WiWo-Top-Kanzleien für Arbeitsrecht Gerechte Gehälter: Es geht auch ohne Bier

Wenn du wüsstest, was ich weiß: Bislang kennen selbst Kollegen, die sich ein Büro teilen, nur selten das Gehalt des anderen. Eine EU-Richtlinie soll das nun ändern Quelle: Getty Images

Eine neue EU-Richtlinie will für mehr Gerechtigkeit bei Gehältern sorgen. Unternehmen müssen in Zukunft schon in Stellenausschreibungen sagen, wie viel sie zahlen wollen. Das dürfte für Unruhe sorgen – und teuer werden.

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Drei Jahre schon machte der junge Consultant in der internationalen Beratung den Job. Seine Karriere, so sah er das damals, entwickelte sich gut: Er kannte sich aus, leitete erste Projekte. Dann traf er sich mit einem Kollegen, der gerade ins Unternehmen gekommen war, auf ein Feierabendbier. Vier Monate später heuerte er bei der Konkurrenz an. Denn der Jüngere, der gerade erst ins Berufsleben startete, verdiente mehr als der Consultant, der sich bereits bewährt hatte.

Das erzählte ihm der Neuling in der Kneipe. Als der Berater daraufhin mehr Gehalt forderte, wurde er vertröstet: Wer von außen käme, steige nun einmal höher ein. Und das Entlohnungssystem der Beratung lasse eine Gehaltserhöhung bei ihm erst in eineinhalb Jahren zu.

Der Consultant zog Konsequenzen. Und er ist damit eher die Regel als die Ausnahme: „Mehr als 50 Prozent der Jobwechsler gehen, weil sie sich ungerecht bezahlt fühlen – egal, ob Experten, Fachleute oder Führungskräfte“, schätzt Arbeitsrechtler Jan Tibor Lelley von der Kanzlei Buse. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies eine alarmierend hohe Quote. Und sie dürfte bald noch steigen: Eine gerade beschlossene Richtlinie der Europäischen Union (EU) soll dafür sorgen, dass Gehälter künftig kein Geheimnis mehr sind. Deutschland muss diese bis 2026 umsetzen. Dann braucht es nicht einmal mehr die Redseligkeit in Bierlaune, um Konflikte wie in der Hamburger Unternehmensberatung zu schüren.

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Arbeitgeber müssen, so sehen es die EU-Regeln vor, schon in Stellenanzeigen die Gehaltsspanne für einen ausgeschriebenen Job angeben und sie zudem Bewerbern noch vor dem ersten persönlichen Treffen mitteilen. Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen werden verboten.

Über das Ranking

Bisher reden die wenigsten über ihr Gehalt. „Dafür, dass das so bleibt, sorgten eben die Schweigeklauseln in den Arbeitsverträgen“, so Arbeitsrechtler Thomas Müller von Lutz Abel. Obwohl Arbeitsgerichte diese Klauseln schon vor einigen Jahren für ungültig erklärt haben, schreiben Unternehmen sie bis heute in mehr als jeden zweiten Arbeitsvertrag, ermittelte der DFK-Verband für Fach- und Führungskräfte im vergangenen Jahr. Die wenigsten Mitarbeiter stellten sie dann noch infrage.



„Dieser Bluff wird bald illegal“, resümiert Anwalt Lelley. Selbst mehr oder minder unverhohlene Drohungen durch Vorgesetzte wie „Das bleibt jetzt aber unter uns“ oder „Wenn Sie darüber sprechen, haben Sie ein Problem“ sind in Zukunft tabu. Denn die neue Richtlinie verbietet es Unternehmen sogar, die Offenlegung von Gehältern durch die Beschäftigten zu behindern.



Der Druck auf Führungskräfte dürfte steigen

Und so beobachten Arbeitsrechtler derzeit ziemlich besorgte Personalchefs. Thomas Hey von der Kanzlei Bird & Bird prophezeit „einen Aufschrei, zumal der Mittelstand sich der neuen Regeln überhaupt noch nicht gewahr ist“. Es dürfte zu „Unmut in der Belegschaft führen, wenn altgediente, lang beschäftigte Fachkräfte erfahren, dass die neu eingestellten mehr verdienen, weil die Gehälter draußen inzwischen angestiegen sind“. Teurer wird es für die Unternehmen, wenn sie bei Stammbelegschaften Geld drauflegen müssen. Danja Frech, Geschäftsführerin und verantwortlich fürs Personal beim Medienkonzern Sky Deutschland, befürchtet: „Die Lohnspirale wird sich noch schneller drehen.“

Nach Auffassung von Anwalt Müller haben die neuen Regeln noch aus einem zweiten Grund das Potenzial, für Unruhe in den Firmen zu sorgen: Wer dann weiß, dass derjenige, der weniger tut, sogar mehr verdient, könnte ihm das direkt vorwerfen. Oder vom Chef fordern, die Arbeit gerechter zu verteilen.

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So mancher dürfte sich, wenn sich wenig ändert, nach einem Arbeitgeber umsehen, der ihm mehr zahlt. So wie der Berater in Hamburg. Der konnte mit seinem Wechsel nicht nur sein Gehalt um 20 Prozent steigern, sondern sich auch weiterentwickeln. Er baut nun eine neue Abteilung auf und stellt sich ein eigenes Team zusammen. Der Wechsel hat sich für ihn also doppelt ausgezahlt.

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