern übervorteilt (sic!) sind bei der Motivierung ihrer Fans, für sie abzustimmen. Der sich dadurch abzeichnenden Entwicklung hin zu einem reinen Beliebtheitspreis wollen wir entgegenwirken, da wir den Parkscout Award immer als eine Auszeichnung für Qualität verstanden haben.“

Mit anderen Worten: Die Publikums-Abstimmung ist selbst aus Sicht der Macher kein Qualitätssiegel. Denn gewinnen tut am ehesten der, der seine Fans auf Facebook zum Abstimmen motiviert. Und mit diesem Preis schmückt sich das Phantasialand. Passt!

Wie aber haben denn nun die Experten der auf Qualität fixierten Parkscout-Plus-Jury 2017 entschieden?

Europe’s Best Theme Parks:
Platz 1: Europa-Park

Germany´s Best Theme Parks:
Platz 1: Europa-Park

Wie gesagt: Gucken Sie sich die Fotostrecke an.

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