Whisky aus Japan Das Geheimnis japanischer Whisky-Destillerien

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Vanille, Keks und grüner Apfel

Nach dem Ende des Wirtschaftswunders Anfang der Neunzigerjahre war der Whiskykonsum um drei Viertel zurückgegangen. Das erklärt die heutigen geringen Reserven, wurde jedoch auch zum Ansporn: Viele Barbetreiber forderten neue Sorten und bessere Qualität, um die Nachfrage anzuregen. Die Brenner begannen systematisch zu forschen, probierten mit Getreide- und Holzsorten bei der Fermentierung, variierten die Brennblasen, experimentierten mit Fässern und testeten Flaschen. 20.000 Proben jährlich probiert das Team von Chefblender Fukuyo nach dem Prinzip „Riechen, Schmecken, Spucken“ bis heute.

Dabei entdeckten sie, dass direkte Hitze durch Erdgas besser für das Aroma ist als die Dampfheizung der schottischen Brennereien. Und dass sie dem Gärungsprozess einen Tag länger als üblich Zeit lassen müssen, damit es mehr geschmacksbildende Milchsäurebakterien gibt. Das Ergebnis schmeckt wie folgt: Als Erstes riecht Chefblender Fukuyo an einem blassen Whisky aus einem Fass weißer amerikanischer Eiche. „Schmeckt nach Vanille, Keks und grünem Apfel“, sagt Fukuyo. Der Nächste ist tiefdunkel und kommt aus dem Sherryfass. Seine Noten? „Marmeladensüß, wie getrocknete Früchte, im Nachgeschmack wie Kaffee und getrocknete Tomate“, so das Urteil des Kenners. Der dritte Whisky reift in einem Mizunaraeichenfass.

Fukuyo weist auf das Kokosnussaroma hin, Mizunara ist mit dem Kokosbaum verwandt. „Der Nachgeschmack ist nicht groß, aber würzig, scharf und lang.“ Nicht ohne Grund: Vielen Japanern schmeckt der rauchig-torfige Scotch nicht. Sie bevorzugen vielschichtige Brände, die sich mit Wasser verdünnt zu vielen Speisen der japanischen Küche trinken lassen. In Japan und Taiwan ist Highball – Whisky mit Sodawasser und Eis – ein beliebter Erfrischungsdrink im schwülheißen Sommer. Dafür brauche man einen Whisky mit einem schnellen Abgang, erläutert Fukuyo. Das sei eine ganz andere Geschmackswelt als in Schottland: „Reifes und tiefes Aroma, komplexe, fruchtige und blumige Noten – das ist japanischer Whisky!“

Die erste kommerzielle Whiskybrennerei wurde 1923 von Suntory-Gründer Shinjiro Torii auf dem Gelände eines ehemaligen Tempels in Yamazaki errichtet. Sein Produktionsleiter Masataka Taketsuru, der in Schottland lernte, baute ab 1934 auf der Nordinsel Hokkaido seine eigene Brennerei auf. Das dortige Klima war dem schottischen am ähnlichsten. Der Whisky unter der Marke Nikka gehört heute zum Asahi-Konzern, hierzulande vor allem für sein gleichnamiges Bier bekannt.

Mittlerweile entstehen vor allem kleine Craft-Brennereien, um die plötzliche Nachfrage zu nutzen. In einem Industriegebiet im Chichibu-Tal nördlich von Tokio fallen die unscheinbaren Fabrikgebäude von Venture Whisky Ltd. kaum auf. Nur der Schriftzug Ichiro’s Malt auf einem Holzfass am Eingang und der süßliche Gärungsduft verraten, was hier passiert. Auch die Erzeugnisse dieser erst zwölf Jahre alten Marke werden mit Lob und Auszeichnungen bedacht. Ichiro Akuto, Namensgeber von Ichiro’s Malt, produziert im Jahr zwar nur 90.000 Liter – ein Fünftel der Menge, die Getränkeriese Diageo unter der Marke Johnny Walker an einem Tag produziert. Aber sein Kleinbetrieb arbeitet mit wenig Risiko, weil er überwiegend auf Bestellung produziert.

Außer an Fachhändler verkauft Akuto an Bars, Hotels und Restaurants. Selbst aus Deutschland kommen Whiskyeinkäufer ins Chichibu-Tal, um sich die laufende Produktion persönlich anzuschauen und die Brände vorzukosten. „Wir können nicht auf hohe Volumen mit niedrigen Preisen setzen, weil wir dann im Supermarkt mit den etablierten Scotch- und Bourbon-Marken konkurrieren müssten“, sagt Akuto. Doch in der Edelnische gibt es Platz: Gerade gehen in Shizuoka und Hokkaido zwei neue Destillerien in Betrieb.

Unterdessen will Suntory den Whisky weiter verbessern. Natürlich, was auch sonst. „Wir haben noch viel zu lernen“, freut sich Chefblender Fukuyo. Einst verkündete der Firmengründer Torii, er wolle den perfekten Whisky schaffen, der Japans Natur und Handwerkergeist reflektiere. Diesem Wunsch kommt man knapp 100 Jahre später schon recht nah. Aber ein bisschen mehr geht immer noch.

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