Werner knallhart

Machen Sie Süßkramschnorrer zu edlen Spendern

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Zuckerbrot und Peitsche

Oder im Gegenteil das offensive Abgreifen mittels hemmungslosen Schnorrer-Humors:
„Hui! Woher weißt du, dass Mandelhörnchen meine Lieblinge sind? Höhö.“

Oder vom Kollegen, der sonst meist noch nicht mal grüßt, auf dem Weg zu seiner sechsten Raucherpause:
„Das kannst du doch alles gar nicht alleine essen. Das macht doch dick.“
Ich antworte dann gerne: „Die Hälfte schmeiße ich nachher weg.“

Wie kriegt man diese ewigen Abstauber dazu, auch mal eine Runde zu schmeißen, statt hinter ihren Rücken in der Kantine abzulästern: „Wir müssen in der Buchhaltung mal von Kinderriegel auf Knoppers umstellen, damit der Hartmut sich etwas ausgewogener ernährt“?

Der Azubi Elias Reichert des Bielefelder Verkehrsbetriebs Mobiel (der eigentlich anders heißt – also der Azubi) erzählte mir: „Bei uns herrscht Zuckerbrot und Peitsche im Guten. Dauernd stehen in den Großraumbüros irgendwo Schalen mit Schokolade, Nektarinen, Keksen oder so. Aber immer, wenn ich mir was nehme, ruft jemand von irgendwo: ‚Aber das nächste Mal bringst du was mit, Freundchen!‘ oder ‚Hee, nicht immer nehmen, auch was hinstellen!‘ Zwar gibt es dann immer lieb gemeintes Gelächter aus allen Ecken. Aber der Spender-Druck ist irgendwie trotzdem da. Obwohl ich ja schon mehrfach selber was für alle mitgebracht habe, sogar einmal selbstgefüllte Ravioli für die ganze Azubi-Gruppe, fühle ich mich bei jedem Gummibärchen, das ich mir schnappe, wie ein kleiner Schnorrer. Aber das Gute ist: Weil jeder auch mal muss, steht fast immer was Leckeres da. Diese Woche habe ich ein Familienglas Nutella in die Teeküche gestellt.“ Das Zuckerbrot dank der Peitsche.

So geht das also. Sozialdruck durch öffentliche Demütigung bei jedem Griff in die Schale. Das ist nur ein kleiner Preis für die kostenlose Kalorienbombe im 16-Uhr-Loch. Machen wir es also nach der Bielefelder Mobiel-Methode: Großzügig geben plus strafender Blick, getarnt als Augenzwinkern. Und Geizhälse werden mit einem Anklang von Ironie in der Stimme stramm zum Mitmachen verdonnert:
„Hey, Michael, was magst du lieber: Storck Riesen oder Nippon?“
„Nippon. Warum?“
„Dann bring doch mal Riesen mit. Dann haben wir alle mehr davon.“

Schaffen Sie schonmal Platz auf den Schreibtischen. Denn schon bald werden die Bonbonberge wachsen und wachsen. Auch eine Form von Teamwork. Wenn auch schlecht für die Zähne.

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