Allerdings waren Benimmregeln gerade in den 60er Jahren, zu Zeiten einer Laissez-faire geprägten Erziehung und der 68er Bewegung, eher verschrien. Wer frei leben wollte, machte sich auch frei von Regeln. Doch das war einmal: Heute erfreuen sich Benimmkurse, Knigge-Akademien und Coaches für den zwischenmenschlichen Umgang einer nie dagewesen Beliebtheit.
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Emnid ergab, dass 91 Prozent der Deutschen gutes Benehmen als wichtig ansehen. 98 Prozent erklärten, dass gute Manieren das Zusammenleben deutlich erleichtern. Wer also seinem Umfeld stets höflich entgegenkommt, wird positiver wahrgenommen. "So gehört es sich gar nicht, seine schlechte Stimmung an jemand fremdem auszulassen", erklärt Tosca Freifrau von Korff, ihres Zeichens Kommunikationsberaterin und Präsidentin der Knigge Gesellschaft für moderne Umgangsformen. Auch sollte, wer Anstand beweisen will, in der Öffentlichkeit stets aufmerksam sein. Den Personen hinter sich im Kaufhaus die Türen aufhalten oder die Lautstärke von Handygesprächen im Bus dämpfen - "All das sind Kleinigkeiten, die einem selbst zwar nicht unbedingt auffallen, vom Umfeld allerdings positiv aufgenommen werden", erklärt Freifrau von Korff.
Waren es vor wenigen Jahren vor allem Angebote für den richtigen Umgang mit dem Chef, Kollegen oder Geschäftspartner, geht es heute auch zunehmend um die Frage: Wie verhalte ich mich im privaten Umfeld richtig? Wie sieht es beispielsweise aus, wenn ich bei einem Abendessen unter Freunden niesen muss? "Dann benutzen Sie dazu den Handrücken der linken Hand und drehen sich weg", sagt Freifrau von Korff. Sollte sich jemand durch das abrupte Wegdrehen erschreckt haben, entschuldigen Sie sich. Und wie ist die Sache mit dem "Gesundheit wünschen"? Das kommt auf das Umfeld an: Im kleinen Kreis können Sie durchaus Gesundheit wünschen, in einer großen Runde wird ein "Gesundheit" aus allen möglichen Ecken des Saales aber eher als störend empfunden und einfach übergangen.
So kleiden Sie sich richtig
Wie kleidet man sich ordentlich? Dabei geht es um mehr als die Frage, ob mit oder ohne Krawatte. Welche Aussagen lassen sich durch welche Kleidung transportieren? Das ist keineswegs Jacke wie Hose. Ein Crashkurs.
Im Englischen heißt es „it fits“, wenn etwas passt. Daher das Wort „Outfit“. Ihre Kleidung sollte in drei Kategorien passen: Dem Anlass entsprechend, dem Typ entsprechend und der individuellen Aussage entsprechend. Genau in der Schnittmenge liegt das für sie optimale Outfit.
Anzug oder Kostüm sollten Werte wie Vertrauen und Sicherheit widerspiegeln. Das gilt auch für Mitarbeiter im Back-Office. Ein Ziel ist Understatement. Die Kleidung sollte modern und nicht bieder wirken; dunkle Business-Farben wirken am besten.
Es gilt, einen Tick schicker zu sein als im klassischen Business. Hosen mit Pullover gehen maximal in der Werbebranche. Ansonsten eher kompletter Hosenanzug oder Blazer-Hose-Kombi für Damen, Anzüge und Kombinationen für Herren. Anspruchsvoll, gehobene Qualität und dunklere Farben.
Professioneller Look ist hier unabdingbar. Klassische Kostüme, Anzüge und Kombinationen in mittleren bis dunkleren Farbtönen. Farben dürfen nicht ins Auge springen, sollten aber modern sein.
In der Werbung oder bei den Medien darf es bunter und ausdrucksstark zugehen. Hier ist Nähe angesagt und schwarze Kleidung ist da sehr hinderlich.
Für besonders große Männer empfehlen sich farbliche Unterteilungen. Also zum Beispiel blaue Hose oder roter Pullover. Das unterbricht die Größe und lässt Sie weniger lang wirken. Männer mit langen Beinen tragen am besten längere Jacken und Ärmel.
Ist Ihr Körper insgesamt kurz, empfiehlt sich farblich Ton in Ton. Farbliche Unterteilungen würden die Kürze betonen. Haben Sie kurze Beine, sollten Sie von Hosenaufschlägen absehen – und auch davon, Ärmel aufzukrempeln.
Tiefsinnige und Kreative wollen sich ausdrücken. Die Erscheinung darf Außergewöhnliches bieten, also kreativer Kragen, Schmuck, extravagante Brille oder bunte Farben. Bodenständige Typen verwenden besser natürliche Materialien und Erdtöne. Dramatiker und Extrovertierte mögen vielleicht asymmetrisch geschnittene Kleidung – sie sollten dann aber darauf achten, dass sie niemals billig wirkt. Zu sportlichen Typen passen Blau und Grün.
Sollten Sie eine schlanke Frau sein und Kleidergröße 32 bis 34 tragen, sehen Röhrenjeans super aus. Ab Kleidergröße 40 sehen Sie mit ihnen dicker aus. Es liegt also stets an der Form ihres Körpers.
Sind Schulter, Taille und Hüfte gleich breit, empfiehlt sich eine gerade Hose oder ein gerader Rock.
Die Schulter ist schmaler als die Hüfte. Hier sollten Sie Hosen und Rücke in der sogenannten A-Linie mit kurzen Oberteilen kombinieren.
Die Schulter ist breiter als die Hüfte: Hier empfehlen sich Caprihosen, Röhrenhosen und enge Röcke. Die schmalen Hosen lassen sich gut in Stiefel stecken.
Die Figur ist wie eine 8 geformt. Sie ist eine sehr weibliche Figurform. Die Röcke sind konisch geschnitten, sie werden zum Knie hin schmaler. Passende Hosen sind Hosen in Bootcut-Schnitten.
"Ich glaube, der Grund für die Beliebtheit solcher Kniggekurse für das private Umfeld ist eine große Verunsicherung", sagt Freifrau von Korff. So wüssten immer weniger Leute, wie sie sich auf "dem gesellschaftlichen Parkett richtig verhalten." Dabei ginge es häufig vor allem um gewisse Grundregeln in Sachen Benimm: "Wenn ich mit Auszubildende beim Abendessen bin, weiß meist das Groß der Anwesenden nicht, wie sie Messer und Gabel richtig zu halten haben." Viele Menschen würden das "kleine Einmaleins des Benimms" zuhause nicht mehr lernen und bräuchten nun Kurse, um Unsicherheiten abzubauen. „Denn ein Feedback auf schlechtes Benehmen gibt es ja im Prinzip nicht oder wird als unhöflich angesehen“, erklärt Freifrau von Korff.