Work-Life-Balance Die Entmystifizierung des Workaholics

In Deutschland scheint eine Trendwende begonnen zu haben: Die Deutschen arbeiten zwar viel, legen aber auch wieder mehr Wert auf Freizeit. Die Feierabend-Industrie boomt.

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10 Tipps für einen schnellen Feierabend
Zeit sparenWenn jemand „Kannst du mal eben …?“ sagt, will er meistens Ihre Zeit. Natürlich sollen Sie nicht jede Bitte ablehnen. Aber auch nicht einfach immer Ja sagen und anderer Leute Arbeit übernehmen. Quelle: dpa
DelegierenOrganisieren Sie Ihre Arbeit effektiv. Das bedeutet vor allem: Was der Praktikant tun kann, sollten nicht Sie tun. Dann klappt's auch mal mit einem frühen Feierabend. Quelle: dpa
FleißWer seine Aufgaben gut und schnell erledigt, wird bei Vorgesetzen auch Verständnis finden, wenn er sich mal früher aus dem Staub macht. Quelle: dpa
KinderKein Chef wird sich Ihnen in den Weg stellen, wenn Sie sich um Ihre kranken Kinder kümmern müssen (oder wollen). Auch der Auftritt des Sohnes im Kindertheater oder der Tochter im Schul-Ballett sind ein gutes Argument für den frühen Feierabend. Quelle: dpa
Termine am NachmittagBüroluft macht unfrei. Machen Sie mehr Außentermine klar. Und legen Sie sie möglichst auf den Nachmittag, damit es sich danach nicht mehr lohnt, ins Büro zu kommen. Quelle: Fotolia
StoppSie müssen Grenzen setzen. Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr eigener Arbeitsschutzbeauftragter. Ihre Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass Sie mindestens zweimal, besser dreimal pro Woche pünktlich Feierabend machen. Überlegen Sie genau, wie Sie sich selbst dazu bringen. Quelle: dpa
Eigenes BüroWer im Großraumbüro sitzt, kann es nicht unbemerkt verlassen. Neben vielen andere Vorteilen erlaubt ein Einzelbüro auch, ohne großes Aufsehen nach Hause oder sonst wohin zu gehen. Also organisieren Sie sich eines, wenn Sie es können. Quelle: Fotolia

Man findet sie im Zug, zum Beispiel im ICE um 19.06 Uhr von Hamburg nach Berlin: die Feierabendmacher. Pendler, die Telefone, Tablets und Computer schon ausschalten, bevor das Netz kurz hinter Bergedorf zusammenbricht. Sie klappen die Lehne zurück, setzen die großen Kopfhörer auf und schließen die Augen. Sie holen sich eine Flasche Rotwein aus dem Bordrestaurant. Sie kennen sich nicht, aber sie plaudern über die politische Lage oder darüber, was gerade im Kino läuft – bloß nicht über die Arbeit. In Berlin trennt man sich ohne Aufhebens wieder voneinander. Es geht nicht um langfristige Bekanntschaften. Es geht um den Feierabend-Moment.

Arbeit und Freizeit dürfen wieder getrennt werden

Feierabend ist ein urdeutsches Wort, es gehört zum Gefühlshaushalt der Nation wie Pietismus und Gemütlichkeit. Was dazu zählt und was nicht, wechselt ständig – und es sagt viel über die Deutschen, ihr Verhältnis zur Arbeit und ihr Verhältnis zu sich selbst. Derzeit findet ein überraschender Wandel statt: die Deökonomisierung des Feierabends. Das ist zunächst nicht offensichtlich, denn wie misst man, was sich nicht messen lässt, wie misst man das Nichts, die Abwesenheit von etwas?

Mit Beginn des Industriezeitalters entstand die Sehnsucht nach einem Gegenbild zur Arbeitswelt. Städter gründeten Wander- und Alpenvereine oder wenigstens eine Kleingartenkolonie. Millionen zogen an den Stadtrand, um Arbeit und Freizeit räumlich möglichst weit voneinander zu entfernen. Bis die Idee aufkam, Arbeit und Freizeit müsse man nicht trennen, könne es auch nicht mehr. Doch wie es aussieht, verliert diese Idee schon wieder an Strahlkraft, in der Geschichte der Industrialisierung wäre sie nur ein Wimpernschlag. Denn eine wachsende Zahl von Menschen schottet sich nach der Arbeit von der Arbeit ab, strebt ins Freie.

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